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Beihilfe zur SchwarzarbeitBeihilfe zu § 266a StGB durch den Selbstständigen, um sozialpolitische Interessen durchzusetzen?
| Schwarzarbeit ist immer wieder Gegenstand von Ermittlungsverfahren. Wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) können sich, da es ein echtes Sonderdelikt ist, nur Arbeitgeber und ihnen gleichgestellte Personen (§ 266a Abs. 5 StGB) strafbar machen. Gegen die Arbeitskräfte, deren Beiträge zur Sozialversicherung nicht abgeführt wurden, kann wegen Beihilfe (§ 27 StGB) ermittelt werden. Wurde dies bislang eher restriktiv gehandhabt, werden mittlerweile auch Ermittlungsverfahren gegen Soloselbstständige geführt. |
FRAGE DES STEUERBERATERS: Mein Mandant M ist studierter Informatiker und als solcher seit vielen Jahren freiberuflich für unterschiedliche Auftraggeber tätig. Er hat eigene, hochkomplexe Softwareprodukte entwickelt und bewirbt diese aktiv am Markt. Für die Implementierung seiner Produkte bei dem jeweiligen Auftraggeber muss er immer mal wieder persönlich vor Ort sein, um auf die entsprechenden Server der Kunden zugreifen oder Remote-Zugänge einrichten zu können. Aufgrund seines hohen Spezialisierungsgrades können ihm die Auftraggeber keine aufgabenbezogenen Weisungen erteilen; wann er vor Ort arbeitet, entscheidet er selbst. M hat die vertraglich vereinbarte Leistung erbracht und nach Stunden abgerechnet. Seine Einkünfte hat er ordnungsgemäß versteuert. Die Ermittlungsbehörden werfen ihm nun Beihilfe zu § 266a StGB vor. Zu Recht?
ANTWORT DES STRAFVERTEIDIGERS: Leider kommen solche Ermittlungsverfahren mittlerweile häufiger vor. In der Verteidigung dieser Fälle müssen die sozialversicherungsrechtlichen Implikationen und die strafrechtlichen Voraussetzungen zusammengeführt werden.
Praxistipp | Es ist daher zu empfehlen, die seitens der Ermittlungsbehörden zusammengetragenen, vermeintlichen Beweise für eine Beihilfestrafbarkeit gemeinsam durch Verteidiger und Arbeitsrechtler zu überprüfen. |
Sozialversicherungsrechtlich ist zunächst § 7 Abs. 1 SGB IV zu beachten. Hier wird Beschäftigung definiert als die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Das BSG hat hierzu abhängig von der Art der jeweiligen Tätigkeit Indizien erarbeitet, die für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen. Aus der Rechtsprechung heraus haben die Spitzenverbände einen Katalog bestimmter Berufsgruppen entwickelt, um zur vereinfachten Handhabung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit abzugrenzen (Anlage 5, in der Fassung vom 1.4.22, abzurufen unter iww.de/s12446; zuletzt abgerufen am 9.2.25).
Inzwischen reicht der DRV bereits eine virtuelle Eingliederung aus, d. h., mit dem Argument, der Freelancer war nie bei uns, wird man in der Praxis nicht mehr verfangen können. Die Möglichkeiten, sich als Freelancer zu betätigen, wurden und werden leider immer stärker durch die Sozialgerichte und die strenge Auslegung deren Rechtsprechung durch die DRV eingeschränkt. Freelancer, die bislang immer als Selbstständige gearbeitet haben und sich bewusst und frei für diese Form der Erwerbstätigkeit entschieden haben, werden durch die rigide Praxis der Sozialgerichte und der DRV immer stärker – meistens gegen ihren Willen – fiktiv in arbeitnehmerähnliche Positionen gebracht.
Dass nun auch wegen des Vorwurfs der Beihilfe zu § 266a StGB gegen solche aus freier Entscheidung Selbstständige ermittelt wird, ist nicht nur aufgrund des Ultima-ratio-Prinzips des Strafrechts abzulehnen. Auch strafrechtlich überzeugt der Vorwurf in diesem Fall nicht.
Denn Beihilfe ist eine dem Täter vorsätzlich geleistete Hilfe dazu, eine vorsätzlich rechtswidrige Tat zu begehen. Der Gehilfe unterstützt dabei die Tat einer anderen Person, über die diese die Tatherrschaft hat. Das Verhalten des Gehilfen muss sich dabei irgendwie objektiv fördernd auf die Haupttat auswirken.
Im vorliegenden Fall ist eine Beihilfe in Form eines aktiven Tuns nicht ersichtlich. Es wurde keine klassische, kollusive Schwarzlohnabrede getroffen, der Selbstständige hat einfach vertragsgemäß seine Leistung erbracht. Dies stellt jedoch keine strafbare Beihilfeleistung i. S. § 27 Abs. 2 StGB dar (vgl. ausführlich und soweit ersichtlich als einzige Auseinandersetzung mit dieser Problematik Wittig, ZIS 16, 700 ff.). Auch eine aktive (psychische) Beihilfe z. B. durch Annahme der Zahlungen für die erbrachte Leistung muss abgelehnt werden.
Man könnte nun überlegen, ob der Freelancer vorliegend ein Statusfeststellungsverfahren hätte einleiten müssen oder ob er Anzeige gegen seinen Auftraggeber hätte stellen müssen. Dann könnte ihm vielleicht Beihilfe in Form von Unterlassen vorgeworfen werden. Dies wäre jedoch nur strafbar, wenn eine Garantenpflicht bezüglich der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen bestünde. Eine solche existiert jedoch nicht. Es ist gesetzlich vorgesehene Aufgabe des Auftraggebers, bei Zweifeln den Beschäftigungsstatus zu klären. Überlegungen zum bei der Beihilfe notwendigen sog. „doppelten Gehilfenvorsatz“ erübrigen sich damit in den meisten Fällen bereits auf Ebene des objektiven Tatbestands.
Anzumerken sei dennoch, dass der bewusste Wille zur Selbstständigkeit einem Vorsatz zur Beihilfe kontradiktorisch entgegenstehen muss.
AUSGABE: PStR 4/2025, S. 95 · ID: 50316093