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UmsatzsteuerEuGH hält USt-Organschaft in Teilen für unionsrechtswidrig: Das sind die Folgen für Sie
| Die Entscheidungen des EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft wurden mit Spannung erwartet. Jetzt sind sie da. Auf den ersten Blick machen die Urteile den Eindruck, dass sie die Regelungen zur Organschaft, wie wir sie bislang kennen, völlig auf den Kopf stellen. Denn nach Auffassung des EuGH ist die Organschaft im deutschen Umsatzsteuerrecht in Teilen unionsrechtswidrig. ASR macht Sie mit den Details der Entscheidungen vertraut und zeigt, dass sich ein kritischer Blick hinter die Fassade der Urteile lohnt. |
Deutsche USt-Organschaft war Gegenstand vor dem EuGH
In den Jahren 2019 und 2020 hat der BFH den EuGH zu grundlegenden Fragen anlässlich der deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft angerufen. Das war beachtlich. Denn in der Folge machte der EuGH explizit die deutsche umsatzsteuerliche Organschaft und deren Rechtsfolgen zum Gegenstand. Mittlerweile hat der EuGH entschieden und es ist klar: Der von vielen erwartete große Paukenschlag ist ausgeblieben.
Das sind die Kernaussagen des EuGH
Mit seinen aktuellen Urteilen stuft der EuGH die deutschen Regelungen zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwar in Teilen als unionsrechtswidrig ein, er bestätigt aber auch die Rechtmäßigkeit der Folgewirkungen, die sich aus dem Vorliegen einer Organschaft ergeben. Unklarheiten resultieren hingegen aus den Aussagen des EuGH zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Leistungen zwischen den Gesellschaften des Organkreises (EuGH, Urteile vom 01.12.2022, Rs. C-141/20 und C-269/20, Abruf-Nr. 232748 und 232749).
Organschaft unterliegt den unionsrechtlichen Vorgaben
Mit seinem Urteil hat der EuGH klargestellt, dass die deutschen Regeln zur Organschaft kein nationales Sonderrecht auf Basis einer typisierenden Betrachtung des Merkmals der Selbstständigkeit darstellen. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass sich die deutsche Organschaft an den Vorgaben des EU-Rechts zur Mehrwertsteuergruppe messen lassen muss.
In der Folge könne somit jede Gesellschaft des Organkreises anstelle des Organträgers diesen gegenüber dem Finanzamt vertreten. Es stehe den Mitgliedstaaten aber frei, den Organträger – wie im deutschen Recht umgesetzt – als Vertreter des Organkreises zu bestimmen, so der EuGH. Auch die weiteren Vorgaben, die der EuGH an die „Geeignetheit“ des Organträgers als Vertreter stellt (Willendurchsetzung bei den Organgesellschaften, keine Gefahr von Steuerverlusten), stünden der derzeitigen Rechtslage und Anwendungspraxis in Deutschland nicht entgegen.
Kein Unterordnungsverhältnis oder Stimmrechtsmehrheit nötig
Zur Verwirklichung der finanziellen Eingliederung müsse nicht zwingend ein Unterordnungsverhältnis der Organgesellschaft zum Organträger vorliegen. Darüber hinaus soll in Fällen einer Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft nicht auch noch eine Stimmrechtsmehrheit erforderlich sein.
Wichtig | Die deutsche Finanzverwaltung stellt aber gegenwärtig für die Prüfung der finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft zuerst auf das Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung (> 50 Prozent) ab, misst aber dann auch dem Verfügen über die Mehrheit der Stimmrechte Bedeutung zu (Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE). Mit der Ablehnung der Stimmrechtsmehrheit als Kriterium für die finanzielle Eingliederung widerspricht der EuGH somit der derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung.
EuGH schafft Unsicherheit bei der Behandlung von Innenumsätzen
Mehr Interpretationsspielraum besteht bei den Aussagen des EuGH zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Innenumsätze. Der EuGH hält – einerseits – zwar fest, dass die einzelnen Organgesellschaften aufgrund ihrer Eingliederung in den Organkreis ihren Status als Steuerpflichtiger verlieren sollen. Andererseits kommt er aber zu dem Schluss, dass die Organgesellschaften – trotz Eingliederung – weiterhin selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. Damit lässt der EuGH die Frage, ob die Leistungen einer Organgesellschaft an eine weitere Gesellschaft des Organkreises der Mehrwertsteuer unterliegen, faktisch unbeantwortet.
Handlungsbedarf erst bei Wegfall der Nichtsteuerbarkeit
Bisher ist der Leistungsaustausch zwischen den Gesellschaften des Organkreises in Deutschland nicht steuerbar. Sollte der Leistungsaustausch am Ende steuerbar sein, müssen sich die Gesellschaften auf Veränderungen vorbereiten. Möglicherweise offenbart sich hier aber auch nur ein grundlegender Unterschied zwischen der deutschen Leseart und der Leseart des EuGH in Bezug auf den Begriff der Selbstständigkeit im Zusammenhang mit der Organschaft. Umso mehr ist angeraten, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und die Folgeentscheidungen des BFH abzuwarten.
In diesem Autohaus-Fall besteht jetzt Handlungsbedarf Praxistipp | Nur für den Fall, dass bei Ihnen gegenwärtig Streitigkeiten bestehen, die das Vorliegen der finanziellen Eingliederung betreffen, sollten Sie aktiv werden. Denn Sie können sich schon jetzt auf die EuGH-Rechtsprechung beziehen. Durch den Wegfall des Erfordernisses der Stimmrechtsmehrheit können sich grundlegend neue Argumentationsmöglichkeiten für die Annahme bzw. Ablehnung der finanziellen Eingliederung ergeben. |
Fazit | Es bewahrheitet sich mal wieder die Volksweisheit „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“: Autohäuser, die nach den derzeit geltenden Vorgaben eine Organschaft bilden und leben, können zunächst daran festhalten. Erst im Falle einer Gesetzesänderung, einer Änderung der Rechtsprechung des BFH und/oder einer entsprechenden Änderung der Finanzverwaltungsauffassung könnte sich Anpassungs- bzw. Handlungsbedarf für zukünftige Besteuerungszeiträume ergeben. ASR bleibt für Sie am Ball. |
AUSGABE: ASR 2/2023, S. 12 · ID: 48965138