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BetreuungsrechtGericht muss begründen, wenn es davon absieht, einen Verfahrenspfleger zu bestellen

Abo-Inhalt13.10.202585 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist i. d. R. erforderlich, wenn über die Aufhebung einer gegen den Willen des Betroffenen bestehenden Betreuung entschieden werden soll. Davon kann nur abgesehen werden, wenn das Gericht nicht in wesentliche neue Tatsachenermittlungen einsteigt. In solchen Fällen muss das Gericht seine Entscheidung, keinen Verfahrenspfleger zu bestellen, begründen. |

Sachverhalt

Der Betroffene B leidet an schizophrenen Wahnvorstellungen, die aus einer dauerhaften Psychose folgen. Für ihn ist deshalb ein Betreuer Bt mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge bestellt. Er ist bereits seit mehreren Jahren im Maßregelvollzug untergebracht. Nun hat der B beantragt, die Betreuung aufzuheben. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde hat das LG ein Sachverständigengutachten eingeholt und den B angehört. Im Ergebnis blieb die Beschwerde jedoch ebenfalls erfolglos. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde ist erfolgreich und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das LG (BGH 5.2.25, XII ZB 431/24; Abruf-Nr. 247270).

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung leidet an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler. Fehlerhaft ist es unterblieben, einen Verfahrenspfleger zu bestellen.

Einen Antrag, die bestehende Betreuung aufzuheben, kann das Gericht nur unter Beachtung der für das Betreuungsverfahren geltenden Verfahrensvorschriften ablehnen. Daraus folgt, dass § 276 Abs. 1 S. 1 FamFG anzuwenden ist. Danach ist dem Betroffenen ein geeigneter Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies erforderlich ist, um seine Interessen wahrzunehmen. Dies ist auch der Fall, wenn die Bestellung eines Betreuers gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll. Dem steht wiederum die Entscheidung darüber gleich, eine Betreuung aufzuheben.

Im Aufhebungsverfahren kann folglich nur davon abgesehen werden, einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn das Gericht nicht in nennenswerte Tatsachenermittlungen eintritt. Denn in einem solchen Fall hätte bei einer unveränderten Sachlage die Bestellung eines Verfahrenspflegers dagegen nur einen rein formalen Charakter. Sie wäre damit nicht erforderlich, um die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen.

Da die Bestellung eines Verfahrenspflegers somit i. d. R. erforderlich ist, wenn eine Entscheidung über die Aufhebung der gegen den erklärten Willen des Betroffenen bestehenden Betreuung erfolgen soll, muss das Gericht eine von diesem Regelfall abweichende Entscheidung entsprechend begründen.

Eine solche Begründung lässt das LG vorliegend vermissen. Es hätte sich damit befassen müssen, ob die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers vorliegen. Zudem hätte daran anschließend die Entscheidung, von einer Bestellung abzusehen, ihrerseits begründet werden müssen.

Der Senat kann ohne diesbezügliche tatrichterliche Ausführungen weder prüfen, ob das Beschwerdegericht die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers überhaupt in den Blick genommen hat, noch kann er beurteilen, ob es sich im Rahmen des ihm eröffneten Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers gehalten hat. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

Relevanz für die Praxis

Der Betreuungssenat bestätigt mit wenigen instruktiven Sätzen seine restriktive Linie in Bezug darauf, davon abzusehen, einen Verfahrenspfleger zu bestellen (siehe BGH 23.10.19, XII ZB 208/19). Dies ist für die Betreuungspraxis zu begrüßen.

Rechtlicher Maßstab dafür, einen Verfahrenspfleger zu bestellen, ist dessen Erforderlichkeit. Der Verfahrenspfleger sichert, dass die Interessen des Betroffenen gewahrt werden, insbesondere dann, wenn gegen seinen Willen eine Betreuung eingerichtet oder eine solche bereits bestehende Betreuung beendet werden soll. Der Kern seiner Tätigkeit liegt darin, die für den Betroffenen wichtigen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und zu gewichten.

Von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abzusehen, kann daher nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn nahezu keine Tatsachenermittlung durch das Betreuungsgericht erfolgt. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgend muss das Betreuungsgericht es entsprechend begründen, wenn es von der Bestellung eines Verfahrenspflegers absieht.

Zugleich findet der Senat klare Worte für die vorliegend fehlende Begründung des Beschwerdegerichts. Die daraus folgenden revisionsrechtlichen Vorgaben für die Betreuungsgerichte finden in der Praxis leider nicht immer die ihnen beizumessende Beachtung.

Diese folgt unmittelbar aus dem gesetzlichen Zweck des Schutzes der Rechte des Betroffenen. Die vorliegende Entscheidung zeigt hierzu erfreulich klar auf, dass es Sache der Tatgerichte ist, das Absehen von Verfahrenserfordernissen zum Schutze des Betroffenen sorgfältig zu begründen. Das gilt nicht nur dafür, einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Dieser Grundgedanke durchzieht die Systematik des gesamten Betreuungsrechts. So ist etwa die persönliche Anhörung des Betroffenen der Regelfall, sodass das Ausbleiben einer Anhörung den gleichen Begründungserfordernissen genügen muss. Auch hier bestehen durchaus Defizite in der tatrichterlichen Praxis.

AUSGABE: FK 11/2025, S. 188 · ID: 50365290

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