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WerbungskostenDoppelte Haushaltsführung: BFH mindert Anforderungen bei Ein-Personen-Haushalten
| Eine doppelte Haushaltsführung kann nur vorliegen, wenn ein eigener Hausstand vorhanden ist. Ob ein solcher eigener Hausstand aber tatsächlich vorliegt, ist oft umstritten. Auch der BFH musste sich jüngst – bei einem Ein-Personen-Haushalt – damit befassen. SSP nimmt die steuerzahlerfreundliche Entscheidung des BFH zum Anlass, das Thema „eigener Hausstand“ einmal grundsätzlich aufzurollen. |
Die Abzugsbasics zur doppelten Haushaltsführung
Damit Sie notwendige Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung von der Einkommensteuer absetzen können, müssen drei Anforderungen erfüllt sein:
- 1. Die doppelte Haushaltsführung muss beruflich (bei Arbeitnehmern – § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG) oder betrieblich (Unternehmer – § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6a EStG) veranlasst sein.... wie für Unternehmer
- 2. Sie müssen außerhalb des Ortes Ihrer ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhalten (Hauptwohnung).
- 3. Und Sie müssen auch am Ort Ihrer ersten Tätigkeitsstätte wohnen (Zweitwohnung). Die Anzahl der Übernachtungen ist dabei unerheblich (BFH, Urteil vom 09.06.1988 Az. VI R 85/85).
Der eigene Hausstand als Hauptabzugshindernis
Kernvoraussetzung für den Abzug einer doppelten Haushaltsführung ist oben aufgeführte Nr. 2. Ihre Hauptwohnung zählt dabei dann am Ort ihrer ersten Tätigkeitsstätte belegen, wenn Sie von dieser Ihre erste Tätigkeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen können. Eine Fahrzeit von bis zu einer Stunde je Wegstrecke unter Zugrundelegung individueller Verkehrsverbindungen und Wegezeiten sieht der BFH dabei als zumutbar an (BFH, Urteil vom 16.11.2017, Az. VI R 31/16, Abruf-Nr. 199089).
Wichtig | Damit Ihre Hauptwohnung außerhalb des Ortes Ihrer ersten Tätigkeitsstätte liegt, muss sich diese folglich außerhalb des Fahrtzeit-Umkreises von bis zu einer Stunde um ihre erste Tätigkeitsstätte herum befinden. Es genügt also nicht, wenn sich Ihre Hauptwohnung lediglich in einer nahegelegenen Nachbargemeinde befindet.
Beispiel 1 |
Arbeitnehmer V unterhält in der Stadt A einen eigenen Haushalt. In der Stadt B arbeitet er und dort unterhält er auch einen Zweithaushalt. Für die Fahrten von A nach B benötigt V je Fahrt etwa 45 Minuten. |
Lösung: Eine doppelte Haushaltsführung liegt nicht vor, weil der eigene Haushalt nicht außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte liegt (Fahrtzeit < eine Stunde). |
Von diesem Grundsatz macht das BMF aber eine Ausnahme: Für die Frage, ob die Hauptwohnung am Ort Ihrer ersten Tätigkeitsstätte belegen ist, kann zur Vereinfachung die Entfernung der kürzesten Straßenverbindung im Sinne der Entfernungspauschale (§ § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG) zwischen Ihrer Hauptwohnung und Ihrer ersten Tätigkeitsstätte herangezogen werden. Beträgt diese Entfernung mehr als 50 km, ist pauschal davon auszugehen, dass sich Ihre Hauptwohnung außerhalb des Ortes Ihrer ersten Tätigkeitsstätte befindet. Und zwar auch dann, wenn die Fahrtzeit weniger als eine Stunde beträgt BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Az. IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Abruf-Nr. 219235).
Beispiel 2 |
... ist ein Abzugs-
tatbestand erfüllt Wie Beispiel 1, nur beträgt die einfache Entfernung zwischen der Wohnung von V in Stadt A bis zu seiner ersten Tätigkeitsstätte in Stadt B 55 Kilometer. Für diese Strecke werden typischerweise 45 Minuten benötigt. Lösung: Zwar beträgt die Fahrtzeit zwischen Hauptwohnung und erster Tätigkeitsstätte nicht mehr als eine Stunde, weshalb grundsätzlich kein eigener Hausstand außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte und damit keine doppelte Haushaltsführung vorliegt. Beruft sich V aber auf die Vereinfachung des BMF, wird dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, weil die Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mehr als 50 km beträgt. |
Die Gretchenfrage: Wann liegt ein eigener Hausstand vor?
Voraussetzung für einen eigenen Hausstand sind drei Dinge (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG):
- 1. Das Innehaben einer Wohnung.
- 2. Eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung.
- 3. Die Wohnung muss den Lebensmittelpunkt darstellen.
1. Innehaben einer Wohnung
Erforderlich ist eine eingerichtete und Ihren Lebensbedürfnissen entsprechende Wohnung. Ob Sie diese Wohnung aus eigenem Recht als Eigentümer oder Mieter bzw. aus gemeinsamen oder abgeleitetem Recht (wie z. B. als Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte sowie Mitbewohner) innehaben, ist unerheblich (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 101).
Die Finanzverwaltung erkennt einen eigenen Hausstand auch dann an, wenn die Wohnung zwar alleine von Ihrem Lebensgefährten gemietet wird, Sie sich aber mit Duldung Ihres Lebensgefährten dauerhaft dort aufhalten und sich finanziell derart an der Haushaltsführung beteiligen, dass daraus auf eine gemeinsame Haushaltsführung zu schließen ist.
Wichtig | Nicht erforderlich ist, dass es sich bei dem Hausstand um eine Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne handelt (BFH, Urteil vom 14.10.2004, Az. VI R 82/02, Abruf-Nr. 043001).
Ein eigener Hausstand liegt aber nicht vor, wenn Sie – auch gegen Kostenbeteiligung – in den Haushalt Ihrer Eltern eingegliedert sind oder in der Wohnung Ihrer Eltern nur ein Zimmer bewohnen (BFH, Urteil vom 05.10.1994, Az. VI R 62/90). Erforderlich ist nämlich, dass Sie als der Teil anzusehen sind, der die Haushaltsführung wesentlich bestimmt bzw. mitbestimmt. Das ist bei einer Eingliederung in Ihren elterlichen Haushalt nicht der Fall.
Praxistipp | Sollten Ihre Eltern Ihnen hingegen eine Wohnung unentgeltlich zur Nutzung überlassen, dann haben Sie diese Wohnung inne. Das hat der BFH soeben zu Ihren Gunsten entschieden (BFH, Urteil vom 29.04.2025, Az. VI R 12/23, Abruf-Nr. 249404). |
Wichtig | Ob eine Eingliederung in den Haushalt Ihrer Eltern oder ein eigener Haushalt vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen. Bei jungen Kindern, die sich in Ausbildung befinden und eine Wohnung gemeinsam mit den Eltern nutzen, ist deshalb regelmäßig davon auszugehen, dass sie in den Haushalt der Eltern eingegliedert sind. Bei einem älteren, wirtschaftlich selbstständigen Kind, das mit den Eltern gemeinsam eine Wohnung nutzt, kann dagegen vermutet werden, dass es die gemeinsame Haushaltsführung wesentlich mitbestimmt, sodass ein eigener Haushalt vorliegt. Das gilt vor allem dann, wenn das Kind bereits andernorts einen eigenen Hausstand geführt hat und später wieder eine Wohnung im Elternhaushalt bezieht (BFH, Urteil vom 28.03.2012, Az. VI R 87/10, Abruf-Nr. 121582).
Beispiel 3 |
L ist 18 Jahre alt. Er bewohnt in seinem Elternhaus ein Zimmer und studiert auswärts. An seinem Studienort hat er eine kleine Wohnung gemietet. Lösung: L kann keine Kosten für eine doppelte Haushaltsführung absetzen, weil er im Elternhaushalt keine Wohnung innehat. Vielmehr ist er als junges in Ausbildung befindliches Kind in den Elternhaushalt eingegliedert. |
2. Finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung
Die Finanzverwaltung setzt hier die Beteiligung an den „laufenden Kosten der Lebensführung“ voraus. Eine finanzielle Beteiligung mit Bagatellbeträgen reicht nicht aus (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 102).
Wichtig | Um von einer finanziellen Beteiligung oberhalb der Bagatellgrenze ausgehen zu können, müssen Ihre Barleistungen nach Auffassung der Finanzverwaltung mehr als zehn Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der Lebensführung (z. B. Miete, Mietnebenkosten, Kosten für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs) betragen.
Übernahme von Arbeiten ist keine Haushaltsbeteiligung Praxistipp | Liegen die Barleistungen unterhalb der Zehn-Prozent-Grenze, können Sie die finanzielle Beteiligung auch auf andere Art und Weise darlegen. Eine Haushaltsbeteiligung durch die Übernahme von Arbeiten im Haushalt oder Dienstleistungen für den Haushalt werden jedoch nicht anerkannt. Zudem ist bei Ehegatten oder Lebenspartnern mit den Steuerklassen III, IV oder V eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung pauschal zu unterstellen. |
Der BFH sieht das nicht so kleinlich. Weil sich weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung eine bestimmte betragsmäßige Grenze für die Kostenbeteiligung ergibt oder gefordert wird, dass es sich um eine laufende Beteiligung an den Kosten handeln muss, genügen für die finanzielle Beteiligung auch Einmalzahlungen. Sogar dann, wenn diese jeweils am Jahresende geleistet werden. Doch auch wenn der BFH die Zehn-Prozent-Grenze der Finanzverwaltung nicht als maßgebend ansieht, darf auch nach seiner Auffassung die finanzielle Beteiligung an den Kosten des Hausstands nicht erkennbar unzureichend sein (BFH, Urteil vom 12.01.2023, Az. VI R 39/19, Abruf-Nr. 234960).
Ausgaben von 1.410 Euro waren für den BFH ausreichend Praxistipp | Wann für den BFH eine unzureichende Kostenbeteiligung vorliegt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Denn die Umstände des Einzelfalls sind maßgebend. Im Streitfall lag eine ausreichende Kostenbeteiligung vor, weil der Steuerzahler Lebensmittel und Getränke in Höhe von 1.410,47 Euro erwarb. |
Zudem hat der BFH jüngst klargestellt, dass eine finanzielle Kostenbeteiligung nur bei einem Mehrpersonenhaushalt erforderlich ist. Denn nur wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, können Sie sich an den Kosten dieses Haushalts und damit an den Kosten der Lebensführung „beteiligen“. Umgekehrt bedeutet das: Führen Sie einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von Ihnen getragen. Woher die erforderlichen Mittel stammen – aus Ihren eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken – ist insoweit unerheblich. Denn an der Finanzierung des eigenen Haushalts bzw. der eigenen Lebensführung ändert die Herkunft der Mittel nichts (BFH, Urteil vom 29.04.2025, Az. VI R 12/23, Abruf-Nr. 249404).
Beispiel 4 |
... zur Kostenbeteiligung im Ein-
Personen-Haushalt Die Eltern des 28-jährigen B haben ihm sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur alleinigen und ausschließlichen Nutzung unentgeltlich überlassen. Es handelt sich dabei um eine eigene Wohnung, die B nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Die Wohnung ist gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich nicht abgeschlossen. Lösung: B hat die Wohnung im Obergeschoss inne. Der Umstand, dass es sich um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Auch der Umstand, dass die von B bewohnte Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss |
baulich nicht abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands unerheblich. Zudem ist B auch nicht in den Haushalt der Eltern eingegliedert, weil sich deren Haushalt auf das Erdgeschoss erstreckt. Auch die Frage nach der Kostenbeteiligung stellt sich nicht, weil es sich im Obergeschoss um einen Ein-Personen-Haushalt handelt. Die unentgeltliche Überlassung der Wohnung durch die Eltern ist damit unschädlich. B kann Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung absetzen, wenn die anderen Voraussetzungen erfüllt sind (BFH, Urteil vom 29.04.2025, Az. VI R 12/23, Abruf-Nr. 249404). |
3. In der Wohnung belegener Lebensmittelpunkt
Die Wohnung muss auch Ihren auf Dauer angelegten Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden. Erforderlich ist deshalb, dass Sie die Wohnung in regelmäßigen Abständen aufsuchen, sodass Sie sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhalten. Alleine das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte genügt nicht, damit ein doppelter Haushalt anerkannt wird. Dieses regelmäßige Aufsuchen wird in der Praxis umso schwerer, je weiter die Wohnung von Ihrer ersten Tätigkeitsstätte entfernt ist. Deshalb genügt der Finanzverwaltung bei einer im Ausland belegenen Wohnung bereits eine Heimfahrt im Kalenderjahr aus, um diesen Hausstand als Lebensmittelpunkt anzuerkennen (R 9.11 Abs. 3 S. 5 LStR). Voraussetzung ist aber, dass in der im Ausland belegenen Wohnung auch bei Abwesenheit ein hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem Sie sich sowohl durch persönliche Mitwirkung als auch finanziell maßgeblich beteiligen.
Auch Ex-Patriateskönnen einen doppelten Haushalt führen Praxistipp | Bei Wohnungen in weit entfernten Ländern (z. B. Australien, Indien, Japan, Korea und den Philippinen) reicht es aus, wenn innerhalb von zwei Jahren mindestens eine Heimfahrt unternommen wird (R 9.11 Abs. 3 S. 6 LStR) und in der Abwesenheitszeit in der Wohnung ein hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem Sie sich finanziell und durch persönliche Mitwirkung beteiligen. |
Die Konsequenz für die Praxis
Der Abzug von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung ist in der Praxis oft streitbefangen. Sie sollten sich davon aber nicht abschrecken lassen. Denn BFH-Urteile wie das vom 29.04.2025 (Az. VI R 12/23, Abruf-Nr. 249404) zeigen, dass es nicht nur auf den Einzelfall ankommt, sondern vor allem auch die einzelnen Tatbestände sorgfältig zu prüfen sind.
Das bedeutet, dass Sie in einem ersten Schritt vor allem die Wohnsituation am Ort des Lebensmittelpunkts beurteilen müssen. Hier ist die Entscheidung zu treffen, ob überhaupt ein Haushalt in einer Wohnung geführt wird, die nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Erst danach ist zu klären, ob auch eine Beteiligung an den Kosten der Lebensführung für diesen Haushalt erfolgt ist. Das gilt aber nur für Mehrpersonenhaushalte. Bei einem Ein-Personen-Haushalt ist das Tatbestandsmerkmal der Kostenbeteiligung nach neuester Rechtsprechung des BFH hinfällig.
AUSGABE: SSP 9/2025, S. 11 · ID: 50517416