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RegressVersicherer will mit neuer absurder Idee subjektbezogenen Schadenbegriff nicht anwenden
| Eine neue Idee, die zum Scheitern verurteilt ist, trägt ein Versicherer vor, um Sand ins Getriebe der reibungslosen und BGH-konformen Schadenregulierung zu streuen: Er verweigert dem Geschädigten gegenüber die direkte Zahlung an die Werkstatt, zahlt stattdessen an die anwaltliche Vertretung des Geschädigten und will daher den subjektbezogenen Schadenbegriff nicht anwenden. Er behauptet, der Zahlung an die Werkstatt etc. stünden zwingende rechtliche Gründe entgegen. UE widerlegt die Behauptung. |
Subjektbezogener Schadenbegriff und BGH-Rechtsprechung
Die Anwendung des subjektbezogenen Schadenbegriffs setzt nach der feinjustierten Rechtsprechung des BGH bekanntlich dreierlei voraus:
- 1. Der Geschädigte macht die nicht (offen) abgetretene Schadenersatzforderung selbst geltend.... setzt nach der Rechtsprechung des BGH dreierlei voraus
- 2. Der Geschädigte verlangt vom Versicherer die direkte Zahlung an die Werkstatt, den Schadengutachter, den Autovermieter etc.
- 3. Der Geschädigte tritt eventuelle Rückforderungsansprüche gegen die Werkstatt, den Schadengutachter, den Autovermieter etc. an den Versicherer ab.
Die Zahlung direkt an die Werkstatt etc. soll dabei sicherstellen, dass der Geschädigte das Geld nicht treuwidrig behält. Täte er das nämlich, ginge die Abtretung seines eventuellen Rückforderungsanspruchs an den Versicherer ins Leere. Denn was die Werkstatt nicht bekommen habe, müsse sie unter keinen Umständen an den Geschädigten zurückgeben, weil „zurück“ eben auch „hin“ voraussetze.
Das ist nachvollziehbar, und deshalb geht die gut geschulte Anwaltschaft so nun auch vor: Sie verlangt die Zahlung direkt an den Rechnungssteller, Zug um Zug (das ist nach der Rechtsprechung des BGH unvermeidlich!) gegen Abtretung der eventuellen Rückforderungsansprüche des Geschädigten gegen den Rechnungssteller.
Idee: Vermeintliche Zahlung in Kenntnis einer Nichtschuld
Völlig offensichtlich kann sich der durchschnittliche Kraftfahrtversicherer angesichts des Schaden-Kosten-Verhältnisses, das auch im Jahr 2024 trotz nicht BGH-konformer Schadenregulierung überwiegend negativ ist, eine korrekte Schadenregulierung nicht leisten. Deshalb werden alle Register gezogen, dem subjektbezogenen Schadenbegriff zu entgehen.
Nun meint der Versicherer, er sei sich sicher, dass die Werkstatt zu viel berechne, weshalb er in den Regress gegen die Werkstatt gehen wolle. Und genau deshalb könne er nicht an die Werkstatt bezahlen. Denn dann bezahle er doch in Kenntnis einer Nichtschuld. Und was in Kenntnis einer Nichtschuld gezahlt werde, könne bekanntlich – so der Inhalt von § 814 BGB – nicht zurückgefordert werden. Die Konstruktion des BGH leide daher an einem Konstruktionsfehler, den der BGH korrigieren müsse.
Weil er nun nicht an den Rechnungsempfänger zahlen könne, müsse er auch den subjektbezogenen Schadenbegriff nicht anwenden.
Die rechtliche Einordnung: Keine Zahlung auf Nichtschuld
Es muss strikt unterschieden werden zwischen einer „Schadenersatzleistung“ und der „Bezahlung der Rechnung“.
Der Versicherer bezahlt nie die Rechnung. Das kann man schon daran erkennen, dass es keine auf den Versicherer ausgestellte Rechnung gibt. Die ist nämlich auf den Auftraggeber auszustellen. Der muss die Rechnung bezahlen. Dafür erhält er vom Versicherer das Geld in Form der Schadenersatzleistung.
Das gilt auch, wenn die Schadenersatzleistung direkt vom Versicherer an den Rechnungssteller fließt. Denn das ist nur eine Abkürzung des Weges „Versicherer an Geschädigten – Geschädigter an Rechnungssteller“. Kommt diese umgeleitete Schadenersatzzahlung beim Rechnungssteller an, bucht der den Geldeingang auf die Rechnung. Denn so ist es mit dem Kunden – mindestens wortlos – vereinbart. Durch die Buchung des eingehenden Schadenersatzes auf die Rechnung erlischt in dieser Höhe die Forderung des Rechnungsstellers gegen den Kunden. Deshalb hat der BGH im Urteil vom 16.01.2024, Az. VI ZR 253/22, Abruf-Nr. 239194, dort unter Rz. 28, klargestellt: „(Vollstreckungs-)Gläubiger bleibt auch in diesem Fall allein der Geschädigte. Die Werkstatt erhält lediglich eine Empfangszuständigkeit.“
Weil der Versicherer nun also nicht auf eine ihn belastende „Schuld bei der Werkstatt“ bezahlt, sondern pflichtgemäß seine „Schuld beim Geschädigten“ begleicht, nur eben auf das Konto der Werkstatt, ist das keine Zahlung auf eine Nichtschuld. Es ist auch kein Hindernis für seine beabsichtigte Rückforderung. Im Gegenteil, denn, so der BGH in derselben Urteilspassage: „Dem Schädiger bleibt die Möglichkeit, von der Werkstatt den etwa überzahlten Betrag zurückzufordern.“
Die Reaktionsmöglichkeit für die anwaltliche Vertretung
Der anwaltlichen Vertretung steht nun eine Hebegebühr für die Verwaltung des Fremdgeldes zu. Und sie muss entscheiden, ob sie dem Versicherer den Unsinn seiner Idee zu erklären versucht oder – unter Vortrag, dass das in der Kanzlei eingegangene Geld an den Rechnungsempfänger weitergeleitet wurde – den Kürzungsbetrag sofort einklagt.
AUSGABE: UE 12/2024, S. 7 · ID: 50245029