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BeistandspflichtEx-Ehepartner ist verpflichtet, an einer günstigen Anschlussfinanzierung für das Haus mitzuwirken
| Haben Ehegatten einvernehmlich die gemeinsame Ehewohnung durch Bankkredit finanziert, ist jeder Ehegatte auch nach der Scheidung verpflichtet, ein entlastendes Umschuldungsangebot der Bank mitzutragen. Die Mitwirkungspflichten, um die Kreditkosten zu mindern, ergeben sich aus den wechselseitigen Beistandspflichten §§ 242, 745 und 1353 BGB. |
Sachverhalt
Die Beteiligten M und F waren seit 2008 verheiratet und besaßen gemeinsam ein Haus. Nach der Trennung im Juni 18 blieb die F mit den gemeinsamen Kindern dort wohnen, das Gericht wies ihr das Haus zur alleinigen Nutzung zu. Im Juli 20 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Der M forderte vergeblich ab Juli 19 eine monatliche Nutzungsentschädigung von 500 EUR von der F.
Beide hatten gemeinsam ein Darlehen aufgenommen, das weiterhin valutiert und das die F momentan alleine mit monatlichen Zahlungen von zunächst 792 EUR, später ca. 1.700 EUR, bedient. Sie trägt auch weitere Grundstückskosten allein. Im Sommer 20 gab es eine mündliche Einigung, dass die F ihren Anteil am Haus an den M verkauft. Den dafür geplanten Notartermin sagte M kurzfristig ab, die Kosten dafür blieben bei der F. Im September 21 stand eine Refinanzierung des Darlehens an, die die monatliche Rate stark gesenkt hätte. Trotz Aufforderung beteiligte sich die F daran nicht.
Der M verlangte daraufhin gerichtlich eine monatliche Nutzungsentschädigung von 750 EUR ab Januar 22 sowie eine Nachzahlung für frühere Monate von insgesamt 9.250 EUR. Das FamG verpflichtete die F unter Zurückweisung der darüber hinausgehenden Zahlungsanträge des M dazu, eine rückständige Nutzungsentschädigung für den Zeitraum August 20 bis Dezember 21 i. H. v. 3.408,50 EUR sowie eine monatliche Entschädigung i. H. v. 168,50 EUR für die Monate Januar bis Oktober 22 von jeweils 54 EUR für November und Dezember 22 und schließlich i. H. v. 77,50 EUR für den Monat Januar 23 zu zahlen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des M war erfolgreich (OLG Frankfurt a. M. 20.6.24, 4 UF 5/24, Abruf-Nr. 248776).
Entscheidungsgründe
Grundlage des Zahlungsanspruchs des M ist § 745 Abs. 2 BGB. Der M kann nach Auszug und Neuregelungsverlangen (im Juli 2019) von der in der Ehewohnung verbliebenen F ein angemessenes Nutzungsentgelt i. H. d. verkehrsüblichen Miete verlangen. Zu berücksichtigen sind neben dem Mietwert des Hauses auch die Lasten und Kosten nach § 748 BGB, insbesondere die Darlehenszahlungen der F für die Dauer ihrer Alleinnutzung, die gemäß den jeweils hälftigen Miteigentumsanteilen der Beteiligten zur Hälfte auf den mitverpflichteten M umzulegen sind.
Von diesem Grundsatz ist hier nach Billigkeitsgrundsätzen (§ 745 Abs. 2 BGB) abzuweichen. Denn die von der F geltend gemachten Darlehensleistungen können ab September 21 nur i. H. v. 304,33 EUR als (hälftig) zu berücksichtigende Abzugsposition angesetzt werden, um das Nutzungsentgelt zu berechnen. Denn die F muss weiterhin unverhältnismäßig hohe Raten zahlen, da sie sich geweigert hat, an der Umschuldung mitzuwirken. Die Pflicht der F, an einer günstigen (Anschluss)-)Finanzierung mitzuwirken, ergibt sich aus den § 1353, § 242, § 745 Abs. 2 BGB. Denn gem. § 1353 BGB sind Ehegatten verpflichtet, einander Beistand und Hilfe zu leisten. Diese Pflicht endet nicht, wenn die Ehe scheitert und geschieden wird. Prinzipiell ist ein Ehegatte daher gehalten, auch noch nach der Scheidung daran mitzuwirken, die finanziellen Lasten des früheren Partners zu vermindern.
Die F kann sich daher nicht erfolgreich darauf berufen, sie sei angesichts des hochstreitigen Verhältnisses zum M nicht verpflichtet, sich durch den Umschuldungsvertrag weiterhin an diesen zu binden. Zwar ist ihre ablehnende Haltung wegen der Vielzahl der familiengerichtlichen Auseinandersetzungen und wegen der fehlenden Akzeptanz der Selbstbestimmtheit und Eigenständigkeit der F durch den M subjektiv nachvollziehbar, erweist sich vor allem in rechtlicher Hinsicht aber als widersprüchlich und ist im Ergebnis für die Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB (Billigkeit) unbeachtlich. Die F kann nicht einerseits bis heute die aus der rechtlichen Verbundenheit mit dem M resultierenden Vorteile beanspruchen und sich andererseits zugleich darauf berufen, dass ihr eine solche Verbindung nicht zuzumuten sei. Weiter ist davon auszugehen, dass die Beteiligten ohne den Umschuldungsvertrag ohnehin weiterhin gemeinsam gegenüber der Bank für das Darlehen haften.
Zwar waren M und F sich noch im Sommer 20 einig darüber, die Immobilie zu veräußern. Allerdings war M nicht verpflichtet, den für ihn angesichts der in dem hier betroffenen Zeitraum mit stetig steigenden Immobilienpreisen finanziell u. U. nachteiligen Kaufvertrag abzuschließen. Vielmehr musste sich die F auch im Herbst und Winter 2020/21 erst noch um eine Finanzierungszusage bemühen; zudem war in dieser Zeit auch noch von einer Übernahme des Grundstücks durch ihre Eltern die Rede.
Relevanz für die Praxis
Das OLG orientiert sich bei den Zahlungen an der verkehrsüblichen Miete sowie an dem von der Bank angebotenen günstigen Umschuldungsangebot von 304,33 EUR monatlich. Hierbei berücksichtigt das Gericht zu Recht die verweigerte Zustimmung der F zur günstigen Umschuldung, die die erheblich höheren Raten einseitig weiter bediente. Allerdings vertieft das OLG hier nicht die Unentschlossenheit des M in 2020 beim möglichen Verkauf der Wohnung, weil dieser wegen steigender Immobilienpreise zur Unzeit einen nachteiligen Kaufpreis befürchtete. Diese Argumentation ist nicht zwingend, weil ein Verkauf im beiderseitigen Interesse schon eine frühzeitige Entlastung hätte bringen können und der Immobilienmarkt den optimalen Zeitpunkt für den bestmöglichen Verkauf einer Immobilie ohnehin nicht individuell passgenau offenlegen kann. Unabhängig davon hatte die finanzierende Bank trotz ihres Drittinteresses die Möglichkeit, den bisherigen Schuldbetrag in zwei getrennte Darlehen aufzuteilen. Dieses naheliegende Vorgehen wird in solchen Fällen selten erwogen und durchgesetzt.
AUSGABE: FK 11/2025, S. 186 · ID: 50442432
