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KreditrechtVerjährung der Rückzahlung von Bankentgelten
| Mit Urteil vom 27.4.21, XI ZR 26/20 (FMP 21,126) hatte der BGH Klauseln in AGB von Banken und Sparkassen für unwirksam erklärt, die das Schweigen des Kunden auf ein Änderungsangebot der Bank als Zustimmung bewertet haben (Zustimmungsfiktionsklausel). Nun hat sich der BGH mit dem Anspruch der Kunden auf Rückzahlung von solchen unzulässig vereinbarten Bankentgelten befasst, vor allem mit der Frage, unter welchen Bedingungen eine konkludente Zustimmung zu Preisänderungen anzunehmen ist. Dabei hat er eine für Verbraucher günstige Entscheidung getroffen. |
Sachverhalt
Der Kläger verlangt von der beklagten Sparkasse die Rückzahlung von Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Die Beklagte informierte den Kläger im Oktober 2017, dass ab dem 1.1.18 Kontoführungsentgelte in Höhe von monatlich 3,50 EUR und Gebühren für eine Girokarte von jährlich 6 EUR zu zahlen seien. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Nach einer in den AGB der Beklagten enthaltenen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 21 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte von 192 EUR. Das AG und das LG haben die Klage jeweils abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Relevanz für die Praxis
Der BGH hat die Ausgangsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Danach kann der Kläger die Rückzahlung der Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte verlangen.
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Nach Ansicht des BGH hat der Kläger einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1, S. 1 BGB, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Die von der Beklagten angekündigte Änderung der Geschäftsbedingungen und der damit geforderten Bankentgelte sei nämlich nicht wirksam geworden. In seiner Entscheidung vom 27.4.21 hatte der BGH bereits entschieden, dass eine Klausel in den AGB von Banken und Sparkassen, die ein Schweigen des Kunden auf ein Änderungsverlangen vorsieht (Zustimmungsfiktionsklausel), im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam ist. Es handele sich nämlich nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB um eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers. Eine solche sei im Zweifel immer anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sei. Das sei hier der Fall, da die verwendeten Klauseln das Schweigen des Vertragspartners als Annahme eines Veränderungsantrags qualifizieren, obwohl die §§ 145 ff. BGB regelmäßig eine ausdrückliche Annahmeerklärung voraussetzen.
Der Kläger habe der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen auch nicht konkludent durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die Nutzung des Girokontos allein sei kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspreche nur den Erfordernissen und Usancen des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
Schließlich hat der BGH auch geprüft, wie die über mehrere Jahre erfolgte widerspruchslose Zahlung der verlangten Entgelte zu bewerten ist. Die Beklagte hatte dabei im Verfahren eine entsprechende Anwendung der sog. Dreijahreslösung gefordert, die der BGH bei unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen regelmäßig zur Anwendung bringt (BGH 6.7.22, VIII ZR 28/21 und VIII ZR 155/21; FMP 22, 214).
Nach Auffassung des BGH führt eine unwirksame Preisanpassungsklausel in einem Energielieferungsvertrag zu einer Lücke im Regelungsplan der Parteien, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen ist, wenn es sich um ein langjähriges Vertragsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und er nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht. Die ergänzende Vertragsauslegung führt dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (BGH, a. a. O. und zuvor 24.9.14, VIII ZR 350/13; 1.6.22, VIII ZR 287/20).
Eine Übertragung dieser Regelungen auf den vorliegenden Fall hat der BGH jedoch abgelehnt. Es bestehe kein Bedarf, die durch den Wegfall der Zustimmungsfiktionsklausel entstandene Vertragslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Soweit vereinbarte Bestimmungen unwirksam sind, richte sich der Inhalt des Vertrags gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Das BGB sehe mit § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. konkrete Regelungen zur konsensualen Änderung eines Vertrags vor. Danach habe die Zustimmung zu einer von der Bank oder Sparkasse angetragenen Vertragsänderung, die durch die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel fingiert werden sollte, durch eine Willenserklärung des Kunden zu erfolgen. Eine dreijährige Frist, binnen derer der Bankkunde die Erhebung von unwirksamen Bankentgelten beanstandet haben muss, um nicht an das von der Bank oder Sparkasse Angetragene gebunden zu sein, sehe das nach § 306 Abs. 2 BGB maßgebende dispositive Gesetzesrecht demgegenüber nicht vor. Sparkassen und Banken würden angesichts der bestehenden gesetzlichen Verjährungsregelungen, die eine dreijährige Verjährungsfrist vorsehen (§ 195 BGB), und angesichts der bestehenden Möglichkeit, Verträge zu kündigen, auch nicht unzumutbar belastet. Im Ergebnis kann der Kläger also seine Rückzahlungsansprüche innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB geltend machen. Die Frist war noch nicht verstrichen, sodass dem Kläger der Rückzahlungsanspruch zusteht.
Keine Aussage hat der BGH zur Frage getroffen, ab welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist beginnt. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für den Beginn der Verjährungsfrist müssen alle drei genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Erst dann beginnt die Verjährungsfrist mit Schluss des Kalenderjahrs zu laufen. Hier stellt sich die Frage, wann der Kunde als Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Hierzu hat der BGH in einer Entscheidung zur Rückforderung von Bearbeitungsentgelten bei Darlehensverträgen bereits im Jahr 2014 (28.10.14, XI ZR 348/13) eine grundlegende Entscheidung getroffen. Danach hat der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 BGB regelmäßig Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Nicht erforderlich ist hingegen in der Regel, dass er aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Das würde dafür sprechen, die anspruchsbegründende Kenntnis bereits mit der Überzahlung der Gebühren anzunehmen und die Verjährungsfrist damit beginnen zu lassen.
Andererseits kann ausnahmsweise die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermag. Das soll insbesondere gelten, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht. In einem solchen Fall fehle es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH 28. 10. 14, XI ZR 348/13). Daher wird auch die Auffassung vertreten, dass die Erhebung einer Rückforderungsklage auch in den hier vorliegenden Fällen erst zumutbar erscheint, nachdem der BGH die Praxis der Zustimmungsfiktion als unzulässig missbilligte. Somit würde die Verjährungsfrist für alle Rückforderungsansprüche erst ab Kenntnis von der BGH-Entscheidung, also im Jahr 2021, zu laufen beginnen. Sie hätte sich dann zum Ende des Jahres 2024 vollendet, wäre aber durch Verhandlungen über den Rückzahlungsanspruch oder andere Umstände auch zu hemmen gewesen.
Unter XI ZR 36/23 ist beim BGH eine Revision anhängig, in deren Rahmen u. a. über diese Frage zu entscheiden sein wird. FMP wird darüber berichten. Es zeigt sich allerdings, dass die Klärungen des BGH häufig zu spät kommen.
AUSGABE: FMP 1/2025, S. 16 · ID: 50238208