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UmsatzsteuerFG Hamburg: Tarifoptimierung in der PKV ohne Wechsel des Versicherers ist steuerfrei
| Nach § 4 Nr. 11 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler umsatzsteuerfrei. Fraglich ist, ob die Optimierung von Krankenversicherungsverträgen für Versicherte, bei denen es zu keinem Wechsel des privaten Krankenversicherers kommt, zu den umsatzsteuerfreien Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers zählt. Das FG Hamburg hat dies in einem neueren Urteil bejaht. VVP stellt das Urteil und dessen Bedeutung für die Praxis vor. |
Streit um Tarifoptimierungsmodell eines Maklers
Der Versicherungsmakler aus dem Urteilsfall ist auf die Optimierung von privaten Krankenversicherungstarifen spezialisiert. Ziel ist es, im Wege eines Tarifwechsels eine Beitragsersparnis für privat versicherte Kunden zu erzielen, ohne dass ein Wechsel des Versicherers stattfindet. Dafür übernimmt er die Recherche und den Vergleich der verfügbaren Tarifoptionen, die Beratung der Kunden in Bezug auf mögliche Tarif- und Wechseloptionen und ggf. die Umstellung des Versicherungstarifs im Namen des Kunden gegenüber der Versicherungsgesellschaft. Der jeweilige Kunde zahlt hierfür eine Vergütung, die sich an seiner Ersparnis orientiert.
Makler und Finanzamt sind sich uneins, ob die Tarifoptimierung eine Tätigkeit des Maklers darstellt und damit umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 11 UStG ist.
FG Hamburg: Umsätze aus Tarifoptimierung sind steuerfrei
Das FG Hamburg kam zum Schluss, dass die Umsätze aus der Tarifoptimierung steuerfrei gemäß § 4 Nr. 11 UStG sind (FG Hamburg, Urteil vom 16.02.2023, Az. 6 K 86/22, Abruf-Nr. 235479). Das FG hat sich dabei an den europarechtlichen Vorschriften orientiert. Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Umsätze der Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, von der Steuer. Voraussetzung ist demnach,
- dass die Leistungen zu Versicherungsumsätzen „dazugehörige“ Dienstleistungen sind und
- zudem „von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden“.
Voraussetzung 1: „Dazugehörige“ Dienstleistungen
Der Ausdruck „dazugehörig“ ist nach dem EuGH hinreichend weit, um verschiedene Dienstleistungen zu umfassen, die zur Bewirkung von Versicherungsumsätzen und insbesondere zur Schadensregulierung beitragen, die einen der wesentlichen Bestandteile dieser Umsätze bildet (EuGH, Urteil vom 17.03.2016, Rs. C-40/15, Abruf-Nr. 184871, Aspiro). Umfasst sind Dienstleistungen der Berufsausübenden, die zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen.
Voraussetzung 2: Von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht
Für die Feststellung, ob die Dienstleistungen von einem Versicherungsmakler oder -vertreter erbracht werden, ist aus Sicht des FG der Inhalt dieser Dienstleistungen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne, EuGH, Urteil vom 25.03.2021, Rs. C-907/19, Abruf-Nr. 222380, QGmbH). Hierfür muss
- der Dienstleistungserbringer zum einen sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung stehen, wobei diese Verbindung auch nur mittelbarer Natur sein kann, wenn der Dienstleistungserbringer ein Unterauftragnehmer des Maklers oder Vertreters ist,
- seine Tätigkeit wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit – wie Kunden im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsverträgen zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen – umfassen (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03, Abruf-Nr. 050714, Arthur Andersen; BFH, Urteil vom 28.05.2009, Az. V R 7/08, Abruf-Nr. 092809) und
- der Makler bzw. Vertreter zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs.C-472/03, Abruf-Nr. 050714, Arthur Andersen).
Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit sieht das FG im Streitfall erfüllt: Der Begriff des Zusammenbringens erfasse auch den Fall, dass bestehende Versicherungsvertragsparteien zusammengebracht werden, um Verträge durch rechtsgeschäftliche Änderungsvereinbarungen zu optimieren. Entscheidend sei, dass der Versicherungsmakler bei der Tätigkeit für beide Vertragsparteien tätig wird. Der Makler erhält seine Bezahlung zwar nur von seinen Kunden, trotzdem wird er nicht ausschließlich für die Versicherungsnehmer tätig. Denn auch der Versicherer hat ein Interesse daran, den Versicherten nicht als Kunden zu verlieren, weshalb auch Versicherungsgesellschaften ihren Kunden anböten, deren Bestandsverträge ggf. zu optimieren.
Das FG betont, dass eine unterschiedliche Beurteilung gegen den Grundsatz der umsatzsteuerlichen Neutralität verstieße, wenn man die Optimierung beim selben Versicherer umsatzsteuerpflichtig sehe, während der Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages mit einem anderen Versicherer umsatzsteuerfrei ist.
Bedeutung für die Praxis
Erfreulich ist die Aussage des FG, dass die Umsätze aus der Tarifoptimierung ohne Wechsel des Versicherers umsatzsteuerfrei sind. Schön wäre es, wenn der BFH den Fall entscheiden würde. Denn das Hamburger Urteil ist nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden.
Das FG Hamburg hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, insbesondere wegen der Frage, wie die Voraussetzung des Zusammenbringens von Kunden und Versicherer auszulegen ist. Soweit ersichtlich hat das Finanzamt hiervon jedoch noch keinen Gebrauch gemacht. VVP hält Sie auf dem Laufenden.
AUSGABE: VVP 7/2023, S. 11 · ID: 49541130