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Fiktive AbrechnungDürfen Versicherer Angaben in Gutachten und Prüfberichten kombinieren?
| Die Kreativität mancher Versicherer beim Herunterrechnen der fiktiven Abrechnung ist verblüffend. Aber ein ganz besonderer Vorgang schlägt alles um Längen und führt zu einer Frage eines UE-Lesers. |
Frage: Der Versicherer verweist auf einen Prüfbericht. Das übliche Spiel, aber hier mit einer Besonderheit: Die Stundenverrechnungssätze im Schadengutachten sind niedriger als die der Verweisungswerkstatt, 160 Euro zu 140 Euro. Damit kommt man auch ohne UPE-Aufschläge und Verbringungskosten auf einen Betrag, der höher ist als der im Schadengutachten. Darauf aufmerksam gemacht beharrt der Versicherer darauf, dass er das kombinieren könne, nämlich die Stundenverrechnungssätze aus dem Schadengutachten mit „keine UPE-Aufschläge und keine Verbringungskosten“ aus dem Prüfbericht. Ist eine solche Rosinenpickerei möglich?
Antwort: So jedenfalls wie vom Versicherer angedacht geht das nicht.
Es muss die reale Möglichkeit zur Reparatur zu den Konditionen geben
Die Verweisung auf die andere Werkstatt bedeutet doch, dort könne der Geschädigte zu den genannten Preisen reparieren lassen. Dies ergibt sich bereits aus Leitsatz b der grundlegenden Entscheidung des BGH zu den Stundenverrechnungssätzen bei der fiktiven Abrechnung (BGH, Urteil vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09, Abruf-Nr. 133712): „Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen ‚freien Fachwerkstatt‘ verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.“
Das bedeutet, dass die Möglichkeit zur Reparatur in der benannten Werkstatt zu den genannten Konditionen bestehen muss. Deren Wahrheitstreue unterstellt, geht das zu den Konditionen aus dem Prüfbericht. Das sind aber die 160 Euro pro Stunde. Für die 140 Euro geht das nicht. Damit kann der Versicherer also nichts reißen.
Fehlerhafte Benennung durch (neuerliche) Benennung im Prozess heilbar
Im Prozess hat der Versicherer jedoch die Möglichkeit der Rettung: Bis zur letzten mündlichen Verhandlung kann der Versicherer eine andere Werkstatt benennen. Im BGH-Fall hatte der Versicherer zwar vorgerichtlich gar keine Werkstatt benannt. Das konnte er nachholen. Nach Auffassung von UE macht es keinen Unterschied, ob eine Nichtbenennung oder eine fehlerhafte Benennung durch eine (neuerliche) Benennung im Prozess geheilt wird (BGH, Urteil vom 14.05.2013, Az. VI ZR 320/12, Abruf-Nr. 131855).
AUSGABE: UE 1/2025, S. 14 · ID: 50266855