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AbänderungsverfahrenTod des Ausgleichsberechtigten – was beim Abänderungsantrag für dynamisierte Anrechte gilt
| Das OLG Hamm hat entschieden, wie bei Abänderungsanträgen nach § 51 VersAusglG solche Anrechte zu behandeln sind, hinsichtlich derer in der ursprünglichen Entscheidung zum Versorgungsausgleich das erweiterte Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAusglHG a. F. durchgeführt worden ist. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
In der Ehezeit (1.2.72 – 31.5.89) erwarb M ein Anrecht bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit einem Ehezeitanteil von 969,40 DM sowie ferner ein Anrecht aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der F GmbH & Co. KG mit einem Ehezeitanteil i. H. e. monatlichen Rente von 103,31 DM. F erwarb ein Anrecht bei der BfA, und zwar mit einem Ehezeitanteil von 58,80 DM. Das AG hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich (VA) geregelt. Es hat die Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung saldiert und die Übertragung von monatlichen Rentenanwartschaften i. H. v. 455,45 DM von M an F angeordnet (969,40 DM ./. 58,50 DM = 910,90 DM / 2 = 455,45 DM). Hinsichtlich des Anrechts des M aus der betrieblichen Altersversorgung hat es gem. § 1587b BGB, § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAusglHG im Wege des erweiterten Splittings die Übertragung von Rentenanwartschaften auf F i. H. v. 9,43 DM angeordnet. F bezog seit dem 1.6.03 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Dauer.
Am 26.3.17 verstarb sie und wurde von ihren Kindern T und S beerbt. M bezieht seit dem 1.7.19 eine Vollrente wegen Alters. Er begehrt in einem Verfahren gegen T und S die Abänderung der Entscheidung zum VA gem. § 51 VersAusglG i. V. m. §§ 225, 226 FamFG unter Verweis darauf, dass sich der Ehezeitanteil des Anrechts der F aufgrund der Besserbewertung von Kindererziehungszeiten durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.14 (sog. „Mütterrente I“) sowie durch das RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz vom 28.11.18 (sog. „Mütterrente II“) erhöht habe. Insofern sei bei einem Anrecht eine wesentliche Wertänderung eingetreten.
Das AG hat den Antrag abgewiesen. Es ist aufgrund der neuen Auskünfte der Versorgungsträger zu dem Ergebnis gekommen, dass M im Zeitpunkt des Eingangs des Abänderungsantrags Anrechte von monatlich 244,97 EUR zu übertragen hätte, die F solche von monatlich 23,54 EUR. Der Ausgleichswert der betrieblichen Altersversorgung des M betrage 25,95 EUR. Damit müsste M insgesamt Anrechte von 244,97 EUR + 25,95 EUR ./. 23,54 EUR = 247,38 EUR abgeben. Nach der damaligen Entscheidung habe er hingegen 455,45 DM + 9,43 DM = 464,88 DM entsprechend 237,69 EUR abgeben müssen. Er stünde also bei einer Abänderung insgesamt schlechter, weshalb sein Antrag zurückzuweisen sei. Dagegen wandte sich M erfolgreich mit seiner Beschwerde (OLG Hamm 7.3.25, 4 UF 145/24, Abruf-Nr. 248578).
Entscheidungsgründe
Der VA findet mit Wirkung zum 1.6.23 nicht mehr statt.
Abänderung bei Tod des Ex-Ehegatten
Gem. § 51 Abs. 1 VersAusglG kann eine Entscheidung zum VA, die nach dem bis zum 31.8.09 geltenden Recht getroffen worden ist, bei einer wesentlichen Wertänderung abgeändert werden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, werden die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach Maßgabe der §§ 9 bis 19 VersAusglG geteilt.
Wird die Abänderung zu einem Zeitpunkt beantragt, in dem der Ausgleichsberechtigte bereits verstorben ist, greift § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG: Stirbt der Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung, steht den Erben kein Recht auf einen solchen Wertausgleich zu. Der BGH hat entschieden, dass auch § 31 VersAusglG zu denjenigen Vorschriften gehört, die anzuwenden sind, wenn eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG erfolgt (BGH 5.6.13, XII ZB 635/12, FK 13, 185).
Liegen die Voraussetzungen einer Abänderung nach § 51 VersAusglG vor und ist der Ausgleichsberechtigte verstorben, wird das Gericht auf den Abänderungsantrag hin anordnen, dass kein VA mehr stattfindet. Der Abänderungsantrag führt also praktisch zu einer „Ganz oder gar nicht“-Entscheidung. Sind die Voraussetzungen des § 51 VersAusglG für eine Abänderung erfüllt, entfällt der VA insgesamt, weil die Erben nicht ausgleichsberechtigt sind. Liegen die Voraussetzungen hingegen nicht vor, bleibt alles beim Alten.
Wesentliche Wertänderung
Voraussetzung ist, dass die Wertänderung wesentlich ist. Hierzu verweist § 51 Abs. 2 VersAusglG auf § 225 Abs. 2 und 3 FamFG. Diese Vorschrift wiederum statuiert eine „doppelte Bagatellgrenze“. Die erste Grenze ist eine relative, die an einen prozentualen Anteil des Ausgleichswerts anknüpft („mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts“). Die zweite ist eine absolute Grenze, die sich bei der Abänderung von nach altem Recht ergangenen Entscheidungen nach einem Vergleich der monatlichen Rentenbeträge richtet (BGH 8.11.2017, XII ZB 105/16, FK 19, 29). Beiden Grenzen ist gemein, dass sie jeweils an den Ausgleichswert des betreffenden Anrechts anknüpfen (Norpoth/Sasse, in: Erman, VersAusglG, 17. Aufl., § 51 Rn. 8). Diese Wertgrenzen waren hier hinsichtlich des Anrechts der F in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der nachträglichen Besserbewertung ihrer Kindererziehungszeiten („Mütterrente I und II“) überschritten.
Auswirkung der Abänderung zugunsten eines Ehegatten/Hinterbliebenen
Zudem muss sich die Abänderung zugunsten eines Ehegatten (oder seiner Hinterbliebenen) auswirken, § 51 Abs. 5 VersAusglG i. V. m. § 225 Abs. 5 FamFG. Dadurch wollte der Gesetzgeber vor allem verhindern, dass ein Versorgungsträger die Abänderung betreibt, wenn sie sich allein zu dessen Gunsten auswirken würde. Ist ein Ehegatte verstorben und hinterlässt er keine Hinterbliebenen mit Anspruch auf Witwen- oder Waisenrente, muss sich wegen dieser Regelung die Abänderung zugunsten des antragstellenden, überlebenden Ehegatten auswirken (BGH 4.5.22, XII ZB 122/21, FamRZ 22, 1177). Es kommt darauf an, ob sich bei einer Gesamtbetrachtung des Ausgleichsergebnisses hypothetisch bei einer Totalrevision unter Lebenden dieser Ehegatte besserstellt (BGH, a. a. O.). Mit anderen Worten: Es muss nicht nur das einzelne Anrecht hinsichtlich der Wesentlichkeit der Wertänderung betrachtet werden, sondern auch die Gesamtheit der seinerzeit in den Wertausgleich einbezogenen Anrechte. Hinsichtlich dieser weiteren Anrechte, die seinerzeit in den VA einbezogen waren, sind auch neue Auskünfte einzuholen. Zu prüfen ist, was sich ergäbe, wenn ein hypothetisch neuer VA zum Zeitpunkt des Eingangs des Abänderungsantrags durchgeführt würde. Nur, wenn dieses Ergebnis für den Antragsteller günstiger ist als das damalige, ist sein Abänderungsantrag erfolgreich.
Der Einwand des M, dass nach § 51 Abs. 1 VersAusglG auch § 18 VersAusglG bei Änderungen gilt mit der Folge, dass bei einer hypothetischen Totalrevision sein geringwertiges Anrecht aus betrieblicher Altersversorgung nicht berücksichtigt werden dürfe, ist eine „Nebelkerze“. Der BGH hat entschieden, dass bei der hypothetischen Totalrevision die einzelnen Anrechte nur Rechnungsposten in einer Gesamtbilanz darstellen, ohne dass sie selbst zum Ausgleich herangezogen werden. Der mit § 18 Abs. 2 VersAusglG verfolgte gesetzgeberische Zweck, einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand des Versorgungsträgers durch die Teilung eines geringwertigen Anrechts zu vermeiden, sei bezogen auf die einzelnen in die Gesamtbilanz einzustellenden Anrechte ohnehin nicht berührt (BGH 22.3.17, XII ZB 385/15, FK 17, 209). Deshalb ist in der hier zu beurteilenden Konstellation § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht anzuwenden.
Der weitere Einwand des M trifft zu, dass das AG „Äpfel mit Birnen verglichen“ hat. Es habe bei der Vergleichsbetrachtung einmal den dynamisierten Betrag von 9,43 DM, einmal hingegen den nicht dynamisierten monatlichen Ausgleichswert zugrunde gelegt.
Merke | Im vor September 2009 geltenden Recht wurden Anrechte nicht einzeln ausgeglichen, sondern saldiert. Der Ehegatte, der mehr Anrechte hatte, musste von diesem „Mehr“ die Hälfte an den anderen Ehegatten abgeben. Dazu wurden im Regelfall die Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Teilung herangezogen, die übrigen Anrechte waren nur Rechnungsposten. Sie mussten vor der Berechnung aber miteinander vergleichbar gemacht werden. Die Anpassung geschah in Richtung der gesetzlichen Anrechte (und Anrechte der Beamtenversorgung), die der Gesetzgeber als „volldynamisch“ bezeichnete. Weil die meisten übrigen Anrechte nicht in gleicher Weise wie die gesetzlichen Anrechte sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium im Wert stiegen, wurden sie mithilfe der sog. „Verordnung zur Ermittlung des Barwerts einer auszugleichenden Versorgung“ (BarwertVO) in dynamische Anrechte umgerechnet. So auch hier: Aus einem Anrecht i. H. v. 103,31 DM monatlich wurden dynamisiert 9,43 DM monatlich. |
Bei einem Anrecht, das in der Ausgangsentscheidung mithilfe der Barwertverordnung an die gesetzliche Rentenversicherung angepasst wurde, ist auf den seinerzeit festgestellten Nominalwert des hälftigen Ehezeitanteils vor der Dynamisierung abzustellen. Bei der im Rahmen von § 51 VersAusglG anzustellenden Vergleichsbetrachtung ist also hinsichtlich des damaligen Zeitpunkts und bezüglich des Anrechts des M in der betrieblichen Altersversorgung nicht der dynamisierte Betrag von 9,43 DM zugrunde zu legen, sondern der Betrag von 103,31 DM.
Was die Vergleichsbetrachtung angeht, kann bezüglich des M nicht einfach auf den Betrag von 455,45 DM + 9,43 DM = 464,88 DM abgestellt werden, den der M nach der damaligen Entscheidung zum VA tatsächlich abgeben musste. Vielmehr ist im Rahmen dieser Vergleichsbetrachtung der Ehezeitanteil der von ihm erworbenen Anrechte i. H. v. 969,40 DM + 103,31 DM = 1.072,71 DM monatlich heranzuziehen. Für die F verblieb es bei Anrechten von 58,50 DM monatlich. Insgesamt ist deshalb für die anzustellende Vergleichsbetrachtung davon auszugehen, dass M einen Betrag von 1.072,71 DM ./. 58,50 DM = 1.014,21 DM geteilt durch 2 = 507,11 DM monatlich abgeben musste. Diese vergleichsweise geringe Änderung führt dazu, dass die hypothetische Totalrevision zu einem für den M günstigeren Ergebnis führte.
Relevanz für die Praxis
Die Besserbewertung von Kindererziehungszeiten durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.14 (sog. „Mütterrente I“) sowie durch das RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz vom 28.11.18 (sog. „Mütterrente II“) stellt eine durchaus oft vorkommende, auf den Ausgleichswert eines Anrechts zurückwirkende rechtliche Veränderung i. S. v. § 225 Abs. 2 FamFG dar. Sie kann Grundlage eines Abänderungsantrags nach § 51 VersAusglG sein.
Zu den im Fall einer solchen Abänderung anzuwendenden Vorschriften gehört auch § 31 VersAusglG. Wenn die Voraussetzungen einer Abänderung erfüllt sind und der Ausgleichsberechtigte bereits verstorben ist, entfällt mithin der VA.
Checkliste / Abänderungsantrag nach § 51, § 31 VersAusglG |
Damit ein Abänderungsantrag in einer solchen Konstellation erfolgreich ist, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
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AUSGABE: FK 8/2025, S. 134 · ID: 50420030