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VereinsrechtMitgliederversammlung: Die Eventualeinberufung bei Beschlussunfähigkeit

Abo-Inhalt12.06.2024464 Min. Lesedauer

| Viele Vereinssatzungen enthalten Regelungen zur Beschlussfähigkeit. Unbedingt erforderlich ist dann auch eine Klausel zur „Eventualeinberufung“. Nämlich für den Fall, dass das Beschlussfähigkeitsquorum nicht erreicht wurde. Das lehrt ein aktueller Fall, der vor dem OLG Karlsruhe verhandelt wurde. VB nimmt das zum Anlass, auf die rechtlichen Probleme und Anforderungen von Beschlussfähigkeitsregelungen einzugehen. |

Gesetz regelt Beschlussfähigkeit nicht

Eine gesetzliche Vorgabe zur Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung gibt es nicht. Die Mehrheitserfordernisse des BGB stellen (mit Ausnahme der Zweckänderung) auf die erschienenen Mitglieder ab. Danach ist jede Mitgliederversammlung beschlussfähig – selbst, wenn nur ein Mitglied erscheint.

Damit nicht unter Umständen eine Minderheit aktiver Mitglieder wesentliche Entscheidungen treffen kann, sehen Satzungen bisweilen eine Mindestzahl anwesender Mitglieder vor, damit die Versammlung beschlussfähig ist.

Für Eventualeinberufung ist Satzungsregelung erforderlich

Damit ein solches Quorum nicht zur dauernden Beschlussunfähigkeit führt, wird diese Beschlussfähigkeitsklausel regelmäßig um die sogenannte Eventualeinberufung ergänzt. Die so einberufene Anschlussversammlung ist dann ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden oder mit einem deutlichen geringeren Anteil der Mitglieder beschlussfähig.

Fehlt eine Regelung zur Eventualeinberufung, gilt die Beschlussfähigkeitsklausel für jede Mitgliederversammlung. Es kann also dazu kommen, dass auf Dauer keine gültigen Beschlüsse mehr gefasst werden können. Wenn die Satzung keine andere Abhilfe vorsieht, bleibt dann allenfalls noch die schriftliche Beschlussfassung nach § 32 Abs. 2 BGB.

Wichtig | Sieht die Satzung ein Beschlussfähigkeitsquorum, aber keine Eventualeinberufung vor, kann sogar die Satzungsänderung scheitern, die das Problem beheben soll. Hier gibt es aber einen rechtlichen Ausweg – die Rechtsauffassung zu faktisch unmöglichen Satzungsänderungen. Es muss dabei aber feststehen, dass eine satzungskonforme Satzungsänderung ausschließlich daran scheitert, dass die satzungsgemäßen Anforderungen aus tatsächlichen Gegebenheiten nicht erfüllt werden können. Der Verein muss dafür gegenüber dem Registergericht darlegen, dass er alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Satzungsänderung herbeizuführen (OLG München, Beschluss vom 30.01.2020, Az. 31 Wx 371/19, Abruf-Nr. 214336).

Kann man das Beschlussfähigkeitsquorum umgehen?

Die Beschlussfähigkeitsregelung ist eine verbindliche Satzungsregelung, die zudem dem Schutz der Mitglieder dient. Wird sie umgangen, sind die auf der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse nichtig – also von vorherein unwirksam, ohne dass es der Anfechtung durch ein Mitglied bedarf.

Die Anforderungen an eine Eventualeinberufung

Zwingende Voraussetzung für eine Eventualeinberufung ist – wie bereits erwähnt – eine entsprechende Satzungsklausel.

So muss die Einladung zur Anschlussversammlung aussehen

In der Einladung zur Anschlussversammlung muss zudem ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die zweite Versammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig ist. Für Form und Frist der Einladung gilt grundsätzlich das Gleiche wie für die reguläre Mitgliederversammlung:

  • Es gilt die allgemeine Ladungsfrist.
  • Die Einladung muss in der satzungsmäßigen gleichen Form erfolgen.
  • Es muss erneut die Tagesordnung beigefügt werden. Der Verweis auf die Tagesordnung der beschlussunfähigen Versammlung genügt nicht.

Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, sind die auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse nichtig.

So kann die Satzung die Eventualeinberufung erleichtern

Die Satzung kann aber für die Eventualeinberufung Erleichterungen vorsehen. Das gilt z. B. für die Einladungsfrist oder die Form der Einladung. Vor allem die Einladungsfrist wird oft per Satzung verkürzt, um die Beschlussfassung zu beschleunigen.

Wichtig | Regelt die Satzung die Eventualeinberufung nicht, sind die auf einer solchen – nicht durch die Satzung zugelassenen – Mitgliederversammlung von vorherein nichtig. Eine Anfechtung durch Mitglieder ist also nicht erforderlich. Das hat das OLG Karlsruhe jüngst noch einmal klargestellt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.04.2024, Az. 19 W 21/24 (Wx), Abruf-Nr. 241622).

Anschlussversammlung am gleichen Tag

Die Anschlussversammlung kann auch am gleichen Tag stattfinden; sogar in unmittelbarem Anschluss an die nicht beschlussfähige Versammlung. Ein solches Verfahren unterläuft zwar komplett die Beschlussfähigkeitsklausel, ist aber zulässig, wenn die Satzung das so regelt. Ohne Satzungsregelung muss erneut – mit der üblichen Form und Frist – eingeladen werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.04.2024, Az. 19 W 21/24 (Wx), Abruf-Nr. 241622).

Üblicherweise wird die Anschlussversammlung dabei „vorsorglich“ einberufen. Es wird also schon in der Einladung zur ersten Versammlung darauf hingewiesen, dass bei Beschlussunfähigkeit eine zweite Versammlung stattfindet. Auch das ist zulässig. Es muss dazu aber eine eindeutige Satzungsregelung bestehen.

Regelt die Satzung das nicht anders, müssen auch bei den geringeren Mehrheitsanforderung die Formalien eingehalten werden. Der Versammlungsleiter muss die Versammlung nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit beenden und dann mit Bezug auf die ursprüngliche Einladung die neue Versammlung eröffnen. Das ist aber nur möglich, wenn der Verzicht auf die sonst erforderliche Form und Frist der Einladung für die Anschlussversammlung ausdrücklich in der Satzung geregelt wurde. Ist das nicht der Fall, muss die Eventualeinberufung auf die gleiche Weise erfolgen wie die Einladung zur regulären Mitgliederversammlung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.09.2015, Az. I-3 Wx 167/15, Abruf-Nr. 145875).

Gestaltungsempfehlungen für die Vereinspraxis

Beschlussfähigkeitsquoten dienen dem Schutz der Mitglieder vor Minderheitenentscheidungen. Da dem Beschluss aber immer eine Einladung mit klarer Darstellung der Tagesordnungspunkte vorausgehen muss, sind die Mitglieder grundsätzlich geschützt, d. h. sie können jeweils entscheiden, ob sie ihr Mitbestimmungsrecht nutzen wollen.

Beschlussfähigkeitsquoten sind deswegen meist nur sinnvoll, wenn Mitglieder häufig nicht an den Versammlungen teilnehmen können. Hier gibt es aber praktikablere Verfahren. Denkbar wäre z. B.,

Fazit | Bei der Vereinsgründung wird oft der Umfang überschätzt, in dem die Mitglieder mitwirken und mitbestimmen wollen. In der Folge sind Beschlussfähigkeitsklauseln in der Satzung in der Praxis problematisch und verfehlen oft ihren Zweck. Sinnvoll sind sie nur, wenn die Beschlussunfähigkeit die Ausnahme bleibt. Andernfalls bleibt dem Verein ohnehin nichts übrig, als die Regelungen, die ja eigentlich dem Schutz der Mehrheit vor Minderheitenentscheidungen dienen, durch eine Eventualeinberufung zu unterlaufen. Besonders deutlich wird das, wenn die Eventualversammlung unmittelbar nach der ursprünglichen Versammlung stattfindet und die Einladung für beide Versammlungen gemeinsam erfolgt. In den allermeisten Fällen ist es deshalb besser, auf solche Regelungen zu verzichten oder sie auf Sonderfälle – z. B. Satzungsänderungen – zu beschränken.

  • eine Mindestteilnehmerzahl nur bei wichtigen Beschlüssen zu verlangen (z. B. Satzungsänderungen oder Auflösung des Vereins),
  • in solchen Fällen, statt einer Mindestbeteiligung längere Ladungsfristen vorzusehen, damit die Mitglieder ihre Teilnahme besser planen können,
  • in entsprechenden Fällen statt eines Beschlussfähigkeitsquorums ein Abstimmungsquorum vorzusehen, das über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht (z. B. vier Fünftel statt drei Viertel der anwesenden Mitglieder für einfache Satzungsänderungen),
  • eine zusätzliche schriftliche oder Online-Abstimmung vorzusehen, die allen Mitgliedern die Beteiligung erleichtert.

AUSGABE: VB 6/2024, S. 16 · ID: 50041277

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