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AutokaufrechtDas neue Kaufrecht gilt seit einem Jahr: So sieht die Bilanz für Kfz-Händler aus
| Seit dem 01.01.2022 gelten für neu abgeschlossene Kaufverträge, bei denen der Käufer Verbraucher ist, neue Pflichten für den Kfz-Händler. Nach einem Jahr lässt sich eine erste Bilanz ziehen. Dazu hat ASR Rechtsanwalt Carl Kalmbach interviewt. Der Spezialist für Kauf- und Gewährleistungsrecht begleitet die Gewährleistungsfälle beim Garantieversicherer Intec und gibt Einblicke, wo es in der Praxis hakt. |
Die Eckpunkte des neuen Kaufrechts seit 01.01.2022
Für seit dem 01.01.2022 geschlossene Kaufverträge, bei denen der Käufer ein Verbraucher ist, sieht das Gesetz im § 476 BGB zusätzliche Informationspflichten vor. Der Verbraucher muss vor Vertragsschluss eigens (also in einem vom Kaufvertrag getrennten Dokument) darauf hingewiesen werden, dass „ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht“. Zusätzlich zu diesem „Vor-und-eigens-Dokument“ muss die Abweichung in der verbindlichen Bestellung bzw. im Kaufvertrag deutlich hervorgehoben wiederholt werden. Parallel zu § 476 Abs. 1 BGB wurde auch eine Informationspflicht bei Verkürzung der Verjährung für die Rechte des Käufers bei einem Mangel auf ein Jahr bei Gebrauchtfahrzeugen eingeführt.
Zudem gilt seit 2022 ein erweiterter Sachmangelbegriff: Ein Mangel der Kaufsache kann sich auch daraus ergeben, dass Montageanleitungen u. ä. unbrauchbar sind (§ 434 Abs. 2 BGB). Neu eingeführt wurden zusätzliche Mangelmerkmale bei einer „Ware mit digitalen Elementen“ (§ 475b BGB) und einer „Ware mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente“ (§ 475c BGB).
Die Herausforderungen für den Kfz-Handel seit 01.01.2022
Prägendes Kriterium der Reform ist die Beweislastumkehr. Sprich: Händler müssen bis zu einem Jahr nach dem Verkauf nachweisen, dass ihnen bis dahin aufgetretene Mängel beim Vertragsabschluss nicht bekannt gewesen sind. Dadurch ergaben sich große Herausforderungen für den Kfz-Handel.
ASR: Herr Kalmbach, die Verbraucherrechte wurden mit dem neuen Kaufrecht signifikant erweitert. Welches Fazit können Sie nach einem Jahr ziehen? Welche Auswirkungen hat die Reform – aus anwaltlicher Sicht – auf den Autohandel?
Kalmbach: Die rechtliche Lage für den Kfz-Handel war schon vorher schwierig. Durch das neue Kaufrecht ist sie nicht leichter geworden. Fahrzeugkäufer, zumeist rechtsschutzversichert, treten souverän auf und fordern ebenso souverän die Behebung von Fehlern am Fahrzeug. Der Kfz-Handel steht dabei ohnehin schon unter Druck, weil er ja grundsätzlich zufriedene Kunden haben will. Gleichwohl kann er natürlich nicht aus Kulanz jeden Mangel auf seine Kosten beheben, wenn er wirtschaftlich überleben will. Er ist also gezwungen zu selektieren, ob ein Mangel unter die gesetzliche Sachmängelhaftung fällt. Das Konfliktpotenzial hat sich seit der Reform des Kaufrechts massiv erhöht.
ASR: Gibt es aus Ihrer Sicht ganz konkrete Sachverhalte bei Gebrauchtfahrzeugen, die durch die Reform des Kaufrechts vermehrt vorkommen?
Kalmbach: Zwei Häufungen sind mir in meiner Berufspraxis aufgefallen. Zum einen wird vermehrt versucht, Schäden durchzusetzen, die später als sechs Monate nach Übergabe des Fahrzeugs aufgetreten sind. Das war zu erwarten und entspricht quasi auch dem gesetzgeberischen Willen der Verlängerung der Beweislastumkehr. Zum anderen sind Sachmängel zu nennen, die Abweichungen von der objektiven Beschaffenheit betreffen. Diese machen es dem Anwalt des Käufers einfach. Denn: Wenn der Händler die Abweichung nicht präzise benennt, steht der Sachmangel nahezu fest. Da haben Sie als Händler de facto keine Chance. In einem Fall beispielsweise wurde ein Fahrzeug mit Roststellen verkauft; diese wurden dokumentiert. Der Käufer wusste aber nicht, dass die Durchrostungen so stark waren, dass das Fahrzeug nicht mehr durch den TÜV kommt. Ich habe zur Rückabwicklung des Fahrzeugs geraten. Der Händler hat aus meiner Sicht nicht ausreichend über die Abweichung von der objektiven Beschaffenheit informiert.
ASR: Wie hat sich aus Ihrer Sicht die „Vor-und-eigens-Information“ bewährt? Was funktioniert dabei gut? Wo gibt es Schwächen?
Kalmbach: Die „Vor-und-eigens-Information“ hat sich hervorragend bewährt. Für den Fahrzeughändler ist es natürlich von Vorteil, wenn er einen Partner an seiner Seite hat, der ihm zur Seite steht. Intec z. B. hat die Vertragsunterlagen noch zusätzlich um eine Checkliste bei Übergabe ergänzt. Meine Empfehlung: Sich immer doppelt und dreifach absichern – durch „Vor-und-eigens-Information“, Checkliste und Bezeichnung von Mängeln im Kaufvertrag. Schwächen beobachte ich nur bei der konkreten Umsetzung. Ein Teil der Händler muss noch sorgfältiger arbeiten. Ich rate immer, so präzise wie möglich zu arbeiten und Abweichungen so genau wie möglich zu beschreiben – auch wenn das erfordert, mehr Zeit für den Verkaufsprozess und die Fahrzeugübergabe einzuplanen.
ASR: Welchen Vorteil bringt eine Absicherung gegen eine Sachmängelhaftung für den Händler?
Kalmbach: Für den Fall, dass es eine berechtigte Inanspruchnahme des Verkäufers ist, übernimmt der Garantie-Versicherer Intec 90 Prozent der notwendigen Nettoreparaturkosten. Im Falle unberechtigter Inanspruchnahme wird der Händler bei der Abwehr unberechtigter Inanspruchnahme unterstützt. Ob in technischer Hinsicht der eine oder andere Fall vorliegt, prüft zuvor die Schadensabteilung von Intec. Kontaktiert der Anwalt des Käufers den Händler, übernehme ich bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche die Kommunikation und kann mit diesem „auf Augenhöhe“ kommunizieren. Sollte sich der Käufer bzw. sein Anwalt nicht überzeugen lassen, dass kein Fall der Sachmängelhaftung vorliegt und der Streit vor Gericht landen, hat der Händler den Vorteil, dass Intec die Kosten des Rechtstreits übernimmt.
AUSGABE: ASR 2/2023, S. 8 · ID: 48734305