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Fiktive AbrechnungScheckheftgepflegt, aber leichter Hagelschaden: Welcher Stundensatz bei fiktiver Abrechnung?

Abo-Inhalt13.12.20241496 Min. Lesedauer

| Die vielleicht letzte vom BGH noch nicht explizit geklärte Frage rund um die Abrechnung fiktiver Reparaturkosten beschäftigt einen anwaltlichen Leser: Wie wirkt sich ein noch nicht reparierter bereits vorhandener Schaden auf die Anwendung der Regeln des BGH „Preise der Marke am Ort“ oder „Verweisungsmöglichkeit auf eine andere Werkstatt“ bei der fiktiven Abrechnung aus? |

Frage: Das Fahrzeug eines Mandanten ist älter als drei Jahre, aber konsequent scheckheftgepflegt. Allerdings hat es einen nicht instandgesetzten leichten Hagelschaden. Der neue Unfallschaden ist in keiner Weise überdeckend, sodass sich die klassische Vorschadenthematik bei den Reparaturkosten nicht stellt. Jedoch stellt sich das Gericht auf den Standpunkt, es könne auf eine andere Werkstatt verwiesen werden, denn der Altschaden hebe das Prädikat „scheckheftgepflegt“ auf. Ist das richtig?

Antwort: Um sich der Antwort auf die Frage zu nähern, ist es naheliegend, die Motive des BGH anzuschauen, die zu der Ausnahme von der Verweisungsmöglichkeit rund um das Prädikat „scheckheftgepflegt“ führen.

Das besondere Vertrauen des typischen GW-Käufers

In der Basisentscheidung (BGH, Urteil vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09, Abruf-Nr. 133712) begründet der BGH die Ausnahme so: „Bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann … die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, ‚scheckheftgepflegt‘ der ggf. nach einem Unfall repariert worden ist. Dabei besteht – wie entsprechende Hinweise in Verkaufsanzeigen belegen – bei einem großen Teil des Publikums insbesondere wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung, dass bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist.“

Es geht also darum, dass der typische Gebrauchtwagenkäufer ein Fahrzeug, das in diesem Sinne „scheckheftgepflegt“ ist, bevorzugt, weil er mehr Vertrauen in die Erhaltung dessen technischer Zuverlässigkeit setzt.

Auf Regelmäßigkeit der Wartungsarbeiten kommt es an

Eine weitere Entscheidung beleuchtet das Thema ergänzend. Da hatte der Geschädigte im Nebel seines Vortrags gelassen, ob die letzten fünf Inspektionen gar nicht vorgenommen wurden oder in Werkstätten außerhalb der Marke (BGH, Urteil vom 07.02.2017, Az. VI ZR 182/16, Abruf-Nr. 192297).

Da erklärt der BGH zunächst, dass es Bagatellen geben mag, die das Prädikat „scheckheftgepflegt“ nicht vernichten, wenn sie außerhalb einer Markenwerkstatt erledigt wurden. Er führt dann aus, dass das erhöhte Vertrauen des typischen Gebrauchtwagenkäufers in den besseren technischen Erhaltungszustand der Regelmäßigkeit der vorgenommenen Wartungsarbeiten bedarf:

„Dabei kann dahinstehen, ob die Vornahme nicht ‚scheckheftrelevanter‘ Arbeiten am Fahrzeug wie eines Reifenwechsels oder eines Austausches der Scheibenwischblätter in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt im Schadensfall eine Verweisung auf eine ‚freie‘ Fachwerkstatt ermöglichen würde. Denn vorliegend geht es nicht nur um Arbeiten dieser Art, sondern um Inspektionen über einen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Unfall, von denen mangels konkreten Vortrags des Klägers nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgt sind. Dann aber hat der Kläger ersichtlich keinen Wert darauf gelegt, dass eine markengebundene Fachwerkstatt sein Fahrzeug regelmäßig wartet, weshalb er damit beispielsweise bei einem Verkauf seines Fahrzeugs nicht werben dürfte.“

Schutzzweck „scheckheftgepflegt“ noch vorhanden

Überträgt man das auf den vorliegenden Fall des scheckheftgepflegten Fahrzeugs mit dem leichten Hagelschaden, ist offensichtlich: Der Hagelschaden am Fahrzeug ist eher kosmetischer Natur. Die Haltbarkeit der technischen Komponenten des Fahrzeugs, die von der regelmäßigen Wartung in der Markenwerkstatt jedenfalls in der Beurteilung des typischen Gebrauchtwagenkäufers bestmöglich aufrechterhalten wurde, ist von dem nicht instand gesetzten Hagelschaden nicht ansatzweise betroffen. Im Unterschied zu, siehe oben, evtl. fünf Jahre altem Motoröl. Und: Der Verdacht einer schlechten Reparatur entfällt bei einer nicht vorgenommenen Reparatur ebenfalls.

Also hätte der Geschädigte bei einer Verkaufsabsicht für das Fahrzeug bis zum neuerlichen Unfall werben dürfen: „Scheckheftgepflegt, aber leichter Hagelschaden“. Der Käufer, der auf einen bestmöglichen technischen Erhaltungszustand aus ist, aber einen kosmetischen Schaden für den Vorteil eines günstigeren Verkaufspreises toleriert, wird dieses Fahrzeug dem „Nicht scheckheftgepflegt und leichter Hagelschaden“ vorziehen. Damit ist der Schutzzweck, den der BGH hochhält, noch immer gegeben.

Eine kleine Fallvariante: wenn der Hagelschaden neu ist

Unterstellt man in minimaler Abwandlung des Falls, dass der Hagelschaden erst wenige Tage alt ist und noch gar nicht repariert werden konnte, weil der Teilkaskoversicherer sich noch nicht geäußert hat: In dem Fall wäre es eine durch nichts zu erklärende Benachteiligung des nunmehr Unfallgeschädigten, wenn seine bisherigen Investitionen in das Prädikat „scheckheftgepflegt“ damit pulverisiert würden. Dasselbe gilt aber im obigen Sinne auch für den älteren kosmetischen Schaden.

Weiterführender Hinweis
  • Textbaustein 624: Jedenfalls ein kleiner Altschaden kostet nicht den Schutz des „scheckheftgepflegt“ bei der fiktiven Abrechnung (H) → Abruf-Nr. 50265621

AUSGABE: UE 1/2025, S. 15 · ID: 50265585

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