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Schuldrechtlicher VASo berechnet sich die schuldrechtliche Ausgleichsrente nach durchgeführtem Teilausgleich
| Ist bei der Scheidung ein beamtenrechtliches Anrecht z. T. dadurch ausgeglichen worden, dass gesetzliche Rentenanwartschaften begründet wurden, ist der Teilausgleich zwar im schuldrechtlichen VA anzurechnen, aber nicht mithilfe der aktuellen Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung zu dynamisieren. Der Teil des Anrechts, der dem schuldrechtlichen VA vorbehalten war, ist mit dem Anpassungsfaktor des beamtenrechtlichen Anrechts zu aktualisieren, so der BGH. Er hat auch zur Höhe abzugsfähiger privater Krankenversicherungsbeiträge Stellung genommen. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Bei der Scheidung von M und F wurde der VA nach früherem Recht durchgeführt. Während der Ehezeit (1.3.81 bis 30.11.02) hatten beide Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) erworben, der M i. H. v. monatlich 137,56 EUR, die F i. H. v. monatlich 177,03 EUR. Der M hatte zudem ein Anrecht nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bei der IHK erworben. Dieses wurde mit einem Ehezeitanteil von monatlich 2.791,15 EUR in den VA einbezogen. Das AG übertrug zulasten des Anrechts des M bei der IHK monatlich 947,88 EUR, bezogen auf das Ehezeitende, auf das Rentenkonto der F. Im Übrigen behielt es der F den schuldrechtlichen VA vor. Die F hat am 31.8.18 beantragt, den schuldrechtlichen VA durchzuführen. Sie bezieht seit Oktober 18 eine Vollrente wegen Alters aus der GRV. Dabei wirken sich zu ihren Gunsten Leistungsverbesserungen infolge der sog. Mütterrente aus. Der M bezieht von der IHK ein Ruhegehalt, das aufgrund des VA gekürzt ist. Das AG hat den M verpflichtet, rückwirkend ab Oktober 18 eine schuldrechtliche Ausgleichsrente zu zahlen. Auf die Beschwerde des M hat das OLG die Ausgleichsrente reduziert. Die zugelassene Rechtsbeschwerde des M ist teilweise erfolgreich.
Leitsätze: BGH 31.1.24, XII ZB 343/23 |
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Entscheidungsgründe
Das OLG hat die schuldrechtliche Ausgleichsrente errechnet, indem es sämtliche Anrechte mit ihren jeweils unterschiedlichen Dynamiken neu berechnet hat. Dieser Ansatz ist unzutreffend.
Ausgleich nur des noch nicht ausgeglichenen Teils des Anrechts
Es ist nur der in der Erstentscheidung noch nicht ausgeglichene und dem späteren schuldrechtlichen VA vorbehaltene Teil des bei der IHK bestehenden Anrechts auszugleichen. Zwar sind gem. § 5 Abs. 4 S. 2 VersAusglG beim schuldrechtlichen VA allgemeine Wertanpassungen des auszugleichenden Anrechts zu berücksichtigen. Wenn – wie hier – bei der Scheidung ein Teilausgleich nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG durchgeführt worden ist, ist deshalb der Teilausgleichsbetrag entsprechend seiner tatsächlichen Entwicklung in der GRV anzurechnen, § 51 Abs. 3 und 4, § 53 VersAusglG. Damit werden im VA nach der Scheidung auch zwischenzeitlich eingetretene unterschiedliche dynamische Entwicklungen der verschiedenen Versorgungsarten ausgeglichen.
Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Anrecht der Beamtenversorgung oder – wie hier – eine Versorgungszusage nach beamtenrechtlichen Grundsätzen z. T. im Wege des Quasi-Splittings (§ 1587b Abs. 2 BGB a. F.) oder – wie hier – des analogen Quasi-Splittings (§ 1 Abs. 3 VAHRG) öffentlich-rechtlich aus geglichen worden sind. Denn bei einem solchen Teilausgleich wurde die Versorgung des Ausgleichspflichtigen schon bei der Scheidung gekürzt. Im Umfang der vollzogenen Kürzung hat der Ausgleichspflichtige nicht mehr an der späteren Dynamisierung des Anrechts teil. Würde eine gleichwertige Dynamisierung beim Ausgleichsberechtigten nicht erreicht, müsste der Ausgleichspflichtige bei einer vollständigen Neuberechnung der Ausgleichswerte diesen Wertunterschied zusätzlich zu der bereits erfolgten Kürzung und damit insgesamt mehr als die Hälfte des Ehezeitanteils ausgleichen. Auf der anderen Seite würde der Ausgleichsberechtigte an einer Überdynamisierung des beamtenähnlichen Anrechts weiter teilhaben, obwohl für ihn bereits ein eigenständiges Anrecht mit eigener Dynamisierung in der GRV begründet worden ist. Um dies zu verhindern, ist ein schuldrechtlicher Restausgleich von Dynamisierungsunterschieden für die Fälle, in denen bei der Scheidung ein Teilausgleich im Wege des (analogen) Quasi-Splittings stattgefunden hat, ausgeschlossen (BT-Drucks. 16/10144, S. 90; 16/11903, S. 58).
Ruhegehalt des M bei der IHK ist zu verrechnen
Das Ruhegehalt des M bei der IHK ist für die einzelnen Monatszeiträume jeweils mit den von beiden Eheleuten in der GRV erworbenen Anrechten zu verrechnen. Von dem verbleibenden Ausgleichswert ist der durch analoges Quasi-Splitting ausgeglichene Teilbetrag abzuziehen. Der danach jeweils für den schuldrechtlichen VA verbleibende Restausgleichsbetrag ist entsprechend dem Anpassungsfaktor des beamtenrechtlichen Anrechts zu dynamisieren.
Da die F bei der Scheidung ein höheres Anrecht in der GRV erworben hatte, ist die Teilhabe des M an der zwischenzeitlichen Wertsteigerung des Anrechts der F in der GRV aufgrund der sog. Mütterrente gegenzurechnen. Dazu bedarf es keiner Abänderung nach § 51 VersAusglG. Denn der schuldrechtliche Restausgleich basiert auf einer Verrechnung mit den gesetzlichen Anrechten, und der noch offene Restbetrag kann im vorliegenden Verfahren – unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Wertänderungen – eigenständig errechnet werden.
Vom Ausgleichswert der laufenden Bruttorente des M sind die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbaren Aufwendungen abzuziehen, § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG. Den Sozialversicherungsbeiträgen vergleichbar sind insbesondere Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Das OLG hat hier nur die für eine Basisabsicherung in der privaten Krankenversicherung aufgebrachten Beiträge als abzugsfähig angesehen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Pflichtversicherte Rentner oder Betriebsrentner sind auf den Abzug der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge beschränkt. Zusätzliche freiwillige Versicherungen, etwa für Wahlleistungen oder Krankenhaustagegeld, sind keine Sozialversicherungsbeiträge und damit auch keine Abzugsposten im Rahmen des § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG. Auch Beiträge für eine private Krankenversicherung sind nur abzugsfähig, soweit sie auf Vertragsleistungen entfallen, die in Art, Umfang und Höhe den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Bei der Berechnung des hiernach beschränkten Abzugs kann der Tatrichter auf vorliegende Mitteilungen des privaten Krankenversicherers zu den Beitragsanteilen zurückgreifen, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerrechtlich als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig sind. Er kann die einzelnen Leistungs- und Prämienbestandteile aber auch selbst daraufhin beurteilen, ob sie dem Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen oder dieses übersteigen.
Zwar gibt das Gesetz keine starre Kürzung der abzuziehenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung nach dem Maßstab des Leistungsniveaus der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Unter Halbteilungsgesichtspunkten können sich Bedenken insbesondere ergeben, wenn der privatversicherte Ausgleichspflichtige seine Beitragsbelastung bereits dadurch deutlich gemindert hat, dass er eine Selbstbeteiligung vereinbart hat. Hier hat der M aber nicht geltend gemacht, seine Beiträge dadurch reduziert zu haben, dass er eine Selbstbeteiligung vereinbart hat.
Das OLG hat den auf den Ausgleichswert entfallenden Anteil der privaten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ermittelt, indem es die berücksichtigungsfähigen Beiträge des M zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung mit dem Quotienten aus dem Ausgleichswert und den Gesamtalterseinkünften multipliziert hat. Auch dagegen bestehen keine Bedenken.
Relevanz für die Praxis
Gem. § 5 Abs. 4 S. 2 VersAusglG sind im schuldrechtlichen VA auch „allgemeine Wertanpassungen“ des auszugleichenden Anrechts zu berücksichtigen. Daher ist bei der Bemessung der schuldrechtlichen Ausgleichsrente nach § 20 Abs. 1 S. 1 VersAusglG die nachehezeitliche Dynamik des Anrechts einzubeziehen. Außer Betracht bleiben nur individuelle, etwa durch einen beruflichen Aufstieg oder besonderen persönlichen Einsatz erworbene Wertsteigerungen.
Ist nach früherem Recht ein öffentlich-rechtlicher Teilausgleich durchgeführt worden, muss dieser auf die schuldrechtliche Ausgleichsrente angerechnet werden. Auch hinsichtlich dieses Teilausgleichs muss die nachehezeitliche Dynamik berücksichtigt werden. § 51 Abs. 3 i. V. mit § 53 VersAusglG bestimmt, dass der Teilausgleichsbetrag entsprechend der tatsächlichen Entwicklung des aktuellen Rentenwerts der GRV zu aktualisieren ist. Dies gilt jedoch nur, wenn mit dem Teilausgleich für den Ausgleichsberechtigten ein Anrecht in der GRV geschaffen worden ist. Das war nur der Fall, wenn bei der Scheidung ein Anrecht des Ausgleichspflichtigen im Wege des sog. Supersplittings (§ 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) durch Übertragung von (weiteren) Anrechten der GRV ausgeglichen wurde.
Ist dagegen ein Anrecht der Beamtenversorgung im Wege des Quasi-Splittings (§ 1587b Abs. 2 BGB a. F.) oder ein privatrechtliches Anrecht, das sich nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bemisst, im Wege des analogen Quasi-Splittings (§ 1 Abs. 3 VAHRG) ausgeglichen worden, kann der Teilausgleichsbetrag nicht mithilfe des aktuellen Rentenwerts der GRV aktualisiert werden. Denn bei einem Quasi-Splitting oder analogen Quasi-Splitting wurde die Versorgung des Ausgleichspflichtigen schon bei der Scheidung gekürzt. Er nahm daher im Umfang der vollzogenen Kürzung nicht mehr an der weiteren Dynamisierung des ausgeglichenen Anrechts teil. Deshalb ist bei dieser Konstellation nicht der vollzogene Teilausgleich zu dynamisieren, sondern der Restausgleichsbetrag, der nach Durchführung des Teilausgleichs für den späteren schuldrechtlichen VA verblieben ist. Die Aktualisierung dieses Restausgleichsbetrags muss mit dem Dynamisierungsfaktor vorgenommen werden, der für das auszugleichende beamtenrechtliche oder beamtenähnliche Anrecht maßgeblich war.
Beispiel 1 (Ehezeitende: 30.11.02; schuldrechtlicher VA ab 1.10.18): | |
Ehezeitanteil des beamtenrechtlichen Anrechts bei der Scheidung: | 2.800 EUR |
Ausgleichswert des Anrechts: (2.800 ÷ 2 =) | 1.400 EUR |
Teilausgleich durch Quasi-Splitting bei der Scheidung: | – 950 EUR |
Restausgleichsbetrag bei der Scheidung: | 450 EUR |
Dynamisierungsfaktor des beamtenrechtlichen Anrechts (wenn die Beamtenversorgung seit der Scheidung um 140 % gestiegen ist): | 1,4 |
Dynamisierter Ausgleichswert: (450 EUR × 1,4 =) | 630 EUR |
Haben die Ehegatten – wie hier – noch weitere Anwartschaften erworben, die im Wertausgleich bei der Scheidung verrechnet worden sind, ist dies bei der Berechnung des dynamisierten Ausgleichswerts zu berücksichtigen. Laut BGH kann dabei auch nachehezeitlichen Wertänderungen dieser Anrechte Rechnung getragen werden. Vorliegend hat der BGH die Wertsteigerung berücksichtigt, die das GRV-Anrecht der F infolge der sog. Mütterrente erfahren hat.
Beispiel 2 | |
Ehezeitanteil des beamtenrechtlichen Anrechts bei der Scheidung (wie Beispiel 1): | 2.800 EUR |
Ehezeitanteil des Anrechts des M in der GRV bei der Scheidung: | + 140 EUR |
Ehezeitanteil des Anrechts der F in der GRV bei der Scheidung: | – 180 EUR |
Ausgleichspflicht des M: | 2.760 EUR |
Ausgleichsanspruch der F: (2.760 ÷ 2 =) | 1.380 EUR |
Teilausgleich durch Quasi-Splitting bei der Scheidung: | – 950 EUR |
Restausgleichsbetrag bei der Scheidung: | 430 EUR |
Dynamisierungsfaktor des beamtenrechtlichen Anrechts (wie Beispiel 1) | 1,4 |
Dynamisierter Ausgleichswert: (430 EUR × 1,4 =) | 602 EUR |
Ehezeitanteil des Anrechts des M in der GRV bei Beginn der Ausgleichsrente: (unverändert) 140 EUR; dynamisiert mit dem Verhältnis der aktuellen Rentenwerte 2018 zu 2002: 140 EUR × 32,03 ÷ 25,86 = | + 173,40 EUR |
Ehezeitanteil des Anrechts der F in der GRV bei Beginn der Ausgleichsrente: (infolge der Steigerung durch die Mütterrente) 195 EUR; dynamisiert mit dem Verhältnis der aktuellen Rentenwerte 2018 zu 2002: 195 EUR × 32,03 ÷ 25,86 = | – 241,53 EUR |
Verbleibender Ausgleichsbetrag: | 533,87 EUR |
Der BGH konkretisiert, inwieweit Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung mit gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen i. S. v. § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG „vergleichbar“ und daher vom Ausgleichswert abzuziehen sind:
Im Regelfall sind bei privat Versicherten nur die Beiträge für die Basisabsicherung zu berücksichtigen, die steuerlich als Sonderausgaben abzugsfähig sind und von den Krankenversicherern bescheinigt werden. Die Kosten für zusätzliche Absicherungen (z. B. für Wahlleistungen oder Krankenhaustagegeld) sind nicht zu berücksichtigen. Ausnahme: Der Versicherte hat seine Beitragsbelastung dadurch (deutlich) gemindert, dass er eine Selbstbeteiligung vereinbart hat. Für diesen Fall ist es nicht gerechtfertigt, die aufgebrachten privaten Krankenversicherungsbeiträge nach dem Maßstab des Leistungsniveaus der gesetzlichen Krankenversicherung zu kürzen (BGH FK 16, 114). Es bestehen keine Bedenken dagegen, in diesem Fall die tatsächlich erbrachten privaten Versicherungsbeiträge abzuziehen (BGH FK 24, 28).
Die berücksichtigungsfähigen Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung sind im Übrigen nicht voll, sondern nur anteilig im Verhältnis des Ausgleichswerts zu den Gesamtalterseinkünften des Ausgleichspflichtigen abzuziehen (BGH FK 16, 114; 24, 28).
MERKE | Der BGH hat vorliegend keine Verzinsung der rückständigen Beträge ausgesprochen. Das lag aber daran, dass die Instanzgerichte keine Rückstände tituliert hatten und der M, der allein Rechtsbeschwerde erhoben hatte, dadurch nicht beschwert war. An sich kann der Ausgleichsberechtigte für vergangene Zeiträume ab Verzug oder Rechtshängigkeit die Verzinsung der schuldrechtlichen Ausgleichsrente verlangen, § 20 Abs. 3 VersAusglG i. V. m. § 1585b Abs. 2, § 1613 Abs. 1 BGB. Dies sollte ausdrücklich beantragt werden. |
Verzug kann durch eine sog. Stufenmahnung begründet werden, d. h. durch Aufforderung zur Auskunft über die Höhe der auszugleichenden Versorgung und Zahlung der sich nach § 20 VersAusglG ergebenden Ausgleichsrente (nebst Verzugszinsen). Die Ausgleichsrente muss auch bei der Stellung des Antrags auf schuldrechtlichen VA nicht beziffert werden.
AUSGABE: FK 10/2024, S. 173 · ID: 50086873