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AusfallschadenNicht zeitgerecht vor Urlaubsreise Pkw repariert oder Ersatz beschafft – und die Mietwagenkosten

Abo-Inhalt07.01.20251536 Min. Lesedauer

| Regelmäßig ist Streit mit dem Versicherer programmiert, wenn das Fahrzeug des Geschädigten nicht zeitgerecht vor einer Urlaubs-/Ferienreise repariert oder bei einem Totalschaden nicht rechtzeitig Ersatz beschafft werden konnte bzw. wenn die zeitgerechte Zulassung des Ersatzfahrzeugs scheitert. Das ist ein jährlich vor jeden Ferien auftauchendes Thema; doch in einer Zeit wie dieser, die von ausgeweiteten Reparaturzeiträumen geprägt ist, ist es besonders heftig. Wie sieht es hier mit dem Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten aus? UE dekliniert die Fallvarianten. |

Die unterschiedlichen Fallgruppen in der Praxis

Es gibt hier zwei unterschiedliche Fallgruppen. Und zwar muss differenziert werden zwischen Reparaturschäden einerseits und Totalschäden andererseits.

Das gilt für die Fallgruppe Reparaturschäden

Bei den Reparaturschäden ist zu unterscheiden zwischen unfallbedingt nicht mehr nutzbaren Fahrzeugen und solchen mit kosmetischen Schäden.

Das von vornherein nicht mehr nutzbare Fahrzeug

Ist das Fahrzeug von der Unfallstelle an nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr legal nutzbar, kann der Geschädigte ja gar nicht anders, als die Reparatur in Angriff zu nehmen. Und wenn die schon planmäßig oder überraschend auch außerplanmäßig bis zur Urlaubsabreise nicht mehr fertig wird, ist das ein Risiko, das außerhalb der Einflusssphäre des Geschädigten liegt.

Er kann nun mit dem Mietwagen in den Urlaub fahren. Die dann trotz Reparaturendes in der Abwesenheitszeit anfallenden Mietwagentage gehen zulasten des Schädigers (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 02.11.2017, Az. 4 C 3133/16, Abruf-Nr. 198251; AG Bonn, Urteil vom 20.12.2011, Az. 106 C 322/10, Abruf-Nr. 120248; AG Rostock, Urteil vom 11.9.2015, Az. 44 C 65/15, Abruf-Nr. 146400).

Der nur „kosmetische“ Reparaturschaden

War das verunfallte Fahrzeug nach dem Unfall noch zumutbar benutzbar, weil der Schaden eher die Optik als die Technik des Fahrzeugs beeinflusst hat, kommt es darauf an, ob der Geschädigte mit der Fertigstellung der Reparatur vor der Urlaubsabreise rechnen konnte.

„Reparaturdauer vier Tage“ und Reparaturbeginn zwei Tage vor der Urlaubsreise wäre ein krasser Verstoß gegen die Pflicht, den Schaden gering zu halten. Denn die Urlaubsreise mit dem Fahrzeug ist bei dem beschriebenen Schadenumfang zumutbar.

Praxistipp | Es ist – wie immer bei der Weiternutzung bis zur später terminierten Reparatur – darauf zu achten, dass der Schaden sofort sauber dokumen-

tiert wird. Denn kommt auf der Reise ein weiter Schaden hinzu, am Ende noch ein überlappender, ist der Knoten des Altschadeneinwandes durch den zweiten Versicherer vom Geschädigten oft nicht mehr zu lösen.

Konnte der Geschädigte darauf vertrauen, dass die Instandsetzung bis zur Urlaubsabreise erledigt sein wird, ist die Situation aus Sicht von UE dieselbe, wie bei den von vornherein nicht mehr nutzbaren Fahrzeugen beschrieben.

Denn es gilt nach verbreiteter Rechtsprechung: Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Werkstatt zügig arbeitet. Er muss sich nicht vor der Auftragserteilung explizit erkundigen, ob der Schaden in der vom Gutachter prognostizierten Zeit behoben werden wird (AG Nürtingen, Urteil vom 17.08.2015, Az. 17 C 2190/14, Abruf-Nr. 145200).

Jedoch gibt es auch Rechtsprechung, die besagt: Der Geschädigte müsse den Reparaturauftrag bei einem nutzbaren Fahrzeug in der Weise erteilen, dass zunächst die Ersatzteile bestellt werden müssten. Erst wenn die vollständig eingetroffen seien, dürfe er das Fahrzeug zur Reparatur geben.

Nein, sagt dazu das AG Gifhorn. Der Geschädigte sei bei Auftragserteilung nicht gehalten nachzufragen, ob alle Ersatzteile vorhanden sind. Eine solche Erkundigungspflicht überspanne die Obliegenheiten, die einem Geschädigten zugemutet werden können. Etwas anderes könne allenfalls dann anzunehmen sein, wenn sich aufgrund besonderer Umstände für den Geschädigten bereits bei Auftragserteilung Anhaltspunkte ergeben, dass die Reparatur länger dauert als nach dem Gutachten kalkuliert (AG Gifhorn, Urteil vom 01.04.2022, Az. 33 C 639/21, Abruf-Nr. 228614).

Praxistipps | Es ist trotz der Gifhorner Entscheidung Vorsicht geboten.

  • Denn die Pflicht zum schrittweisen Vorgehen ist hoch umstritten; die Rechtsprechung dazu auch nicht einheitlich:
    • Pro Abwarten sprechen sich aus: AG München, Urteil vom 12.08.2015, Az. 334 C 28183/14, Abruf-Nr. 145198; AG Bautzen, Urteil vom 14.01.2015, Az. 20 C 347/14, Abruf-Nr. 143778; AG Paderborn, Urteil vom 14.11.2014, Az. 50 C 169/14, Abruf-Nr. 143779.
    • Gegen Abwarten: LG Frankenthal, Urteil vom 01.02.2012, Az. 2 S 280/11, Abruf-Nr. 120943.
  • Und es droht auch die Gefahr, dass Gerichte aktuell die täglichen Nachrichten über gestörte Lieferketten bei Waren des Alltags als Anhaltspunkt im obigen Sinne ansehen werden.

Muss Geschädigter Urlaub zum Tauschen unterbrechen?

Wird das Fahrzeug jedoch während der Urlaubsabwesenheit des Geschädigten fertig, stellt sich die Anschlussfrage: Ist der Geschädigte nun wegen der Schadenminderungspflicht (§ 254 BGB) verpflichtet, den Urlaub zu unterbrechen, um den Mietwagen gegen das reparierte Fahrzeug zu tauschen?

Das AG Berlin-Mitte sagt nein: Ereignet sich der Unfall kurz vor dem fest gebuchten Urlaub und wird die Reparatur während des Urlaubs beendet, gebietet die Schadenminderungspflicht es nicht, den Urlaub zur Mietwagenrückgabe zu unterbrechen (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 25.09.2013, Az. 112 C 3079/13, Abruf-Nr. 133151).

Wichtig | Im Rahmen der Schadenminderungspflicht spielt allerdings stets eine Rolle, ob dem Geschädigten eine schadenmindernde Maßnahme zumutbar ist. Dabei kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Ist der Urlaubsort nicht weit weg („Von Hamburg an die Nordsee“, „Von München an den Chiemsee“, „Vom Ruhrgebiet nach Winterberg“), ist der Urlaub zudem lang und das Fahrzeug in den ersten Urlaubstagen fertig, kann das anders zu beurteilen sein, als wenn die Umtauschfahrt sehr weit oder der Urlaub zum Fertigstellungszeitpunkt fast zu Ende ist.

Praxistipp | Sinnvoll dürfte es jeweils sein, die Umstände dem Versicherer als Warnhinweis gemäß § 254 Abs. 2 BGB im Vorfeld mitzuteilen. Man kann ihm anbieten, dass er das fertig reparierte Fahrzeug zum Urlaubsort transportieren lässt und den Mietwagen abholt. Dann mag der Versicherer entscheiden, was ihm günstiger erscheint. Jedenfalls kann er dann im Nachhinein keinen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht konstruieren.

Das gilt für die Fallgruppe Totalschaden

Rund um den Totalschaden ergeben sich folgende Fragestellungen:

Verzögerung bei der Ersatzbeschaffung

Reicht nach einem Totalschaden die Zeit nicht, um ein anderes Fahrzeug als Ersatz zu beschaffen, darf der Geschädigte ohne Weiteres mit dem Mietwagen die Urlaubsreise antreten. Er muss auch nicht im Urlaub statt am Strand oder im Skilift vor dem Rechner sitzen, um nach dem passenden Ersatzfahrzeug zu suchen. Dazu kann UE zwar kein Urteil präsentieren, doch das erscheint als selbstverständlich. Die Urlaubsabwesenheitszeit ist der Wiederbeschaffungsdauer zuzuschlagen.

Verzögerung bei der Zulassung

Ist das Ersatzfahrzeug beschafft, kann aber wegen feiertagsbedingt geschlossener oder grundsätzlich weiträumig Termine vergebender Zulassungsstelle nicht zeitgerecht zugelassen werden, ist die Situation nicht anders zu beurteilen: Die verzögerte Zulassung geht zulasten des Geschädigten.

Verzögerung der Zulassung wegen fehlender Dokumente

Geht die Urlaubsreise ins Ausland, ist es ausgeschlossen, dass der Geschädigte das Original des Personalausweises dem Zulassungsdienst übergibt, damit das Ersatzfahrzeug jedenfalls am Tag nach der Urlaubsrückkehr zugelassen bereit steht. Ob es dem Geschädigten zumutbar ist, eine Inlandsreise ohne mitgeführten Personalausweis durchzuführen, werden die Gerichte nicht einheitlich entscheiden.

Gelingt die Zulassung während der Abwesenheit, weil der Geschädigte doch ohne den Personalausweis gereist ist, beantwortet sich die Urlaubsunterbrechungsfrage wie oben bei den Reparaturfällen: Ob dem Geschädigten hier die Mietwagenrückgabe zugemutet werden kann, entscheidet sich immer nach einer Einzelabwägung im konkreten Fall.

Das gilt für Reparatur- und Totalschadenfälle

Einige Fragen sind bei den Reparatur- und Totalschadenfällen identisch.

Mietwagen eine Nummer kleiner – und jetzt wird es im Wortsinne eng

Winterurlaubszeit ist oft Skiurlaubszeit. Und der Mietwagen wird regelmäßig zur Vermeidung eines Eigenersparnisabzugs „eine Nummer kleiner“ genommen. Das kann mit allem Gepäck und Sportgerät, was eine Familie in den Ski- oder Sommerurlaub mitnimmt, zum Problem werden.

Es ist nicht zwingend, den kleineren Mietwagen zu nehmen. Es besteht Anspruch auf einen gleich Großen. Allerdings ist dabei ein Eigenersparnisvorteil jedenfalls dann vorzunehmen, wenn der Mietwagen mehr als 1.000 km genutzt wurde. Es kann auch kombiniert werden: Bis zur Abreise der Kleinere, ab dann der Große, und danach, wenn noch nötig, wieder der Kleinere. Das reduziert den Abzug auf den zwingenden Zeitraum.

Der Anspruch auf Schneeketten als zusätzlich bepreiste Zusatzleistung des Autovermieters besteht beim Winterurlaub ganz sicher. Die Eigenen werden wegen abweichender Rad-/Reifenkombination oft nicht passen.

Mietwagen mit Anhängezugvorrichtung und hoher Zuglast

Im gleichen Zusammenhang mag es sein, dass der Kunde für die Urlaubsfahrt eine Anhängerzugvorrichtung braucht, um einen Wohnwagen oder ein Boot, ggf. groß und schwer, mitzunehmen.

Der Versicherer wird später auf die Fraunhofer-Mietpreisliste oder auf Angebots-Screenshots verweisen, aus denen nicht im Ansatz erkennbar ist, ob denn die benötigte Anhängezugvorrichtung vorhanden gewesen wäre. Vielleicht hat der Versicherer auch am Telefon eine seiner berühmten Zahlen genannt, für die ein Mietwagen angeblich erhältlich ist.

Praxistipp | In der Situation ist es ausnahmsweise richtig, in die Offensive zu gehen und den Versicherer um sofortige Zurverfügungstellung eines Fahrzeugs mit Anhängezugvorrichtung und der vorgegebenen Nutzlast zu bitten. Bei entsprechender Notwendigkeit auch mit der entsprechenden Außenspiegelausstattung für den breiten Wohnwagen oder das breite Boot. Das wird in den allermeisten Fällen dazu führen, dass ein Mietwagen nicht geliefert werden kann. Wird diese Nachfrage und Antwort entsprechend dokumentiert (wann mit wem wie besprochen, Zeuge dafür), werden sich die Mietwagenkosten mindestens auf Schwacke-Niveau später leicht durchsetzen lassen.

WEITERFÜHRENDer HINWEIS
  • Textbaustein 306: Warnhinweis an Versicherer über längere Mietwagennutzung bei Unfall vor oder während Urlaub (H) → Abruf-Nr. 31667560

AUSGABE: UE 1/2025, S. 9 · ID: 50267167

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