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Umgang mit dem FinanzamtZwangsgeld: So entsteht es – und so wird es (rückwirkend!) vermieden
| Laufend setzen Finanzbeamte verfahrensrechtliche Pflichten der Steuerzahler mit Zwangsgeldern durch. Doch welche Voraussetzungen muss der Beamte dabei beachten? Wie kann der Steuerzahler das Zwangsgeld rückwirkend – also nachdem es bereits festgesetzt wurde – umgehen? Und vor allem: Wann haftet bei einem steuerlich beratenen Steuerzahler der Steuerberater bzw. Lohnsteuerhilfeverein für ein festgesetztes Zwangsgeld? SSP beantwortet alle Fragen. |
Der verfahrensrechtliche Weg zum Zwangsgeld
Die Steuergesetze und auch die AO verlangen von Ihnen diverse Handlungen. Bspw. müssen Sie angeforderte Auskünfte erteilen (§ 93 AO), angeforderte oder verpflichtend abzugebende Steuererklärungen einreichen (§ 149 AO) und auch Steuerbilanzen elektronisch übermitteln (§ 150 Abs. 8 AO i. V. m. § 5b EStG). Zudem kann Sie das Gesetz auch zu einer Duldung oder einem Unterlassen verpflichten. Das betrifft z. B. die Pflicht, eine angekündigte Betriebsprüfung zu dulden (§ 193 ff. AO).
Gemeinsam haben alle Pflichten, dass sie auf Verwaltungsakten beruhen. Doch was ist, wenn Sie den Pflichten nicht nachkommen? Grundsätzlich hat das Finanzamt dann mehrere Möglichkeiten. Es könnte z. B. die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO) oder den Abzug von Betriebsausgaben verweigern (§ 160 AO). Es kann aber auch den Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchsetzen (§ 328 Abs. 1 AO).
Wichtig | Die Befolgung eines Verwaltungsakts, der nicht wirksam ist, kann nicht mit Zwangsmitteln erzwungen werden. Das ist z. B. der Fall, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist oder nicht wirksam bekanntgegeben wurde. Zudem darf die Befolgung ausgesetzter Verwaltungsakte nicht erzwungen werden (§ 361 AO).
Entscheidet sich der Beamte für den Weg der Zwangsmittel, hat er bei der Auswahl des Zwangsmittels einen Ermessensspielraum. Denn er muss sich zwischen dem Zwangsgeld (§ 329 AO), der Ersatzvornahme (§ 330 AO) und dem unmittelbaren Zwang (§ 331 AO) entscheiden. Diese Ermessensentscheidung wird allerdings durch § 328 Abs. 2 AO eingeschränkt. Danach ist das Zwangsmittel zu bestimmen, durch das Sie und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt werden, und das Zwangsmittel muss in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen. Aus diesem Grund ist das Mittel der Wahl in der Praxis regelmäßig das Zwangsgeld. Denn die Ersatzvornahme und auch der unmittelbare Zwang stellen typischerweise eine deutlich höhere Belastung dar.
Vor der Zwangsgeldfestsetzung: Die Zwangsgeldandrohung
Der Finanzbeamte kann nicht sofort ein Zwangsgeld festsetzen, wenn Sie gegen eine Pflicht verstoßen haben. Er muss es Ihnen gegenüber erst schriftlich androhen und eine angemessene Frist zur Erfüllung der geforderten Handlung einräumen (§ 332 AO). Regelmäßig ist das ein Zeitraum von zwei bis vier Wochen. Dieser Zeitraum lässt sich gemäß § 109 AO unter Angabe guter Gründe mit einem gesonderten Antrag auf (rückwirkende) Fristverlängerung verlängern.
Innerhalb der Androhung muss der Beamte auch aufführen, wegen welcher Pflichtverletzung das Zwangsgeld festgesetzt werden soll und auf welche Höhe es sich belaufen wird. Die konkrete Höhe des Zwangsgelds schreibt die AO nicht vor. § 329 AO besagt lediglich, dass das einzelne Zwangsgeld maximal 25.000 Euro betragen darf. Daher muss der Finanzbeamte nach pflichtgemäßem Ermessen die Höhe des Zwangsgelds individuell für Sie festlegen (§ 5 AO). Zudem muss die Androhung für jede Verpflichtung gesondert unter Nennung der Zwangsgeldhöhe erfolgen.
Beispiel |
... des Zwangsgelds benennen Lösung: Es bestehen drei Pflichten. Deshalb muss der Beamte drei Zwangsgelder schriftlich androhen – und zwar der Höhe nach getrennt für jede Pflicht. Weil sich der Höchstbetrag von 25.000 Euro auf die einzelne Pflicht bezieht, können maximal 75.000 Euro angedroht werden. In der Praxis werden je Pflicht jedoch regelmäßig deutlich geringere Beträge (im unteren dreistelligen Bereich) angedroht. |
Wichtig | Die Androhung eines Zwangsgelds stellt einen Verwaltungsakt dar, sodass Sie dagegen Einspruch einlegen können. Das bietet sich vor allem dann an, wenn Sie der Auffassung sind, dass z. B. überhaupt keine durchzusetzende Pflicht besteht oder der Finanzbeamte seine Ermessensentscheidung zur Bestimmung der Höhe des Zwangsgelds falsch ausgeübt hat.
So lassen sich bereits festgesetzte Zwangsgelder umgehen
Erst wenn die Verpflichtung innerhalb der in der Androhung gesetzten Frist nicht erfüllt wurde, setzt der Finanzbeamte das Zwangsgeld durch einen gesonderten Zwangsgeldbescheid fest (§ 333 AO). Durch diesen Festsetzungsbescheid werden Sie zur Zahlung des zuvor nur angedrohten Zwangsgeldes aufgefordert. Es handelt sich auch bei dem Festsetzungsbescheid um einen Verwaltungsakt, gegen den Sie Einspruch erheben können.
Zahlen Sie das Zwangsgeld nicht innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist, dann droht Ihnen die Zwangsvollstreckung. Sie müssen also damit rechnen, dass das Finanzamt das gegen Sie festgesetzte Zwangsgeld auch vollstreckt – und z. B. eine Bankkonten- oder Lohnpfändung ausspricht oder der Vollziehungsbeamte Sie an Ihrer privaten Wohnungsanschrift besucht und nach pfändbaren Gegenständen und Vermögenswerten sucht. Es empfiehlt sich also, schnell zu handeln.
Wichtig | Befinden Sie sich bisher nicht mit anderen Steuerschulden beim Finanzamt in der Vollstreckung, wird das Finanzamt Ihnen typischerweise zunächst eine Mahnung erteilen. Erst danach droht die Zwangsvollstreckung.
Zwar sollten Sie schnell handeln, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden. Das Zwangsgeld sollten Sie aber lieber nicht zahlen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Sie können das Zwangsgeld umgehen, auch wenn es bereits festgesetzt wurden. Denn wird noch vor der Zahlung des Zwangsgelds die geforderte Verpflichtung erfüllt und z. B. die angeforderte Steuererklärung abgegeben, ist gemäß § 335 AO der Vollzug des Zwangsgelds einzustellen. Das Finanzamt darf dann also kraft Gesetzes das Zwangsgeld nicht mehr beitreiben oder durch Aufrechnung tilgen. Damit sind auch sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen im Hinblick auf das festgesetzte Zwangsgeld hinfällig.
Beispiel |
... schon fest-
gesetztes Zwangsgeld vermeiden Lösung: Der Vollzug des Zwangsgeldes ist gemäß § 335 AO einzustellen. Damit darf das Finanzamt die 150 Euro nicht mehr fordern und auch nicht aufrechnen. |
Wichtig | Wurde das Zwangsgeld aber bereits gezahlt (egal ob freiwillig im Rahmen einer Vollstreckungsmaßnahme oder durch die Verrechnung mit einer Steuerforderung), wird das Finanzamt es behalten. Das gilt auch dann, wenn nach erfolgter Zahlung der Verpflichtung nachkommen und z. B. die angeforderte Steuererklärung abgeben wird. Sollte Herr Leder im obigen Beispiel das Zwangsgeld am 19.06.2025 bezahlt haben, hat er Pech gehabt.
Wann haften Steuerberater bzw. Lohnsteuerhilfeverein?
Wurde vom Finanzamt ein Zwangsgeld festgesetzt und wurde es auch bezahlt, ist die Belastung definitiv. Möchten Sie die Belastung dennoch vermeiden, bleibt Ihnen bloß eine Möglichkeit: Sie müssen einen Schuldigen finden und diesen für das Zwangsgeld haftbar machen. Doch wer könnte das sein?
Werden Sie von einem Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein vertreten, dann ist es naheliegend, von diesem die Haftung für das Zwangsgeld zu verlangen. Doch Ihr Vertreter muss nur für Fehler einstehen, wenn er gegen seine Pflichten verstoßen hat. Damit müssen Sie im ersten Schritt prüfen, welche Pflichten Ihr Vertreter überhaupt hat und auf welcher verletzten Pflicht das Zwangsgeld beruht. Besteht eine Identität zwischen der Pflicht und der Pflichtverletzung, dann ist eine Haftung denkbar. Die Pflichtverletzung muss also ursächlich (kausal) für das Zwangsgeld sein. Weil in der Praxis die meisten Zwangsgelder wegen der Nichtabgabe von Steuererklärungen festgesetzt werden, müssen Sie also prüfen, ob Sie Ihren Vertreter mit der fristgerechten Erstellung und Abgabe der Erklärung beauftragt haben. Ist das der Fall, dann besteht eine Identität zwischen Pflicht und Pflichtverletzung – und Ihr Vertreter muss für das Zwangsgeld haften.
Beispiel |
... eigene Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden Lösung: Es besteht eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung (Erstellung und Abgabe der Steuererklärung) und dem festgesetzten Zwangsgeld. Weil keine Gründe ersichtlich sind, die das Verschulden des Steuerberaters rechtfertigen könnten, haftet dieser Frau Mai gegenüber in Höhe des Zwangsgelds. |
Die Kausalität des Fehlers des Vertreters für den Schaden ist also Grundvoraussetzung für eine Haftung. Dabei dürfen Sie aber nicht nur auf Ihren Vertreter abstellen, sondern Sie müssen auch sich selbst betrachten. War dem Vertreter ein pflichtgemäßes Handeln infolge eines Versäumnisses von Ihnen nicht möglich, können Sie ihn auch nicht für das Zwangsgeld haften lassen. In der Praxis liegt dieser Umstand z. B. vor, wenn Sie Ihrem Vertreter nicht genügend zuarbeiten und angeforderte Unterlagen nicht vorlegen bzw. Auskünfte nicht erteilen.
Beispiel |
... daraus resultierender Unmöglichkeit des pflicht-
gemäßen Handelns Lösung: Zwar wurde der Steuerberater beauftragt, die Steuererklärung abzugeben. Weil das nicht geschehen ist, wurde das Zwangsgeld angedroht und festgesetzt. Eine Haftung des Steuerberaters scheidet aber aus. Denn ihm kann kein Verschulden vorgeworfen werden, da Herr Lutz seinerseits die für die Erstellung erforderlichen Angaben und Nachweise nicht vorgelegt hat. |
AUSGABE: SSP 7/2025, S. 7 · ID: 50458012