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BilanzRückstellungen (Teil 3): Rückstellung für die Nachbetreuung abgeschlossener Versicherungen

Abo-Inhalt27.06.20234938 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Viele Vermittler stehen vor Bilanzierungsfragen. Sind Rückstellungen zu bilden? Wofür? In welcher Höhe? Und worin besteht eigentlich der Vorteil? VVP nimmt das zum Anlass, die wichtigsten Rückstellungen für Vermittler in einer Serie grundlegend zu analysieren und praxisgerecht mit Berechnungsbeispielen aufzubereiten. In Teil 3 der Beitragsreihe zeigt VVP anhand eines Musterbeispiels, wie für die künftig anfallende Vertragsnachbetreuung bereits jetzt eine gewinnmindernde Rückstellung gebildet wird. |

Rückstellung für die Vertragsnachbetreuung

Die Vertragsnachbetreuung trifft jeden Versicherungsvermittler – sei es durch Änderung einer Adresse oder Bankverbindung, durch eine Besprechung mit dem Versicherungsnehmer oder die Beantwortung auftretender Fragen. Dass für diese Aufwendungen der Vertragsnachbetreuung eine Rückstellung gebildet werden kann, ist von der Rechtsprechung geklärt (BFH, Urteil vom 28.07.2004 (Az. XI R 63/03, Abruf-Nr. 043010).

Die wesentlichen Grundsätze zum Ansatz und zur Bewertung der Rückstellung hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 20.11.2012 (Az. IV C 6 – S 2137/09/10002, Abruf-Nr. 123529) veröffentlicht. Dabei hat sie hohe Hürden aufgestellt, damit die Rückstellung nicht zur einfachen Verschiebung von Aufwand genutzt werden kann. Deshalb kommt es für die Bildung der Rückstellung in erheblichem Maße darauf an, dass sämtliche Aufzeichnungen vertragsbezogen geführt werden. Sie müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen sowie des Zeitraums bis zum Beginn der erstmaligen Durchführung von Betreuungsmaßnahmen möglich ist.

Rückstellung dem Grunde nach

Damit ein Versicherungsvermittler eine Rückstellung für die Vertragsnachbetreuung bilden kann, muss er zunächst ermitteln, für welche Versicherer diese dem Grunde nach überhaupt zulässig ist. Da es keine gesetzliche Verpflichtung zur Nachbetreuung gibt, kommt es auf die konkreten Vertragsvereinbarungen mit den jeweiligen Versicherern an.

Musterbeispiel

Versicherungsvermittler V ist für die Versicherer A, B und C tätig. Für Versicherer A hat er vertraglich Nachbetreuungen zu erbringen. Dafür erhält er keine gesonderte Vergütung. Für Versicherer B ist er ebenfalls vertraglich zu Nachbetreuungen verpflichtet, erhält dafür aber eine Bestandspflegeprovision. Für Versicherer C besteht keine Pflicht zur Vertragsnachbetreuung. Diese leistet V dennoch und auch kostenlos, um sich von den Kunden Folgeaufträge zu sichern.

Fortsetzung des Musterbeispiels

Versicherer A: Da V vertraglich zur Nachbetreuung verpflichtet ist und dafür keine zusätzliche Vergütung erhält, kann er insoweit eine Rückstellung zur Vertragsnachbetreuung bilden.

Versicherer B: Die Bildung einer Rückstellung ist trotz vertraglicher Verpflichtung zur Nachbetreuung nicht möglich, da V für die künftigen Betreuungsarbeiten die Bestandspflegeprovision erhält. Etwas anderes gilt nur, wenn V konkret nachweisen kann, dass die Bestandspflegeprovision nicht kostendeckend ist (Bildung einer Rückstellung in Höhe der Differenz).

Versicherer C: Da es sich um eine freiwillige Leistung des V handelt, kann er keine Rückstellung bilden. Das gilt auch dann, wenn sich V durch die Vertragsnachbetreuung neue Abschlüsse erhofft.

Zwischenergebnis: Nur für die Verträge mit dem Versicherer A kann eine Rückstellung gebildet werden. Bei der erforderlichen Ermittlung der Höhe der Rückstellung sind deshalb nur die Verträge mit dem Versicherer A einzubeziehen.

Rückstellung der Höhe nach

Ausgangsbasis für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Nachbetreuung pro Jahr und Vertrag. Dabei muss der Zeitaufwand für die einzelnen Betreuungstätigkeiten genau beschrieben werden, um eine angemessene Schätzung des Gesamtzeitaufwands zu ermöglichen. Deshalb muss der Vermittler insbesondere darlegen, wie oft die erwarteten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vertragsnachbetreuung bezogen auf die Gesamtlaufzeit der jeweiligen Verträge erfahrungsgemäß anfallen. Die zeitliche Summe aller anfallenden Tätigkeiten wird dann durch die Vertragslaufzeit geteilt. Es ergibt sich dadurch der jährliche Betreuungsaufwand pro Vertrag.

Fortführung des Musterbeispiels

V vermittelt für den Versicherer A Lebensversicherungen. Erfahrungsgemäß fallen hierfür innerhalb von zehn Jahren folgende Tätigkeiten an:

Da der zeitliche Nachbetreuungsaufwand pro Jahr und Vertrag ermittelt wurde, ist dieser im nächsten Schritt mit der Summe aller betreuten Verträge und deren jeweiligen individuellen restlichen Vertragslaufzeiten zu multiplizieren. So ergibt sich dann der insgesamt erforderliche Vertragsnachbetreuungsaufwand in Minuten. Da dieser Prozess insbesondere bei einem großen Bestand an betreuten Versicherungen zu einem erheblichen Arbeitsaufwand führen kann, lässt der BFH Vereinfachungen zu (BFH, Urteil vom 13.07.2017, Az. IV R 34/14, Abruf-Nr. 196601). Es reicht, wenn die konkreten Ermittlungen anhand von Stichproben (z. B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Verträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kunden) vorgenommen werden. Diese Stichproben sind dann auf den Gesamtbestand der betreuten Verträge hochzurechnen.

Fortführung des Musterbeispiels

V betreut zum Bilanzstichtag insgesamt 500 Versicherungen für den Versicherer A. Um den gesamten zeitlichen Nachbetreuungsaufwand zu ermitteln, hat er alle Versicherungen der Kunden mit den Anfangsbuchstaben A bis C geprüft. Dabei hat sich folgendes Bild ergeben:

Abschlag

Nicht alle Verträge werden über die gesamte Vertragslaufzeit bestehen bleiben. Ein Teil der Verträge wird vorzeitig aufgelöst; für diese Verträge werden dann ab diesem Zeitpunkt auch keine Nachbetreuungsaufwendungen mehr anfallen. Für diesen prozentualen Anteil ist deshalb ein Abschlag vorzunehmen.

Fortführung des Musterbeispiels

V weiß anhand seiner eigenen Erfahrungen und der Unterlagen des Versicherers, dass rund zehn Prozent der Verträge vorzeitig beendet werden. Dabei verteilen sich die Vertragsbeendigungen linear auf die Restlaufzeit der Verträge. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass die zehn Prozent den Vertrag gleich im ersten oder im letzten Jahr der Laufzeit, sondern verteilt über die gesamte Restlaufzeit vorzeitig auflösen werden. Das bedeutet, dass V den zeitlichen Aufwand für die Nachbetreuung nicht um zehn Prozent, sondern lediglich um fünf Prozent zu reduzieren hat. Denn wenn die Vertragsauflösung bei einem noch zehn Jahre laufenden Vertrag beispielsweise nach fünf Jahren erfolgt, müssen noch für die ersten fünf Jahre Nachbetreuungsleistungen erbracht werden.

Als nächstes muss der zeitliche Aufwand für die Nachbetreuung noch in Euro umgerechnet werden, damit dieser Betrag als Rückstellung gewinnmindernd passiviert werden kann. Da es sich bei der Nachbetreuungsrückstellung um eine Sachleistungsverpflichtung handelt, ist diese mit den Einzelkosten und angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG). Als Einzelkosten werden z. B. die Lohnkosten für einen Mitarbeiter berücksichtigt, der sich um die Nachbetreuung kümmert. Als Gemeinkosten sind z. B. die Kosten des Büros oder der IT anzusetzen.

Fortführung des Musterbeispiels

Für die Vertragsnachbetreuung beauftragt V regelmäßig seine beiden Bürokräfte A und B. Diese erhalten für ihre Vollzeitstelle (acht Stunden pro Tag, 230 Arbeitstage pro Jahr) einen jährlichen Bruttolohn von 35.000 Euro. Hinzu kommen noch die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen (20 Prozent), sodass jede Bürokraft den V pro Jahr etwa 42.000 Euro kostet. Für ein ausschließlich von den beiden Mitarbeitern genutztes Büro fallen jährlich anteilig rund 12.000 Euro an. Weitere Gemeinkosten (IT, Software, Porto) etc. betragen jährlich 4.000 Euro.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG sind bei der Ermittlung der Rückstellung die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend. Künftige Preis- und Kostensteigerungen dürfen nicht berücksichtigt werden. Bei den Bürokräften ist das aktuell zum Bilanzstichtag vereinbarte Gehalt bzw. der Stundenlohn anzusetzen.

Abzinsung

Der ermittelte Rückstellungsbetrag ist mit jährlich 5,5 Prozent abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 2 EStG). Maßgebend für den Zeitraum der Abzinsung ist der Zeitraum vom Bilanzstichtag bis zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals Nachbetreuungsarbeiten anfallen werden. Beträgt dieser Zeitraum nicht mehr als zwölf Monate (ist also gleich im kommenden Jahr mit Nachbetreuungen zu rechnen), dann unterbleibt eine Abzinsung. Es ist also pro Vertrag darauf abzustellen, wann erstmalig Bestandspflegemaßnahmen nach dem Bilanzstichtag anfallen werden.

Fortführung des Musterbeispiels

V rechnet damit, dass für ein Drittel der Verträge gleich innerhalb der ersten zwölf Monate des neuen Jahres Nachbetreuungsleistungen zu erbringen sind. Für ein weiteres Drittel wird es voraussichtlich innerhalb des zweiten und für das letzte Drittel innerhalb des dritten Jahres nach dem Bilanzstichtag erstmals zu einem Nachbetreuungsbedarf kommen.

Ergebnis: V hat für die anfallenden Vertragsnachbetreuungen gegenüber dem Versicherer A eine Rückstellung in Höhe von 51.585 Euro zu passivieren. Diese mindert sofort seinen zu versteuernden Gewinn.

Pauschale Rückstellung für den Nachbetreuungsaufwand

Der Ermittlungs- und Aufzeichnungsaufwand für die Nachbetreuungsrückstellung ist nicht zu unterschätzen. In der Praxis gehen daher Vermittler oft dazu über, eine pauschale Rückstellung zu bilden. Der pauschale Ansatz ist jedoch unzulässig. Im Zweifel wird spätestens der Betriebsprüfer diese aberkennen und eine detaillierte Ermittlung fordern. Kann diese nicht vorgelegt werden, wird der Prüfer die Höhe der Rückstellung schätzen. Dabei wird sich die Schätzung aufgrund der den Versicherungsvermittler treffenden und verletzten Darlegungs- und Beweislast im unteren Rahmen des Möglichen bewegen. Die Rückstellung wird sich also regelmäßig erheblich reduzieren (so auch: BFH, Urteil vom 12.12.2013, Az. X R 25/11, Abruf-Nr. 141262).

Vom Vorgänger übernommener Versicherungsbestand

Wurde der Versicherungsbestand von einem Vorgänger übernommen, kann für die erforderliche Vertragsnachbetreuung nach obigen Grundsätzen ebenfalls eine Rückstellung gebildet werden. Denn die Vertragsnachbetreuung ist noch nicht vollständig erbracht und trifft nun den Nachfolger. Entscheidend ist allerdings, dass die rechtliche Verpflichtung zur Bestandspflege auf den Nachfolger übergegangen sein muss (BFH, Urteil vom 09.06.2015, Az. X R 27/13, Abruf-Nr. 180420).

Vertragsnachbetreuung bei Versicherungsmaklern

Während Versicherungsvertreter für den Versicherer tätig werden, erfolgt die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers für den Versicherungsnehmer. Deshalb können Makler grundsätzlich keine Rückstellung für die Vertragsnachbetreuung bilden, da es an einer vertraglichen Verpflichtung zur Nachbetreuung für den Versicherer mangelt. Allerdings hat der Makler andere Pflichten. So wird ein zumindest stillschweigender Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer unterstellt. Damit ist auch der Makler ohne konkretes Vertragsverhältnis verpflichtet, für den Versicherungsnehmer tätig zu werden und auch Beratungs- und Betreuungspflichten vor und nach dem Vertragsabschluss zu erbringen. Diese Verpflichtung ermöglicht auch bei Versicherungsmaklern die Bildung einer Nachbetreuungsrückstellung.

Weiterführender Hinweis
  • Teil 1 und Teil 2 finden Sie in VVP 6/2023. Die weiteren Teile der Serie z. B. zu Storno, Urlaub, Aufbewahrung etc. finden Sie in den nächsten Ausgaben.

AUSGABE: VVP 7/2023, S. 13 · ID: 49333144

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