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Blitzlicht MandatspraxisInformationspflicht zur aktuellen Rechtsprechung ist zu beachten
| Eine aktuelle Entscheidung des OLG Jena gibt Anlass, die Pflicht, die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zu kennen, gerade im Licht heutiger Informationstechnologie zu beleuchten. |
Beispiel |
Ein auf Kapitalanlagerecht spezialisierter Anwalt A hat einen Mandanten in einem seit 2013 laufenden Verfahren vertreten. Während des Verfahrens hat es eine Entscheidung des BGH aus 2015 gegeben, wonach nicht hinreichend individualisierte Mustergüteanträge nicht ausreichen, um die Verjährung zu hemmen. Der A hatte einen solchen Antrag vorprozessual zum Zeitgewinn im Jahr 2011 gestellt, das mit dem folgenden Rechtsstreit befasste LG hatte die mündliche Verhandlung für 2016 angesetzt. |
Das Beispiel hat zwar keine familienrechtlichen Bezüge. Es ist aber ein geeigneter Aufhänger, um kurz die Rechtsprechung zur Informationspflicht von Anwälten über aktuelle Entscheidungen zu skizzieren: Noch 1958 ist der BGH davon ausgegangen, dass einem Anwalt nicht vorgeworfen werden kann, wenn er bereits eine einen Monat zuvor in der NJW veröffentlichte höchstrichterliche Entscheidung nicht berücksichtigt hat (NJW 18, 825).
Zwanzig Jahre später ist der BGH davon ausgegangen, dass die NJW grundsätzlich unverzüglich nach ihrem Erscheinen sorgfältig zu studieren ist (NJW 79, 877).
Heute reicht es nicht aus, die Prüfung allein auf amtliche Sammlungen (z. B. BGHZ) zu beschränken, weil hier nur besonders bedeutsame Leitentscheidungen wiedergegeben werden. Vielmehr muss man heute davon ausgehen, dass ein Anwalt für seinen Bereich alle vom BGH online verfügbar gestellten Entscheidungen in dessen Datenbank kennen muss, die sehr einfach zugänglich und kostenfrei Recherchemöglichkeiten bietet (OLG Jena 26.1.24, 9 U 364/18). Danach wird von einem Anwalt erwartet, dass er die für seinen konkreten Tätigkeitsbereich gefällten Leitsatzentscheidungen, wiedergegeben in der Datenbank, zeitnah zur Kenntnis nimmt. Je enger der Tätigkeitsbereich eines Anwaltes zugeschnitten ist, desto mehr wird diese Pflicht gesteigert, hier kann die grundsätzliche Karenzzeit von vier bis sechs Wochen unter Umständen auch kürzer bemessen werden.
Lösung |
Die nicht hinreichend individualisierten Musteranträge haben nach der Entscheidung des BGH nicht die Verjährung gehemmt. Nach Bekanntwerden dieser BGH-Entscheidung hätte es dem spezialisierten Anwalt oblegen, die Klage zurückzunehmen, um weitere Kosten zu vermeiden. Denn die mündliche Verhandlung war erst für 2016 anberaumt.(St) |
- Dahns, Pflicht zur Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, NJW-Spezial 24, 190 f.
AUSGABE: FK 7/2024, S. 113 · ID: 50023126