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ErbrechtErbschleicherei verhindern: Chancen und Herausforderungen als Ansprechpartner
| Erbschleicherei verursacht bei den Opfern und deren Angehörigen emotionale, gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden. In Teil 1 der Beitragsreihe haben wir betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen aufgezeigt, um Erbschleicherei zu verhindern. Teil 2 befasst sich mit entsprechenden lebzeitigen rechtsgeschäftlichen Maßnahmen. Teil 3 befasst sich mit flankierenden Möglichkeiten, um einer Erbschleicherei vorzubeugen. |
1. Ansprechpartner sein
Erbschleicher sind erfolgreich, wenn sie den „Triggerpunkt“ des Opfers finden. Dieser Triggerpunkt ist häufig, dass das Opfer allein ist und ein Ansprechpartner fehlt. Diese Lücke füllt der Erbschleicher aus. Die Familie des Opfers und der Freundeskreis sollten dagegenwirken und sich selbst als Ansprechpartner anbieten. In diesem Bereich gibt es u. a. folgende Sonderfälle:
- Die Sehnsucht nach einem Ansprechpartner ist besonders groß, wenn das Opfer in der Ehe immer der unterlegene Teil war und der Vorverstorbene das Leben der Eheleute geregelt hat.
- In Einzelfällen und selbst bei großen Altersunterschieden geschieht es immer wieder, dass Opfer dem Erbschleicher regelrecht hörig werden und in einer vermeintlichen Liebesbeziehung leben.
- Besonderheiten gibt es auch, wenn das Opfer gesundheitlich so angeschlagen ist, dass eine Kommunikation nur schwer möglich ist.
Folgende Vorteile und Probleme sind zu beachten:
- Vorteil: Gelingt es der Familie, Ansprechpartner zu bleiben, verliert der Erbschleicher an Einfluss. Hierdurch erhält die Familie auch die Möglichkeit, weiterhin Informationen zu sammeln und selbst Einfluss auf das Opfer auszuüben und es zur Umkehr zu bewegen.
- Problem: Die Rolle des Ansprechpartners ist in vielen Fällen unmöglich. Denn Erbschleicher versuchen oft, das Opfer systematisch von der Familie abzuschotten. Zudem sind das Opfer und seine Familie häufig räumlich weit entfernt oder ein Kontakt ist wegen der eigenen angegriffenen Gesundheit des Familienmitglieds nicht möglich. Ansprechpartner sein ist emotional belastend und kann nicht von jedem als Rolle ausgefüllt und bewältigt werden.
2. Erstellen einer Zeugenliste
Die typische Situation eines Erbschleicherfalls ist, dass sich der gesamte Sachverhalt im Erbfall offenlegt und erst dann Rechtsschritte eingeleitet werden können. Der Streit um das Erbe beginnt und damit auch der Streit darum, ob das Erbschleicher-Testament oder einer lebzeitigen Schenkung an den Erbschleicher wirksam ist.
Übersicht / Unwirksamkeitsgründe von Testament/Schenkung |
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Um diese Unwirksamkeitsgründe gerichtlich beweisen zu können, benötigt man zumeist Zeugen als Beweismittel. Es ist hilfreich, bereits zu Lebzeiten eine Zeugenliste zu erstellen. Diese Maßnahme ist aber mit Vorteilen und Problemen verknüpft.
- Vorteil: Der zum Teil viele Jahre spätere Erbfall macht es schwierig, die ursprünglichen Personen und Sachverhalte zu rekonstruieren. Die Zeugenliste mit einer schriftlichen Dokumentation der Zeugenaussagen verhindert dies und ebenso das Problem, dass Zeugen vor der Beweisaufnahme versterben, sich deren Erinnerung verschlechtert oder die Zeugen gesundheitlich nicht mehr zu einer Zeugenaussage in der Lage sind.
- Problem: Gerichte können die Zulässigkeit von rein schriftlichen Zeugenaussagen negieren und auf einer mündlichen Zeugeneinvernahme bestehen. Es ist vom Einzelfall abhängig, ob sich überhaupt Zeugen bereit erklären, entsprechende Aussagen abzugeben. Auch der Erbschleicher kann eine solche Zeugenliste erstellen, wenn er von dieser Maßnahme erfährt.
3. Suche nach Helfern aus dem Opferumfeld
In der Praxis unterschätzt wird die Rolle des Opferumfelds. Damit sind Personen gemeint, die regelmäßig Kontakt zum Opfer haben und außerhalb der Familie stehen. Diese Personen können helfen, Informationen zu sammeln bzw. die Motivlage des Opfers zu beeinflussen.
Übersicht / Kontaktpersonen des Opfers |
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Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.
- Vorteil: Diese Personen sind neutraler als die Familie. Deren Argumente sind tragfähiger, vor Gericht oder im strafrechtlichen Bereich. Sie sind als neutrale Zeugen nutzbar.
- Nachteil: Oft gelingt es Erbschleichern, diese Personen gegen die Familie aufzuhetzen und sich in ein besseres Licht zu rücken. Diese Personen werden dadurch zum Helfer des Erbschleichers. In bestimmten Fällen kann die Familie die Rolle dieser Personen nicht abschätzen und bleibt im Unklaren darüber, ob diese nicht in die Erbschleicherei einbezogen worden sind.
4. Kontakt zum Arbeitgeber des Erbschleichers
Wenn der Erbschleicher beruflich eine exponierte Stellung hat, ist es legitim, diese Stellung anzugreifen und Druck auf den Erbschleicher dadurch auszuüben, dass der Arbeitgeber von der Erbschleicherei informiert wird.
Übersicht / Mögliche Arbeitgeber des Erbschleichers |
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Diese Maßnahme ist besonders effektiv, wenn es im Rahmen des Berufes Standesrichtlinien oder Compliance-Vorschriften gibt, die das Verhalten des Erbschleichers sanktionieren. Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.
- Vorteil: Insbesondere dann, wenn der Erbschleicher wirtschaftlich von seiner beruflichen Tätigkeit abhängig ist oder im öffentlichen Leben steht, ist er hierdurch angreifbar und kann durch diese Maßnahme zu einer Beendigung der Erbschleicher, jedenfalls aber zu einer vergleichsweisen Regelung gebracht werden.
- Nachteil: Trägt man nicht beweisbare Anschuldigungen in die Öffentlichkeit, drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen, sodass mit dieser Maßnahme auch ein erhebliches finanzielles Risiko einhergehen kann.
- Böh, Erbschleicherei durch betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen vermeiden, FK 24, 125 ff.
- Erbschleicherei durch lebzeitige Maßnahmen vermeiden, FK 24, 143
AUSGABE: FK 10/2024, S. 178 · ID: 50029663