FeedbackAbschluss-Umfrage

ErbrechtErbschleicherei durch betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen vermeiden

Abo-Inhalt01.07.2024561 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Wolfgang Böh, FA Erbrecht und FA Steuerrecht, München

| Erbschleicher nötigen alten Menschen Testamente ab, lassen sich Immobilien schenken, schaffen ein Abhängigkeitsverhältnis zum Opfer, entwenden Geld. Sie schädigen das Vermögen der Opfer, zerreißen das Band zwischen Familie und Opfer, verhindern die Kontaktaufnahme zum Freundeskreis des Opfers und verursachen emotionale und gesundheitliche Schäden. Der folgende Beitrag zeigt, wie Sie mittels betreuungs- und vorsorgerechtlicher Maßnahmen Erbschleicherei vermeiden können. |

1. Hintergrund

Sowohl in der Bevölkerung als auch in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Politik wird das Thema „Erbschleicherei“ verstärkt zum Diskussionsthema. Fast jeder kommt in seinem Leben mit einer Erbschleicherei in Berührung: innerfamiliär, im erweiterten Freundeskreis, der Nachbarschaft oder im Berufsleben. Die Gesetzgebung bemüht sich, mit Einzelregelungen Abhilfe zu schaffen. Ein Beispiel ist für den Zeitraum ab dem 1.1.23 der Ausschluss eines Erbrechts des gesetzlichen Betreuers in § 30 BtOG. Die Rechtsprechung verwendet in einzelnen Entscheidungen den plakativen Begriff der Erbschleicherei (vgl. nur OLG Frankfurt 9.1.20, 20 VA 18/18). Die Politik allerdings wagt kein konkretes Vorgehen im großen Stil und angelehnt an anglo-amerikanische Rechtsordnungen, die ein umfassenderes Erwachsenenschutzrecht kennen (Stichworte: undue influence und elder abuse). Deshalb sind Opfer einer Erbschleicherei, deren Familien und Freundeskreis auf eine Hilfestellung angewiesen, wie ein Schutz erfolgen kann.

2. Einleiten eines Betreuungsverfahrens

Vielfach ist das Erbschleicheropfer gesundheitlich angeschlagen und damit im Rechtssinne betreuungsbedürftig, § 1814 BGB. Gerade deshalb ist er leichte Beute eines Erbschleichers. Familie und Freundeskreis denken daran, eine gesetzliche Betreuung anzuregen. Folgende Verfahrenselemente können bei einer Erbschleicherei bedeutsam sein.

Übersicht / Schritte zur Einleitung eines Betreuungsverfahrens

  • 1. Besuch der Sozialbehörde / des Landratsamts
  • 2. Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht
  • 3. Gutachterliche Untersuchung hinsichtlich Betreuungsbedürftigkeit
  • 4. Bestellung eines Verfahrenspflegers (Rechtsanwalt) für den Betroffenen im Betreuungsverfahren
  • 5. Bestellung eines gesetzlichen Betreuers (ein fremder Dritter) und Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts

Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.

  • Vorteil: Das Verfahren kann bewirken, dass die gesundheitliche Situation des Opfers geprüft und dokumentiert wird. Der neutrale Kontakt des Opfers mit Behördenmitarbeitern, einer Gerichtsperson, einem Gutachter und einem Verfahrenspfleger kann das Band zwischen ihm und dem Erbschleicher zerschneiden und das Opfer aus der Abhängigkeit befreien.
  • Nachteil: Ein Betreuungsverfahren wird das Opfer als Entmündigung begreifen. Das Opfer hält am Erbschleicher fest, da er ihn vor der „Entmündigung“ schützen will und benennt diesen ggf. als Wunschbetreuer. Es besteht außerdem das kaum bekannte Risiko, dass eine Betreuungsanregung als großer Undank ausgelegt werden und zu einer Schenkungsrückforderung führen kann, § 530 BGB.

3. Kontrollbetreuung kontra Vorsorgevollmacht

Agiert der Erbschleicher mittels einer Vorsorgevollmacht, muss es Ziel sein, diese anzugreifen. Dies geschieht im Betreuungsverfahren. Ist die Vorsorgevollmacht wirksam, kann bei Pflichtverletzungen des Bevollmächtigten eine Kontrollbetreuung angeregt werden, § 1820 BGB.

Übersicht / Rechtsbefugnisse des Kontrollbetreuers

  • 1. Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche gegen den Erbschleicher
  • 2. Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen
  • 3. Widerruf der Vorsorgevollmacht
  • 4. Herausgabeanspruch bezüglich der Vorsorgevollmachtsurkunde

Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.

  • Vorteil: Dem Erbschleicher wird die Vorsorgevollmacht als Missbrauchsinstrument entzogen. Es können gegen ihn Rechtsschritte eingeleitet werden.
  • Nachteil: Erbschleicheropfer und die Familie sind auf eine pflichtkonforme, schnelle und wirksame Tätigkeit des eingesetzten Kontrollbetreuers angewiesen. Handelt dieser nicht schlagkräftig, beispielsweise weil er zeitlich oder fachlich überfordert ist, kann sich der Erbschleicher retten.

4. Unwiderrufliche Vorsorgevollmacht

Das Opfer gibt oft einer Person aus der Familie eine Vorsorgevollmacht. Später verleitet es einen Erbschleicher dazu, diese zurückzufordern und ihn selbst zu bevollmächtigten. Im Einzelfall ist die Gestaltung einer unwiderruflichen Vorsorgevollmacht möglich. Sie hat Vor- und Nachteile:

  • Vorteil: Wankelmütige Opfer werden geschützt und es bleibt bei der familieninternen Vorsorgevollmacht.
  • Nachteil: Die rechtliche Zulässigkeit einer unwiderruflichen Vorsorgevollmacht ist umstritten und muss ggf. gerichtliche geklärt werden.

AUSGABE: FK 7/2024, S. 125 · ID: 49969036

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte