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MitgliederversammlungVirtuelle Beschlussfassung im Verein (Teil 3): Es geht auch ohne Mitgliederversammlung

Abo-Inhalt04.10.20229147 Min. Lesedauer

| Zum 31.08.2022 ist die Übergangsregelung des GesRuaCOVBekG ausgelaufen. Mitgliederversammlungen können jetzt nur noch in elektronischer Form durchgeführt werden, wenn die Satzung das ausdrücklich ermöglicht. Die VB-Beitragsreihe gibt praxisnahe Tipps zur Satzungsgestaltung und organisatorischen Umsetzung. In Teil 3 erfahren Sie, wie Sie Beschlussfassungen über die neuen Medien organisieren und rechtssicher umsetzen, und zwar jenseits einer Mitgliederversammlung. |

Die schriftliche Beschlussfassung nach dem BGB

Das BGB sieht unabhängig von einer besonderen Satzungsregelung vor, dass Beschlüsse im Verein auch schriftlich gefasst werden können – also ohne dass eine Mitgliedersammlung einberufen werden muss. Enthält die Satzung keine besondere Regelung, gelten für schriftliche Abstimmungen die strengen Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB. Es müssen alle Mitglieder zustimmen. Ein einziges Mitglied, das auf ein Schreiben des Vereins nicht reagiert, macht die schriftliche Beschlussfassung schon unmöglich. Der Verein kann eine fehlende Antwort nicht als stillschweigende Zustimmung auslegen – auch wenn er das in seinem Schreiben an die Mitglieder so formuliert.

Praxistipp | Aus diesem Grund wird eine schriftliche Abstimmung – ohne Vereinfachung des Verfahrens durch entsprechende Satzungsregelungen – nur in kleinen Vereinen praktikabel sein. Sinnvoll ist sie besonders dann, wenn die Mitglieder weit verstreut wohnen.

§ 32 Abs. 2 BGB verlangt drei Voraussetzungen für eine schriftliche Abstimmung:

  • Die Schriftform im engeren Sinn, also mit Unterschrift oder elektronischer Signatur.
  • Es müssen alle Mitglieder dem Verfahren zustimmen.
  • Die Abstimmung muss einstimmig sein, d. h. alle Mitglieder müssen sich beteiligen und mit Ja stimmen.

Wichtig | Um eine schriftliche Abstimmung auf elektronischem Weg praktikabel zu machen, sollte die Satzung alle drei Anforderungen abändern.

Die Grundsätze zur Satzungs(um)gestaltung

Ein schriftliche Beschlussfassung darf nicht dazu führen, dass das Rede-, Antrags- und Auskunftsrecht der Mitglieder ausgeschlossen oder gravierend eingeschränkt wird. Die Satzung kann deswegen eine (gegenüber der BGB-Regelung vereinfachte) schriftliche Beschlussfassung vorsehen. Sie kann die Mitgliederversammlung aber nicht zugunsten einer solchen abschaffen.

Sieht die Satzung keinen festen Turnus für Mitgliederversammlungen vor, obliegt zunächst dem Vorstand die Entscheidung über die Einberufung. Er kann also immer auf das Verfahren einer schriftlichen Beschlussfassung ausweichen. Ohne spezielle Satzungsregelung blieben den Mitgliedern dann nur das Minderheitenbegehren, um eine Versammlung zu erzwingen.

Abgrenzung von Versammlung und schriftlicher Beschlussfassung

Im Zeitalter digitaler Kommunikation sind die Grenzen zwischen einer schriftlichen Beschlussfassung und einer virtuellen Mitgliederversammlung fließend. So kann z. B. im Rahmen einer Onlineversammlung die Abstimmung per E-Mail oder speziellen Tools erfolgen.

Wichtig | Der entscheidende Unterschied zwischen einer Mitgliederversammlung und andere Formen der Beschlussfassung ist, dass bei der Mitgliederversammlung die Mitglieder ihr Rede-, Antrags- und Auskunftsrecht wahrnehmen können. Bei einer schriftlichen Abstimmung wird dagegen lediglich über eine Beschlussvorlage abgestimmt. Das Rede-, Antrags- und Auskunftsrecht muss den Mitgliedern aber nicht zwingend in Präsenzform gewährt werden. Sogar eine reine Textkommunikation (Chat, Forumssoftware) wäre denkbar. Eine Mitgliederversammlung „auf elektronischen Weg“ muss also nicht zwingend per Ton- und Bildübertragung erfolgen.

Das bedeutet: Wählt der Verein ein Verfahren, bei dem die Mitglieder innerhalb eines für Versammlungen üblichen Zeitraums (wenige Stunden) Beiträge, Fragen und Anträge einbringen können, handelt es sich um eine Form der Mitgliederversammlung. Eine Beschlussfassung ohne Diskussionsbeiträge, Fragen und Anträge erfüllt dagegen nicht die Anforderungen an eine Mitgliederversammlung und kann diese nicht vollständig ersetzen. Eine Beschlussfassung ohne Gewährung der genannten Rechte ist also nur in Ergänzung von Versammlungen möglich.

Rein schriftliche Abstimmung

Erlaubt die Satzung das abweichend vom BGB, kann eine schriftliche Beschlussfassung in jeder Art von Textform erfolgen. Denkbar wäre also eine Abstimmung per E-Mail, Messengerdienste oder ähnliche Medien. Es kann aber auch ein Voting-Tool auf der eigenen Internetseite oder der eines Drittanbieters benutzt werden.

Voraussetzung ist aber immer, dass nur Mitglieder abstimmen können und – soweit die Satzung keine besonderen Stimmrechte gewährt – jedes Mitglied nur einmal abstimmt. Voting-Tools müssen also entsprechend passwortgesichert sein. Bei E-Mail oder Messengerdiensten genügt dagegen regelmäßig die Absenderadresse für die Authentifizierung.

Mitglieder ohne Stimmrecht müssen bei schriftlichen Abstimmungen nicht miteinbezogen werden, während sie zur Mitgliederversammlung eingeladen werden müssen. Auch aus diesem Grund kann eine schriftliche Abstimmung eine erhebliche Vereinfachung für die Beschlussfassung bedeuten.

Ergänzende schriftliche Abstimmung

Eine schriftliche Abstimmung kann auch ergänzend zur (virtuellen) Mitgliederversammlung erfolgen. Grundsätzlich kann das vor und nach der Versammlung geschehen. Der Vorteil einer vorhergehenden schriftlichen Beschlussfassung ist, dass die eingegangenen Stimmen mit denen der Präsenzversammlung zusammengefasst werden können und das Beschlussergebnis so bereits in der Versammlung vorliegt.

Eine vorhergehende schriftliche Beschlussfassung hat aber den Nachteil, dass die Beschlussvorlagen während der Versammlung nicht mehr geändert werden können. In der Regel wird deswegen eine nachträgliche schriftliche Beschlussfassung die bessere Option sein. Dann sollte die Ausschlussfrist aber nicht zu lang sein, damit das Abstimmungsergebnis in überschaubarer Zeit vorliegt. Die Frist muss aber lang genug sein, um allen Mitgliedern eine ausreichende Beschäftigung mit der Thematik zu erlauben. Auch wenn die schriftliche Beschlussfassung auf elektronischem Wege erfolgt, wird hier die Frist deshalb nicht kürzer als eine Woche sein dürfen.

Denkbar wäre auch eine schriftliche Beschlussfassung der nicht anwesenden Mitglieder im Zeitrahmen der Mitgliederversammlung. Das wird aber meist nicht praktikabel sein, weil die (evtl. geänderten) Beschlussvorlagen dann sehr rasch an die Mitglieder geschickt werden müssen und die Stimmabgabe sehr schnell ausgewertet werden muss. Praktikabel könnte hier dagegen die Nutzung eines Voting-Tools sein, das die Stimmauszählung automatisiert und so eine Zusammenfassung mit den Stimmen der anwesenden Mitglieder noch im Lauf der Versammlung erlaubt.

Empfehlungen für die Satzungsgestaltung

Wegen der Einstimmigkeitserfordernis sind schriftliche Abstimmungsverfahren nach der gesetzlichen Regelung des § 34 BGB nur in wenigen Fällen praktikabel. Ein sinnvolles Instrument zur organisatorischen Vereinfachung kann es durch entsprechende Satzungsregelungen werden. Dazu sollte geregelt werden,

  • wann das Verfahren angewendet werden kann (wenn das nicht für alle Beschlussinhalte der Fall sein soll),
  • dass die Einstimmigkeitserfordernis aufgehoben werden,
  • innnerhalb welcher Frist die Stimmabgabe erfolgen muss,
  • welche Medien in Frage kommen und
  • wann und wie die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses erfolgt.

Konkrete Vorschläge für Ihre Satzungsregelung finden Sie im Beitrag auf Seite 15 dieser Ausgabe → Abruf-Nr. 48589457.

Schriftliche Beschlussfassung des Vorstands

Nach § 28 BGB gelten für die Beschlussfassung im Vorstand die gleichen (Satzungs-)Regelungen wie für die Mitgliederversammlung. Eine eigene Regelung zur schriftliche Beschlussfassung ist also nur erforderlich, wenn das Verfahren im Vorstand abweicht. Das kann z. B. kürzere Ausschlussfristen oder andere Mehrheitserfordernisse betreffen.

AUSGABE: VB 10/2022, S. 12 · ID: 48589556

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