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BeratungspraxisAbteilung will sich aus Verein abspalten: Was gilt in punkto „zeitnahe Mittelverwendung“?
| Die zeitnahe Mittelverwendung wirft immer wieder Fragen auf, weil viele Einzelfälle in den gesetzlichen Vorgaben nicht berücksichtigt sind. Nachfolgend geht es darum, was ein Verein in punkto zeitnahe Mittelverwendung veranlassen muss, wenn sich eine Abteilung abspaltet. |
Der Fall aus der Praxis
Eine Abteilung eines Sportvereins, die schon bisher finanziell weitgehend selbstständig war, soll in einen eigenständigen Verein ausgegliedert werden. Neben Sachvermögen (Sportgeräten etc.) verfügt die Abteilung über rund 40.000 Euro auf einem eigenen Konto, das auf den neuen Verein übertragen werden soll.
Neuer Verein will vorhandene Mittel nicht ausgeben müssen
Da der neue Verein im laufenden Jahr bereits nennenswerte Einnahmen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen hat, würde er die Freigrenze von 45.000 Euro Jahreseinnahmen, bis zu der die zeitnahe Mittelverwendung nicht gilt (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO), überschreiten. Er sucht nach einer Lösung, wie er die angesammelten Mittel auch weiter im Vermögen führen kann.
Die Gestaltungsmöglichkeiten
Um diese Ziele zu erreichen, muss der Verein einige Dinge beachten:
Mittelweitergabe nach § 58 Nr. 1 AO
Bei der Auskehrung des Abteilungsvermögens handelt es um eine Mittelweitergabe nach § 58 Nr. 1 AO. Die ist uneingeschränkt möglich, wenn die Empfängerorganisation ebenfalls steuerbegünstigt ist. Beachtet werden muss also, dass der neue Verein als gemeinnützig anerkannt sein muss, bevor die Mittelübertragung erfolgt. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich die Satzungszwecke von Mittelgeber und -empfänger decken.
Besonderheiten bei der zeitnahen Verwendung der zugewendeten Mittel gibt es nicht. Sie müssen nach den allgemeinen Maßgaben zeitnah verwendet werden. Damit gelten auch die entsprechenden Ausnahmen von der zeitnahen Mittelverwendung. Nach Ansicht der Finanzverwaltung liegt die Verantwortung dafür bei der Empfängerkörperschaft (AEAO, Ziffer 5 zu § 58 Nr. 1 AO).
... bleiben die Regeln zur zeitnahen Mittelverwendung bestehen Praxistipp | Mit dem Mittelzufluss beim Empfänger beginnt erneut die allgemeine zweijährige Verwendungsfrist. Die Mittel müssen also grundsätzlich bis Ende des übernächsten Jahres, das auf den Mittelzugang folgt, zweckgebunden verwendet werden. Ein akuter Zeitdruck für die Verwendung besteht also nicht. |
1. Die einfache Lösung – Mittelweitergabe über mehrere Jahre
Im vorliegenden Fall bietet sich eine vergleichsweise einfache Lösung an: Da es sich um Beträge handelt, die nahe an der Freigrenze liegen, bietet es sich an, die Mittelweitergabe in Form mehrerer jährlicher Tranchen zu gestalten. Weil die zeitnahe Mittelverwendung und damit auch die Freigrenze von 45.000 Euro rein zuflussbezogen betrachtet wird, kann es dagegen keine Bedenken geben.
Eine rechtliche Verpflichtung des Muttervereins zur Ausreichung des Abteilungsvermögens gibt es nicht. Deswegen kann das Finanzamt sie auch nicht mit der Ausgründung der Abteilung in Zusammenhang stellen und die Aufteilung in mehrere Tranchen als Gestaltungsmissbrauch bewerten.
Diese Lösung stellt hier aber einen Sonderfall dar, deswegen sollten auch andere Möglichkeiten diskutiert werden.
2. Zuwendung aus nicht zeitnah zu verwendenden Mitteln
Die Finanzverwaltung macht bei der Mittelweitergabe eine ausdrückliche Ausnahme von der Pflicht zur zeitnahen Verwendung: Waren die Mittel bei der Geberkörperschaft nicht zeitnah zu verwenden, unterliegen sie auch bei der Empfängerkörperschaft nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (AEAO, Ziffer 6 zu § 58 Nr. 1 AO). Dazu müsste der Mutterverein nachweisen, dass die zugewendeten Mittel aus einer freien Rücklage oder Vermögenszuführung stammen und Rücklagen in entsprechender Höhe auflösen.
Hier wäre also die Frage, wie die ausgekehrten Mittel bisher beim Mutterverein behandelt wurden, ob also ein entsprechender Rücklagenausweis erfolgt ist. Es kommt dabei nicht auf den konkreten Betrag an, der auf dem Abteilungskonto angesammelt wurde, sondern auf die vom Verein insgesamt ausgewiesenen Rücklagen. War der Rücklagenausweis für das Abteilungskonto also nicht erfolgt, geht die Mittelweitergabe ohne Pflicht zur zeitnahen Verwendung auf Kosten der sonstigen ausgewiesenen Rücklagen.
Wichtig | Unklar ist, wie der Nachweis erfolgen muss, dass die Zuwendung aus freien Rücklagen erfolgt. Diesen Nachweis kann ja nur der Zuwendungsgeber erbringen, während der Empfänger wiederum nachweisen muss, dass er diese Mittel nicht zeitnah verwenden muss. Hier sollte der Verein mit dem Finanzamt Rücksprache halten.
3. Vermögenszuführung nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 AO
Nicht ausdrücklich geklärt ist, ob für die Mittelweitergabe zwischen gemeinnützigen Körperschaften die Regelung zur Vermögenszuführung nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 AO gilt. Nach dieser Vorschrift unterliegen Zuwendungen nicht der zeitnahen Mittelverwendung, bei denen der Zuwendende ausdrücklich erklärt, dass diese zur Ausstattung der Körperschaft mit Vermögen oder zur Erhöhung des Vermögens bestimmt sind.
Der Wortlaut der Regelung lässt offen, ob das nur für Spenden im Sinne des § 10b EStG gilt. Wie in § 58 Nr. 1 AO wird von „Zuwendungen“ bzw. „zuwenden“ gesprochen. Der Gesetzeswortlaut unterscheidet also nicht nach Herkunft der Mittel und Art oder Zweck der Zuwendung.
Wichtig | Man muss aber davon ausgehen, dass diese Regelung bei einer Mittelweitergabe zwischen gemeinnützigen Einrichtungen nicht gilt. Zum einen wäre dann die Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO überflüssig, die für die Mittelweitergabe zur Vermögensausstattung eine Sonderregelung vorsieht. Zum anderen könnten auf diese Weise gemeinnützige Körperschaften Mittel in beliebiger Höhe der zeitnahen Verwendung entziehen, indem sie sie z. B. einem verbundenen Verein oder einer Tochtergesellschaft zuwenden.
4. Vermögensausstattung nach § 58 Nr. 3 AO
Für die Mittelweitergabe ins Vermögen einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft gibt es in § 58 Nr. 3 AO eine spezielle Regelung. Danach darf eine gemeinnützige Körperschaft die folgenden – sonst zeitnah zu verwendenden – Mittel einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft zur Vermögensausstattung zuwenden:
- Die Überschüsse aus der Vermögensverwaltung
- Die Gewinne aus den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben
- Höchstens 15 Prozent ihrer sonstigen zeitnah zu verwendenden Mittel
Berechnet werden diese Grenzen auf Basis des vorangegangenen Kalender- oder Wirtschaftsjahrs. Es kann also fraglich sein, ob die genannten Bemessungsgrenzen im konkreten Fall ausreichen.
Wichtig | Es ist aber unklar, ob diese Regelung auch für Vereine als Empfänger gilt, die anders als Stiftungen oder GmbH weder ein Ausstattungs- noch ein Stammkapital haben. Diese Regelung zielt nämlich vor allem auf die Gründung und zusätzliche Vermögensausstattung von Stiftungen und gemeinnützigen GmbH. Der Gesetzeswortlauf sieht zwar keine Beschränkung auf bestimmte Rechtsformen vor. Dennoch könnte das Finanzamt die Vermögenszuführung nach der Regelung des § 58 Nr. 3 AO als willkürlich erachten, weil der vom Gesetzgeber vorgesehene Zweck der Regelung nicht greift.
Für eine Vermögensausstattung gelten folgende Voraussetzungen:
- Die steuerbegünstigten Zwecke von Geber- und Empfängerkörperschaft müssen übereinstimmen. Es genügt, dass es sich um den gleichen Katalogzweck nach § 52 AO – hier die Förderung des Sports – handelt. Der ausgegliederte Verein muss also nicht die gleichen Sportarten wie der Mutterverein betreiben.Prinzipielle Voraussetzungen wären erfüllbar
- Die zugewandten Mittel und deren Erträge dürfen nicht für weitere Mittelweitergaben nach § 58 Nr. 3 AO zur Vermögensausstattung verwendet werden.
- Die zugewandten Mittel bleiben beim Empfänger zweckgebunden. Damit ist die allgemein gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbindung gemeint, die eine Vermögenzuführung nicht ausschließt.
AUSGABE: VB 12/2024, S. 12 · ID: 50245308