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FamilienverträgeDie Familiengenossenschaft: Neues Gestaltungsmodell zum Steuern sparen oder Luftnummer?

Top-BeitragAbo-Inhalt21.08.2025365 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| In den sozialen Medien wird zunehmend über ein neues Steuergestaltungsmodell mittels Gründung einer Familiengenossenschaft berichtet. Ziel der Gestaltung ist es, mit der Familiengenossenschaft grundsätzlich privat veranlasste Ausgaben der Mitglieder steuerlich abzusetzen und zugleich einen Vorsteuerabzug zu erhalten. Aufgrund der immensen Vorteile stellt Ihnen SSP das Gestaltungsmodell vor. Dabei werden aber auch die Risiken erläutert. Denn die Finanzverwaltung spricht sich eindeutig gegen die Anerkennung des Modells aus. |

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Das „Geschäftsmodell“ der Familiengenossenschaft

Familiengenossenschaften sind Genossenschaften, bei denen die Mitglieder zumindest im Kern nur aus den Angehörigen einer Familie bestehen. Allgemein schreibt das Genossenschaftsgesetz in § 1 Abs. 1 GenG, dass Genossenschaften „den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb fördern“ sollen. Getreu diesen Gedankens muss sich die Familiengenossenschaft um die Mitglieder – also um die Familie – kümmern. Und genau daraus wurde das Gestaltungsmodell kreiert:

Die meisten Familiengenossenschaften tätigen in vielfältigster Weise Aufwendungen, die der privaten Lebensführung eines oder mehrerer ihrer Mitglieder zuzurechnen sind. Das sind z. B. Aufwendungen für Fahrzeuge, Urlaubsreisen, Schwimmbad- und Restaurantbesuche, Kleidung, Fahrschulkurse, Sportboote, Supermarkteinkäufe und Kosten für Haustiere. Manchmal werden sogar Wohnimmobilien auf die Genossenschaft übertragen und diese überlässt die Immobilien im Anschluss gegen ein nicht marktgerechtes bzw. ein unter den Selbstkosten liegendes Entgelt den Mitgliedern.

Diese Kosten, die die Familiengenossenschaft treffen, müssen natürlich refinanziert werden. Daher betreibt die Genossenschaft regelmäßig parallel ein bisher von der Familie bzw. einem der Mitglieder geführtes Unternehmen.

Die Brisanz: Nach Auffassung der Familiengenossenschaften soll es sich bei diesem Aufwand, der die private Lebensführung der Mitglieder betrifft, nicht nur um abzugsfähige Betriebsausgaben handeln. Denn durch den Aufwand wird wie in § 1 Abs. 1 GenG gefordert „der Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange“ gefördert. Sondern der Aufwand soll parallel auch vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigen, weil er der Förderung der Mitglieder und damit dem Unternehmen der Genossenschaft dient.

Wichtig | Sollte die Rechtsauffassung zutreffen, wäre die Familiengenossenschaft die ideale Rechtsform, um privat veranlasste Aufwendungen von der Steuer abzusetzen und zusätzlich noch den lukrativen Vorsteuerabzug für privaten Konsum zu erhalten.

Finanzverwaltung sieht die Rechtslage anders

Soweit ersichtlich haben sich bisher zwei Finanzverwaltungen zu dem Thema öffentlich positioniert und Verfügungen erlassen (Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung vom 02.04.2025, Az. S 7300.2.1-228/10 St33, Abruf-Nr. 249533 sowie FinMin Sachsen-Anhalt, Verfügung vom 19.10.2023, Az. 42 – S 2702-3, Abruf-Nr. 249535). Beide Verfügungen vertreten inhaltlich die gleiche Rechtsauffassung: Das Modell der Familiengenossenschaft führt nicht zu den begehrten Steuerentlastungen. Die Begründung lautet wie folgt:

Stellungnahme 1: Betriebsausgabenabzug

Die Aufwendungen der Familiengenossenschaft, die der privaten Lebensführung eines oder mehrerer ihrer Mitglieder zuzurechnen sind, führen im Ergebnis nicht zu einer Steuerentlastung durch abzugsfähige Betriebsausgaben, weil es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen handelt (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG). Die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung gelten auch bei Genossenschaften und es besteht keine Notwendigkeit, speziell für Genossenschaften eine eigenständige Definition der verdeckten Gewinnausschüttung zu entwickeln. So hat bereits der BFH am 20.01.1993 (Az. I R 55/92) geurteilt, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung auch bei einer Genossenschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Mitgliedschaftsverhältnis zur Genossenschaft veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht, ist. Bei Genossenschaften ist lediglich die besondere Aufgabenstellung der Genossenschaft, wie sie sich aus § 1 Abs. 1 GenG ergibt, zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 28.11.2015, Az. I R 10/13, Abruf-Nr. 183987). Weil ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Genossenschaft den privat veranlassten Vermögensvorteil dem Mitglied der Genossenschaft nicht zugewendet hätte, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.

Die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung soll sich nach dem gemeinen Wert des Vorteils unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinnaufschlags bemessen. Eine Begrenzung auf die Selbstkosten (BFH, Urteil vom 11.10.1989, Az. I R 208/85, Rz. 11) kommt nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht in Betracht, weil die Gestaltung nicht dem genossenschaftlichen Grundgedanken entspricht.

Zudem hat die Förderung der Mitglieder der Familiengenossenschaft gemäß § 1 Abs. 1 GenG „durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb“ zu erfolgen. Die schlichte Zuwendung von Vermögensvorteilen an Mitglieder ist aber gerade kein Ausfluss eines „gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs“, selbst wenn die Zuwendung der Satzung der Genossenschaft entspricht. Auch aus diesem Grund lassen sich solche Zuwendungen nicht mit dem Aufgabenbild eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft vereinbaren, weshalb verdeckte Gewinnausschüttungen vorliegen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.01.2025, Az. 11 K 11042/24, Abruf-Nr. 249536; Nichtzulassungsbeschwerde [NZB] beim BFH anhängig, Az. I B 3/25).

Stellungnahme 2: Vorsteuerabzug

Auch der begehrte Vorsteuerabzug wird nicht anerkannt. Das liegt daran, dass ein Unternehmer gemäß § 15 Abs. 1 UStG nur insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wie er beabsichtigt, Leistungen für sein Unternehmen – und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen – zu verwenden (vgl. 15.2b Abs. 2 UStAE und BFH, Urteil vom 27.01.2011, Az. V R 38/09, Abruf-Nr. 110877). Soweit die Leistungen jedoch wie bei dem Modell der Familiengenossenschaft für unternehmensfremde Tätigkeiten – für private Zwecke der Mitglieder – bezogen werden, ist ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen (vgl. 2.3 Abs. 1a UStAE und BFH, Urteil vom 03.03.2011, Az. V R 23/10, Abruf-Nr. 112000).

Fazit: Lassen Sie (erstmal) die Finger von dem Modell

Auch wenn die in den Medien beworbene Gestaltung durch Gründung von Familiengenossenschaften durchaus verlockend klingen mag, sollten Sie davon absehen. Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung steht eindeutig gegen das Modell, und das Risiko, dass Ihr Finanzamt die Gestaltung nicht anerkennt, ist groß. Zudem sind mit der Umsetzung des Modells hohe Kosten verbunden, sodass sich das Konstrukt sehr wahrscheinlich zu einem finanziellen Desaster entwickeln wird.

Praxistipp | Möchten Sie das Modell trotzdem nicht aus den Augen verlieren, bieten sich Ihnen – im Vergleich zur sofortigen Umsetzung – zwei bessere Optionen:

  • 1. Zunächst können Sie vorab bei Ihrem Finanzamt einen kostenpflichtigen Antrag auf verbindliche Auskunft stellen (§ 89 Abs. 2 AO). So können Sie eruieren, wie Ihr Finanzamt das Modell der Familiengenossenschaft beurteilt. Höchstwahrscheinlich erhalten Sie aber eine Absage, indem das Finanzamt die Auffassung vertritt, dass sich durch das Modell verdeckte Gewinnausschüttungen ergeben und kein Vorsteuerabzug möglich ist.
  • 2. Noch empfehlenswerter ist es, die beim BFH anhängige NZB (Az. I B 3/25) zu verfolgen. In diesem Verfahren (s. auch oben) geht es explizit um eine Familiengenossenschaft, die privat veranlasste Aufwendungen ihrer Mitglieder getragen hat, die sowohl das Finanzamt als auch das FG Berlin-Brandenburg als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt haben. Sollte der BFH die NZB zulassen und im späteren Verfahren das Urteil des FG aufheben und keine verdeckten Gewinnausschüttungen sehen, wäre – zumindest bis zu einer potenziellen Gesetzesänderung – das Gestaltungsmodell für Familiengenossenschaften gerichtlich abgesichert.

AUSGABE: SSP 9/2025, S. 5 · ID: 50506999

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