FeedbackAbschluss-Umfrage

Ordre PublicHandschuhehe verstößt nicht zwingend gegen den Ordre Public

Abo-Inhalt01.07.2024589 Min. Lesedauer

| Eine in Abwesenheit eines Ehepartners in Afghanistan geschlossene sog. Handschuhehe widerspricht nicht dem Ordre Public, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass für den Willen der Eheschließung selbst eine Stellvertretung vorliegt (OLG Frankfurt a. M. 4.4.24, 6 UF 204/23, Abruf-Nr. 241329). |

Die Beteiligten, beide afghanische Staatsangehörige, haben in Afghanistan in Form einer sog. Handschuhehe geheiratet. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin F anwesend. Danach flüchtete die F nach Deutschland und traf dort den M. Der M beantragte, die in Afghanistan geschlossene Ehe aufzuheben, hilfsweise die Scheidung. Er behauptet, die F, die sich als minderjährig ausgibt, habe ihn nur geheiratet, um ein Visum für Deutschland zu erhalten. Das AG hat auf den Hilfsantrag hin die Ehe geschieden, den Eheaufhebungsantrag jedoch zurückgewiesen. Die Beschwerde des M dagegen ist erfolglos.

Es liegt kein Aufhebungsgrund vor. Der deutsche Ordre Public steht der Anerkennung der in Afghanistan als Handschuhehe geschlossenen Ehe im Inland nicht entgegen. Keiner der Beteiligten macht geltend, dass die Eheschließung nicht dem Willen der Eheleute entsprochen habe. Aufgrund der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die F zum Zeitpunkt der Eheschließung volljährig war.

Ein Aufhebungsgrund nach afghanischem Recht liegt nicht vor. Dazu zählt u. a., dass eine Bedingung nicht erfüllt wird. Das Zusammenleben in Deutschland war keine derartige Bedingung. Es sind keine Gespräche darüber erfolgt, wie die Ehe ausgestaltet werden sollte. Der M hat ausreichende Erkenntnisquellen gehabt, um eine etwaig andere Motivation der F zu erfahren. Möglich ist, dass sich der Wunsch der F, allein zu leben, erst im Lauf der allein bewältigten Flucht gebildet hat. Der Aufhebungsgrund des Betrugs in Form der Täuschung über einen körperlichen oder geistigen Mangel liegt ebenfalls nicht vor. Mangels Aufhebungsgrund war die Ehe auf den Hilfsantrag hin zu scheiden.

Merke | Es ist zwischen der Stellvertretung in der Erklärung und der Stellvertretung im Willen zu unterscheiden: Bei der Stellvertretung im Willen hat der Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners. Es ist der materielle Ehewille betroffen. Die kollisionsrechtliche Wirksamkeit der Eheschließung richtet sich nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB. Liegt eine Stellvertretung in der Erklärung vor, entscheidet der Vollmachtgeber selbst über die Eheschließung und den Ehepartner. Bezüglich der kollisionsrechtlichen Formwirksamkeit einer solchen Eheschließung greift Art. 11 EGBGB. Danach genügt die Ortsform. Wird die Ehe durch einen Vertreter geschlossen, ist gem. Art. 11 Abs. 3 BGB der Staat maßgebend, in dem sich der Vertreter befindet.(GM)

Weiterführender Hinweis
  • Wesseler, Eheschließung im Wege doppelter Stellvertretung in Mexiko, FK 22, 63

AUSGABE: FK 7/2024, S. 110 · ID: 50023128

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte