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EinfuhrabgabenBeihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel führt zur Haftung für Einfuhrabgaben

Abo-Inhalt17.03.20251880 Min. Lesedauer

von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

| Die in § 191 Abs. 5 S. 2 AO vorgesehene Ausnahme von einem Ausschluss der Haftung wegen des Grundsatzes der Akzessorietät gilt nicht nur für die täterschaftliche Begehung einer Steuerhinterziehung, sondern für jede Begehungsform, also auch die Teilnahme an einer Steuerhinterziehung. Das hat das FG Hamburg entschieden. |

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die haftungsweise Inanspruchnahme der Klägerin (K) für gegen die A GmbH festgesetzte Einfuhrabgaben. Das HZA hatte 2009/10 gegen die A GmbH für im Jahr 2009 aus Asien eingeführte Waren Einfuhrabgaben im Wege der Nacherhebung festgesetzt. Recherchen durch die Bundeszollverwaltung hätten ergeben, dass der von der A GmbH in den Zollanmeldungen der Bezugsvorgänge genannte Verkäufer C (Vietnam) nicht existiere, die vorgelegten Handelsrechnungen mangels einer Vertragspartei im Drittland (Vietnam) für die Berechnung der Zollwerte nach Art. 29 Zollkodex (ZK; Transaktionswert) nicht herangezogen werden könnten und die Zollwerte deshalb nach einer der Folgemethoden des Art. 30 Abs. 2 ZK und Art. 31 ZK festgesetzt werden müssten.

Am 19.3.10 wurde über das Vermögen der A GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit hinsichtlich der K rechtskräftigem Urteil wurde diese wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel in 103 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einen Jahr und fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit insgesamt neun Haftungsbescheiden nahm der Beklagte B die K 2019 erfolglos gesamtschuldnerisch mit der A GmbH und neben möglichen weiteren Gesamtschuldnern für die Einfuhrabgaben in Anspruch. Die A GmbH schulde die in der Anlage aufgeführten Zölle und Antidumpingzölle. Diese Steueransprüche beruhten darauf, dass von der A GmbH eine Vielzahl von Containern mit Waren (überwiegend Textilien) aus China und Vietnam eingeführt und unter Anmeldung von zu niedrigen Zollwerten abgefertigt worden seien. Die K habe sich der Beihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel schuldig gemacht, indem sie in dem Tatzeitraum vorsätzlich über das von ihr zu diesem Zweck gegründete und geführte Zollbüro in Vertretung und im Auftrag des einzigen Kunden (A GmbH) Container mit Waren aus China und Vietnam zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr unter Angabe von zu niedrigen Zollwerten angemeldet und abgefertigt habe bzw. habe abfertigen lassen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet (FG Hamburg 25.7.24, 4 K 57/20, Abruf-Nr. 245759). Nach § 191 Abs. 1 S. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 71 AO haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, u. a. für die verkürzten Steuern. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme sind erfüllt. Der Haftungsinanspruchnahme stehen schließlich weder die Haftungsfestsetzungsfrist nach § 191 Abs. 3 AO noch der Ausschlussgrund des § 191 Abs. 5 AO entgegen.

Auf einen Ausschluss der Haftung nach § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, 1. Alt. AO kann sich K auch nicht auf § 191 Abs. 5 S. 2 AO berufen. Nach dieser Vorschrift ist eine Haftung nicht nach § 191 Abs. 5 S. 1 AO ausgeschlossen, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begangen hat. Beim gewerbsmäßigen Schmuggel handelt es sich nach § 373 AO um einen Qualifikationstatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO). Entgegen der Auffassung der K gilt § 191 Abs. 5 S. 2 AO auch nicht allein für die täterschaftliche Begehung der Steuerhinterziehung, sondern vielmehr für jede Begehungsform, also – wie im Fall der K – auch für die Beihilfe (§ 27 StGB).

Merke | Diese rechtliche Bewertung ist strittig (ebenso wie das FG Hamburg etwa FG Nürnberg 1.4.08, II 127/2005; FG Hessen 25.8.99, 7 K 2815/96; Boeker in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 191 AO Rn. 245; a. A. Jatzke in: Gosch, AO/FGO, § 191 AO Rn. 49; Rüsken in: Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 191 Rn. 172; offengelassen von BFH 21.11.00, VII R 8/00).

Relevanz für die Praxis

Der BFH hat für die Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid und die dabei zu treffende behördliche Ermessensentscheidung entschieden, dass im Fall vorsätzlicher Steuerstraftaten diese Ermessensentscheidung in der Weise vorgeprägt ist, dass diese nicht besonders begründet werden muss.

Merke | Hat jemand als Täter oder – wie im Streitfall die K – Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, ist es i. d. R. billig und gerecht, wenn ihn das FA für den Steuerschaden in Anspruch nimmt. Die Behörde würde vielmehr ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie den Betreffenden von der Inanspruchnahme freistellte. Einer besonderen Begründung für die Ermessensausübung bedarf es in diesen Fällen nicht, wobei die Vorprägung der Ermessensentscheidung nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grunde nach, sondern auch für die Inanspruchnahme der Höhe nach gegeben ist (BFH 2.12.03, VII R 17/03).

Die Nichtberücksichtigung eines weiteren Gesamtschuldners führt nur zu einem Ermessensfehler, wenn die Einbeziehung dieses Gesamtschuldners in die vorzunehmende Abwägung wahrscheinlich dazu geführt hätte, dass die Behörde gehalten gewesen wäre, diesen Gesamtschuldner vorrangig in Anspruch zu nehmen. Da die Freistellung von der Abgabenpflicht bei einem Gesamtschuldner, der einen Steuertatbestand durch eine vorsätzliche Steuerstraftat verwirklicht hat, regelmäßig ermessensfehlerhaft ist (s. o.), wird eine haftungsrechtliche Privilegierung innerhalb mehrerer Steuerstraftäter kaum zu begründen oder gar individuell zu beanspruchen sein.

AUSGABE: PStR 4/2025, S. 84 · ID: 50274406

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