Ausfallschaden
Schwacke und Fraunhofer greifen nicht bei Fahrschulmietwagen
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MietwagenkostenWenn das beschädigte Fahrzeug groß und das angemietete klein ist: Worauf abzustellen ist
| Das LG Stuttgart sorgt in der Mietwagenfrage derzeit für Unruhe. Bei der Ermittlung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten sei der Ausgangspunkt nicht das beschädigte Fahrzeug, sondern das angemietete. Andere Obergerichte sind der Auffassung, das beschädigte Fahrzeug sei der Ausgangspunkt. Im Stuttgarter Fall gehörte das verunfallte Fahrzeug in die Gruppe 9. Angemietet wurde ein Fahrzeug der Gruppe 7. Der vom Vermieter berechnete Betrag war nach Auffassung des LG für die Gruppe 7 zu hoch, für die Gruppe 9 hätte er gepasst. Kläger war der Geschädigte selbst. |
Inhaltsverzeichnis
1. Das könnte ein Fall des „Mietwagenrisikos“ sein
Betrachtet man die Einstufung der Fahrzeuge in die Mietwagengruppen isoliert, kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass der Laie damit überfordert ist. Er muss sich auf die Fachleute verlassen. Denn das ist nicht banal. Anknüpfungspunkt für die Gruppeneinstufung ist der Listenneupreis des Fahrzeugs. Je nach Motorisierung und Ausstattung überspannt daher z. B. der VW Golf mehrere Gruppen. Und der gut ausgestattete und motorisierte Polo kann deutlich teurer sein als der mager ausgestattete und motorisierte Golf.
Überlegen Sie einmal, ob Sie ohne Rückgriff auf die zwar in der Kanzlei, nicht aber zu Hause griffbereiten Listen die Frage beantworten könnten, in welche Mietwagengruppe Ihr Fahrzeug gehört!
Dieses Problem erkennt das LG Stuttgart (22.1.25, 5 S 79/24, Abruf-Nr. 248432). auch, denn es konstatiert: „Konsequent wäre daher bei Zugrundelegung der Handhabung der oben dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung, bei mangelnder Erkennbarkeit für den Geschädigten einer für den angebotenen Wagen überhöhten Berechnung, die Rechtsprechung des BGH zu den Grundsätzen des sog. Werkstattrisikos vom 16.1.24, VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 21/23, so zu übertragen, dass der Geschädigte die Grundsätze des „Werkstattrisikos“ zu seinen Gunsten nur dann erhalten kann, wenn er die Zahlung an das Mietwagenunternehmen, Zug um Zug gegen Abtretung seiner Schadenersatzansprüche, verlangt.“.
Und weiter: „Es wäre wünschenswert, wenn im Rahmen der Abwicklung des Schadens nach einem Verkehrsunfall die gleichen Grundsätze anzuwenden wären hinsichtlich der Reparaturkosten, der Sachverständigenkosten sowie der Mietwagenkosten. Eine unterschiedliche rechtliche Handhabung ist kaum nachvollziehbar.“
2. Von der Generalklausel zur Anwendung
Da ist man geneigt, dem Gericht zuzurufen: „Dann mach das doch, jedenfalls in Bezug auf die Gruppeneinordnung!“ Denn das Gericht ist falsch abgebogen, wenn es meint: „Bislang hat der BGH indes die Grundsätze des sog. Werkstattrisikos zwar auf die Sachverständigenkosten, vgl. BGH 12.3.24, VI ZR 280/22, nicht aber auf die Mietwagenkosten übertragen.“
Da hat es die generelle Linie des BGH nicht verstanden. Denn der hat die Anwendung des subjektbezogenen Schadenbegriffs in den verschiedenen Ausprägungsformen wie Werkstattrisiko oder Sachverständigenrisiko wie folgt für eine Vielzahl von Schadenpositionen geöffnet: „Dies gilt für alle Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung, deren Entstehung dem Einfluss des Geschädigten entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss.“ (BGH 12.3.24, VI ZR 280/22, Rn. 13, Abruf-Nr. 240862).
3. Auch ohne BGH ganz selbstverständlich: Das Hakenrisiko
Dass man nun nicht darauf warten muss, dass der BGH die Anwendung für diese oder jene Schadenposition ausdrücklich ausurteilt, beweisen die Gerichte Tag für Tag. Ganz zutreffend wenden sie die Grundsätze des Werkstattrisikos unter dem Schlagwort „Hakenrisiko“ auf die Abschleppkosten an. Denn der Geschädigte hat an der Unfallstelle kaum einen Einfluss darauf, welcher Abschleppunternehmer von der Polizei auf den Weg geschickt wird. Ebenso wenig darauf, mit welchem Abschleppfahrzeug welcher Gewichtsklasse er anrückt. Das tun die Gerichte auch ohne ein BGH-Urteil. Denn die Subsumtion eines Sachverhalts in die Kategorie „in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre“ ist Sache des jeweiligen Gerichts.
4. Dogmatischer Ansatz und befürchtete „Mietwagenabzocke“
Erinnert werden muss daran, dass der Geschädigte selbst der Kläger war. Es geht also um seinen Schadenersatzanspruch. Davon zu trennen ist der mietvertragliche Anspruch des Autovermieters gegen die Mieter.
Das LG Stuttgart zitiert die Oberlandesgerichte Celle, Dresden und Hamm, die auf die Gruppe des beschädigten Fahrzeugs abstellen, ohne Rücksicht auf die Frage, welches Fahrzeug tatsächlich angemietet wurde. Und diese Vorgehensweise halten die Stuttgarter im Kern für richtig: „Dogmatisch ist die Herangehensweise der o. g. obergerichtlichen Rechtsprechung durchaus nachvollziehbar, da vom Ausgangspunkt her im Rahmen von § 249 BGB mit dem Unfallersatzwagen das Fahrzeug des Geschädigten ersetzt und ausgeglichen werden soll. … Geht man davon aus, dass grundsätzlich Anspruch auf eine Mobilität entsprechend des verunfallten Fahrzeugs auszugleichen ist, wäre bei den erforderlichen Mietwagenkosten zunächst, wie es die vorgenannte Rechtsprechung handhabt, auf die Kosten für ein dem Geschädigten vergleichbares Fahrzeug abzustellen.“
Das tut es dann aber nicht, denn es fürchtet: „Allerdings würde dies nach Ansicht der Kammer bedeuten, dass die Abrechnung überhöhter Mietwagenkosten für das eigentlich klassentiefere Ersatzfahrzeug, ggf. eine ‚Mietwagenkosten-Abzocke‘, unterstützt würde.“
Vor der letztgenannten Bemerkung biegt das LG Stuttgart abermals falsch ab, wenn es meint: Dem Geschädigten stünde dann ja der Betrag für die Gruppe seines Fahrzeugs zu, und weil er kleiner angemietet hätte, dürfte davon kein Eigenersparnisabzug vorgenommen werden. Richtig hingegen wäre: Ihm stünde der um 10 % verminderte Betrag für die große Gruppe zu, wenn man die Eigenersparnis nach § 287 ZPO mit 10 % ansetzt (da werden viele Prozentzahlen vertreten). Liegen die Kosten für das angemietete Fahrzeug unter diesem Betrag, auch wenn sie für das angemietete Fahrzeug eigentlich zu hoch sind, zockt jedenfalls der Geschädigte – auf den kommt es an! – nicht ab.
Es ist doch auch naheliegend, dass er das zwei Gruppen kleinere Fahrzeug subjektbezogen für eine Gruppe kleiner oder gar für klassengleich gehalten hat („s. o., Golf für Golf“). Insoweit muss er geschützt sein, jedenfalls wenn er die Zahlung der restlichen von ihm noch nicht bezahlten Mietwagenkosten an den Autovermieter Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückforderungs- und Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter wegen überhöhter Abrechnung und fehlerhafter Einstufungsberatung verlangt.
Und wenn er mit Absicht bescheiden „sehr klein“ anmietet, wäre es schwer zu verstehen, dass er die für den angemieteten Kleinwagen vom Vermieter zu viel berechneten „hundert Euro“ nicht erstattet bekommt, obwohl er locker für mehrere hundert Euro mehr „groß“ hätte anmieten dürfen.
5. Risiko der Abzocke durch den Vermieter
Wenn das LG Stuttgart fürchtet, die Vermieter könnten der Verlockung erliegen, dem S-Klasse-Fahrer einen Smart zu vermieten und den als S-Klasse abzurechnen, ist diese Befürchtung im Schadenersatzverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger deplatziert. Denn in einem solchen (hier bewusst) überzogenen Fall stünde der Gedanke der Laienerkennbarkeit und damit der Nichtanwendung des subjektbezogenen Schadenbegriffs im Raum.
Und darüber hinaus wäre bei nicht gegebener Laienerkennbarkeit bei nicht so krassen Fahrzeugwertdifferenzen der Schädiger durch die Vorteilsausgleichsabtretung geschützt. Das ist ja gerade deren Sinn. Zugegeben: Wegen der in aller Regel mietvertraglich vereinbarten Preise ist eine Rückforderung durch den Versicherer auf der Basis der Vorteilsausgleichsabtretung nicht einfach. Der Versicherer als Zessionar kann nur zurückverlangen, was der Mieter als Zedent auch zurückverlangen könnte. Da hat der Versicherer nur Erfolgsaussichten, wenn sich aus einem Beratungsverschulden heraus ein Schadenersatzanspruch des Zedenten ergäbe. Doch können dünne Erfolgsaussichten im Regress den Grundsatz des subjektbezogenen Schadenbegriffs nicht aushebeln.
6. Die Klärung durch den BGH bleibt vermutlich aus
Das LG Stuttgart hat die Revision zum BGH zugelassen. Die wurde nach Kenntnis von VA zwar fristwahrend eingelegt, wird aber nicht durchgeführt.
AUSGABE: VA 7/2025, S. 119 · ID: 50438341