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GesellschaftsrechtAusschluss als Gesellschafter scheidet trotz steuerrechtlicher Vorwürfe aus

Abo-Inhalt03.02.20258 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

| Das OLG Schleswig-Holstein hat sich damit befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Im Mittelpunkt stehen wechselseitige Vorwürfe zwischen den Parteien, darunter der Verdacht auf Steuerdelikte, Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung und unlauteres Verhalten. Das Gericht klärt, ob und wie diese Vorwürfe das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern beeinträchtigen und ob sie einen „wichtigen Grund“ für den Ausschluss eines Gesellschafters darstellen können. |

Sachverhalt

Die Parteien nehmen sich wechselseitig auf Ausschließung als Gesellschafter aus der S. KG in Anspruch. Sie hatten mit notariellem Vertrag (GV) eine Gesellschaft gegründet. Ausweislich dieses Vertrags ist der Kläger K zu 90 % beteiligt; der Beklagte B ist einziger Kommanditist (19 %). Gegenstand des Unternehmens ist insbesondere die Vermittlung und Betreuung von Versicherungen, § 2 Abs. 1 GV. B war Jahre zuvor, noch während seiner juristischen Ausbildung, als Mitarbeiter für das Einzelunternehmen des K tätig geworden. Aus der Präambel des GV ergibt sich das Ziel einer langfristigen Partnerschaft. K und B hatten sich wechselseitig mit – teilweise erheblichen – Vorwürfen überzogen. U. a. wurde vermeintliches „Schwarzgeld“ thematisiert. In einem Schreiben an einen Geschäftspartner wirft der B dem K vor, Tippgeberprovisionen jahrelang als Schwarzgeld gezahlt und damit Steuerhinterziehungen begangen zu haben. Zwar habe K diese Praxis ab 2021 eingestellt, jedoch lediglich durch ein anderes, ebenfalls steuerlich und Compliance-rechtlich problematisches Vorgehen ersetzt. Der B kritisiert insbesondere ein Verschleierungsmanöver, das weiterhin steuerliche Pflichten verletze, darunter die Einkommens-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. Zudem bemängelt er die unzureichende Erfüllung der Voraussetzungen für Steuerprivilegien bei den Tippgeberprovisionen.

Das LG hat B aus der gemeinsamen KG ausgeschlossen und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der B erfolglos mit seiner Berufung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des B wird zurückgewiesen (OLG Schleswig-Holstein 17.9.24, 9 U 84/23, Abruf-Nr. 245776). Die Entscheidung des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

Der Senat geht davon aus, dass die Willenserklärung des K, um den GV abzuschließen, nicht aufgrund einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach §§ 123, 142 Abs. 1 BGB nichtig ist. Der K ist in vollem Umfang für die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beweisbelastet, weil er sich auf die Anfechtung beruft. Allerdings liegt ein wichtiger Grund vor, um den B nach § 17 Abs. 3 GV i. V. m. § 133 Abs. 2, § 140 Abs. 1 S. 1, § 161 Abs. 2 HGB a. F. aus der Gesellschaft auszuschließen. B hat die ihm nach dem GV obliegenden wesentlichen Pflichten vorsätzlich verletzt.

Merke | Ein Gesellschafter kann aus einer Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dies folgt aus folgendem, das bürgerliche Recht und das Handelsrecht, beherrschenden Grundsatz:
Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreifen oder eine besondere gegenseitige Interessenverflechtung mit sich bringen und ein persönliches Zusammenarbeiten, ein gutes Einvernehmen oder ein ungestörtes gegenseitiges Vertrauen der Beteiligten erfordern, können vorzeitig gelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Wird schuldhaft ein tiefgreifendes unheilbares Zerwürfnisses herbeigeführt, stellt dies einen von mehreren möglichen Ausschließungsgründen dar (BGH 23.2.81, II ZR 229/79, BGHZ 80, 346).

Die durch das Verhalten des Gesellschafters verletzte Pflicht kann sich unmittelbar aus dem Vertrag, aus der allgemeinen gesellschafterlichen Treuepflicht oder erst im Zusammenhang mit gesetzlichen Vorschriften ergeben (MüKo/ K. Schmidt/Fleischer, HGB, 5. Aufl., § 133 Rn. 21).

Ein Fehlverhalten im Privatbereich eines Gesellschafters ist bei einer personengeprägten Gesellschaft jedenfalls dann gesellschaftswidrig, wenn es sich unmittelbar gegen den Lebensbereich des anderen Gesellschafters richtet und dessen Achtungsanspruch in schwerwiegender Weise verletzt oder wenn es sich auch auf den geschäftlichen Bereich der Gesellschaft auswirkt und zu einer Schädigung des Unternehmens führt.

Die vorsätzliche Verletzung wesentlicher Gesellschafterpflichten bildet hiernach regelmäßig einen Ausschließungsgrund, da es den übrigen Gesellschaftern hier meist nicht zugemutet werden kann, die Gesellschaft mit dem Störer fortzusetzen (Staub/ Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 140 Rn. 9).

Merke | Die gesellschafterliche Treuepflicht ist im Gesellschaftsvertrag i. V. m. § 242 BGB begründet. Die Treuepflicht besteht sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den Mitgesellschaftern. Eine stark personalistisch strukturierte Gesellschaftsform erzeugt umfassende Treuepflichten. Die Gesellschafter werden durch die Treuepflicht bei der Wahrnehmung ihrer Rechte in der Weise beschränkt, dass ihre eigenen Interessen sowie die Interessen Dritter gegenüber den Interessen der Gesellschaft zurückstehen müssen. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht schließt gegenüber der Gesellschaft die Pflicht ein, deren Interessen wahrzunehmen und gesellschaftsschädigende Handlungen zu unterlassen (BGH 19.11.13, II ZR 150/12).

Insgesamt finden sich in dem Schreiben Vorwürfe gegen die Geschäftspraxis des K als Geschäftsführer der Gesellschaft in Form von Straftaten, Steuerdelikten und Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung. Diese stellen aus objektiver Sicht eines Erklärungsempfängers schwerwiegende und massive Vorwürfe dar, die ein weiteres gewerbliches Tätigwerden der Gesellschaft als Versicherungsmaklerin und den hierfür erforderlichen guten Ruf eines gesetzestreuen Marktteilnehmers schwer beeinträchtigen.

Relevanz für die Praxis

Die Vorwürfe gegen den Gesellschafter, gegen den sich die Ausschließungsklage richtet, müssen zunächst dahin gehend überprüft werden, ob sie berechtigt sind. Es muss ferner geprüft werden, ob sie für das Zerwürfnis ursächlich waren oder dieses vertieft haben. Es bedarf sodann einer Würdigung der Gesamtumstände insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die darin zu sehende Verletzung der Gesellschafterpflichten es unzumutbar macht, die Gesellschaft mit dem auszuschließenden Gesellschafter fortzusetzen (BGH 23.2.81, II ZR 229/79, BGHZ 80, 346).

Hierbei ist eine Interessenabwägung erforderlich: Der „wichtige Grund“ kann auf zurückliegende Vorgänge gestützt werden. Die Fortsetzung der Gesellschaft ist aber nur unzumutbar, wenn für die Zukunft ein sinnvolles Zusammenwirken der Gesellschafter nicht zu erwarten ist. Diese Feststellung ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände zu treffen, die bei Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vorliegen (BGH 15.9.97, II ZR 97/96).

Wenn auch die Gesellschafter, die den Ausschluss beantragen, zum Zerwürfnis in der Gesellschaft beigetragen haben, kann ein Ausschluss nach der Rechtsprechung nur erfolgen, wenn der Auszuschließende den Hauptanteil an der Zerstörung des Vertrauens trägt (BGH 31.3.03, II ZR 8/01). In die Prüfung, ob der Ausschluss eines Gesellschafters gerechtfertigt ist, sind des-halb nicht nur die in dessen Person liegenden Gründe, sondern auch Umstände in der Person der übrigen Gesellschafter einzubeziehen, die entweder auch deren Ausschluss rechtfertigen, oder doch wenigstens zu einer milderen Beurteilung derjenigen Gründe führen können, die der vom Ausschluss bedrohte Gesellschafter gesetzt hat (BGH 22.1.90, II ZR 21/89; 15.9.97, II ZR 97/96).

Im Rahmen der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob ein Gesellschafter nur mit einem sehr geringen Anteil an der Gesellschaft beteiligt ist (BGH 15.9.97, II ZR 97/96). Ist ein Gesellschafter völlig untragbar geworden, muss es möglich sein, ihn aus der Gesellschaft auszuschließen und das Unternehmen, die Firma, den Betrieb mit allen darin steckenden Werten und die vorhandenen Arbeitsplätze zu erhalten (BGH 1.4.53, II ZR 235/52, BGHZ 9, 157).

Vorliegend konnte nach Ansicht des OLG sogar offenbleiben, ob dem B wegen der beanstandeten Maßnahmen des Verstoßes gegen das Steuerrecht und gegen den Datenschutz gegen den K ein Unterlassungsanspruch i. S. e. actio pro socio (Klage für die Gesellschaft) rechtfertigend zugestanden hätte. Ein solcher Unterlassungsanspruch käme – so das OLG – nur in Betracht, wenn es sich um grob rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen handeln würde, die evident das unternehmerische Ermessen des Komplementärs überschreiten. Denn auch bei Bejahung eines Unterlassungsanspruchs i. S. e. actio pro socio würde ein solcher Unterlassungsanspruch nur eine gesellschaftsinterne Klärung der Angelegenheit – ggf. unter Inanspruchnahme der Gerichte – beinhalten, nicht aber die Befugnis, den Konflikt gegenüber Geschäftspartnern geschäftsschädigend auszubreiten.

Merke | Ein Gesellschafter ist aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht befugt, Unstimmigkeiten zunächst allein gesellschaftsintern zu klären. Verhärtet sich der Verdacht einer Straftat, darf er bei den Behörden eine Anzeige erstatten. Er darf aber nicht den Konflikt ausbreiten, um möglicherweise rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen vor dritten Personen, die mit der Kommanditgesellschaft zusammenarbeiten, in Vertragsverhältnissen stehen oder potenzielle Kunden sind, kundzutun. Denn ein Ausbreiten des Konflikts um mögliche Verstöße gegen das Steuerrecht und gegen den Datenschutz gefährdet den Ruf und damit die geschäftliche Stellung der Unternehmung auf dem Markt (hier: der Vermittlung und Betreuung von Versicherungen).
Das Ausbreiten des Konflikts gefährdet nicht nur die für ein Auftreten auf dem Markt erforderliche Seriosität des Unternehmens, sondern verunsichert Geschäftspartner. Es liegt auf der Hand, dass es ein ungünstiges Bild bei Geschäftspartnern der Gesellschaft verursacht, wenn ausgebreitet wird, dass der geschäftsführende Gesellschafter und der einzige Kommanditist mehr gegeneinander als miteinander arbeiten (vgl. OLG München 4.12.98, 23 U 2700/95).

Vorliegend war B deshalb aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet, die Unstimmigkeiten intern zu klären und ggf. die Gerichte in Anspruch zu nehmen.

Allein gesellschaftsintern durfte B als Kommanditist auch in massiver und möglicherweise überspitzter Weise Kritik an der Geschäftsführung des Komplementärs üben, um die Entwicklung der Gesellschaft zu beeinflussen (vgl. OLG Hamm 11.7.18, 8 U 108/17). Hierzu wäre er in Wahrnehmung berechtigter Interessen i. S. v. § 193 StGB befugt, um sein Mitgliedschafts- und Minderheitenrecht wahrzunehmen.

Der Senat hat in einem neuen Vorbringen des B in einem ihm nicht nachgelassenen Schriftsatz keinen Anlass gesehen, die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Wiedereröffnungsgründe i. S. d. § 156 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 ZPO lägen nicht vor. Entscheidender Zeitpunkt dafür, einen Gesellschafter aus einer Personenhandelsgesellschaft auszuschließen, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (BGH 15.9.97, II ZR 97/96, juris Rn. 12). Nach der mündlichen Verhandlung durch den B selbst geschaffene Umstände, die er zu seinen Gunsten noch berücksichtigt wissen will, stellten keinen ausreichenden Grund dafür dar. Mit einer Wiedereröffnung wäre eine Verfahrensverzögerung des seit 2022 anhängigen Rechtsstreits verbunden. Auch hätte der B, wenn er aus der KG durch Übertragung seines Kommanditanteils ausscheiden wolle, dieses Anliegen bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung an den K herantragen und die hierfür notwendigen Voraussetzungen bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung gestalten können.

AUSGABE: PStR 3/2025, S. 62 · ID: 50276003

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