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WerbungskostenErste Tätigkeitsstätte von Berufssoldaten: Wie ist nach neuem FG-Urteil der Stand der Dinge?
| Die Tätigkeit eines Soldaten bringt oft viele Versetzungen und Kommandierungen mit sich. Aus steuerlicher Sicht stellt sich dann naturgemäß die Frage, ob und, wenn ja, wo der Soldat eine erste Tätigkeitsstätte begründet. Wichtig für Sie zu wissen ist hier, dass Rechtsprechung und Finanzverwaltung hier durchaus unterschiedliche Auffassungen vertreten. SSP erläutert daher anhand einer aktuellen Entscheidung des FG Hessen den Stand der Dinge. |
Die ungünstige erste Tätigkeitsstätte (auch bei Soldaten)
Hat der Soldat eine erste Tätigkeitstätte, kann er die Fahrtkosten zu dieser lediglich mit der Entfernungspauschale geltend machen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Sucht er hingegen eine auswärtige Tätigkeitsstätte auf, sind Reisekosten abzugsfähig. Der Soldat kann Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand, Unterkunftskosten und Reisenebenkosten absetzen. Zudem kann der Arbeitgeber die Aufwendungen steuer- und beitragsfrei erstatten.
So ist die erste Tätigkeitsstätte definiert
Den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte definiert § 9 Abs. 4 EStG. Nach Satz 1 ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung
- 1. des Arbeitgebers,
- 2. eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder
- 3. eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten,
der der Berufssoldat dauerhaft zugeordnet ist. Das ist typischerweise die Stammeinheit des Soldaten.
Der Zuordnung durch den Arbeitgeber wird damit eine entscheidende und vorrangige Bedeutung beigemessen. Nur wenn es an einer Zuordnung durch den Arbeitgeber fehlt oder diese nicht eindeutig sein sollte, gilt nach § 9 Abs. 4 S. 4 EStG als erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Berufssoldat dauerhaft
- 1. typischerweise arbeitstäglich,
- 2. je Arbeitswoche an zwei vollen Arbeitstagen oder
- 3. mindestens einem Drittel der vereinbarten Arbeitszeit
tätig werden soll (quantitative Kriterien). Für jedes Arbeitsverhältnis kann sich danach maximal eine (aber auch gar keine) erste Tätigkeitsstätte ergeben.
Wichtig | Schiffe und U-Boote fallen nicht in die Definition der ersten Tätigkeitsstätte, weil es sich nicht um ortsfeste Einrichtungen handelt. Daher begründen Marinesoldaten, die für längere Zeit auf ein Schiff oder U-Boot kommandiert wurden, dort keine erste Tätigkeitsstätte.
Erste Tätigkeitsstätte muss von Dauer sein
Eine erste Tätigkeitsstätte kann sich für Soldaten nur ergeben, wenn die Zuordnung durch den Arbeitgeber dauerhaft erfolgt oder der Soldat mit seiner Tätigkeit die quantitativen Kriterien dauerhaft erfüllt. Mit anderen Worten: Liegen die Voraussetzungen für eine erste Tätigkeitsstätte nur vorübergehend vor, ergibt sich keine erste Tätigkeitsstätte – und es sind Reisekosten abzugsfähig.
Was unter „dauerhaft“ zu verstehen ist, definiert § 9 Abs. 4 S. 3 EStG mit drei Alternativen. Zuordnung bzw. Tätigkeit zu einem Ort sind immer dann dauerhaft, wenn sie
- 1. unbefristet,
- 2. für die Dauer des befristeten oder unbefristeten Dienstverhältnisses oder
- 3. über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus
erfolgt sind. Dabei kann eine Zuordnung „bis auf Weiteres“ ebenfalls eine Zuordnung ohne Befristung und damit dauerhaft sein.
Wichtig | Maßgebend für die konkrete Einordnung ist die auf die Zukunft gerichtete prognostische Betrachtung (Ex-ante-Betrachtung). Deshalb sind sämtliche Veränderungen der Zuordnung durch den Arbeitgeber (z. B. Kommandierung) nicht rückwirkend, sondern lediglich für die Zukunft zu berücksichtigen. Es ist bei jeder Änderung eine neue Prognose bezüglich der „Dauerhaftigkeit“ anzustellen.
Die „voraussichtliche Verwendungsdauer“ von Soldaten
Wird ein Berufssoldat unbefristet oder länger als 48 Monate an eine neue Dienststätte versetzt, begründet er folglich an diesem Ort eine erste Tätigkeitsstätte. Das ist bei Soldaten in der Praxis aber oft nicht möglich. Denn das Bundesministerium der Verteidigung hat angeordnet, dass bei einer Einstellung in die Bundeswehr, bei Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit oder eines Berufssoldaten und bei Versetzungen im Inland die voraussichtliche Verwendungsdauer am neuen Dienstort begrenzt wird.
Die konkreten Begrenzungen belaufen sich
- bei allen Verheirateten und Unverheirateten mit berücksichtigungsfähigen Kindern auf maximal drei Jahre und
- für Unverheiratete mit einer Wohnung auf maximal zwei Jahre.
Aus diesem Grund beinhalten entsprechende Kommandierungen bzw. Versetzungen regelmäßig eine Passage, in der die „voraussichtliche Verwendungsdauer“ am neuen Standort von zwei bzw. drei Jahren angegeben wird. Die Gretchenfrage lautet also, ob die „voraussichtliche Verwendungsdauer“ eine Befristung darstellt. Ist das der Fall und beträgt die voraussichtliche Verwendungsdauer an diesem Standort nicht mehr als 48 Monate, kommt es zu keiner dauerhaften Zuordnung und es sind Reisekosten abzugsfähig.
Die günstige „Verwendungsdauer-“Auffassung der Finanzverwaltung
Soweit ersichtlich vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die voraussichtliche Verwendungsdauer von zwei bzw. drei Jahren eine Befristung darstellt. Folglich begründen betroffene Bundeswehrangehörige in der betrieblichen Einrichtung, in der sie tätig werden, keine erste Tätigkeitsstätte. Das soll auch dann gelten, wenn die voraussichtliche Verwendungsdauer am selben Dienstort ggf. mehrfach verlängert wird. Denn auch die Verlängerungen sind jeweils auf zwei bzw. drei Jahre begrenzt, sodass § 9 Abs. 4 S. 3 EStG nicht erfüllt wird (OFD Nordrhein-Westfalen, Schreiben vom 22.09.2021, Az. S 2353 – 2016/0008 – St 212, Abruf-Nr. 225998).
Die ungünstige „Verwendungsdauer-“Auffassung des FG Hessen
Jüngst ging es auch beim FG Hessen um die Frage, ob ein unbefristet tätiger Berufssoldat einer Dienststelle der Bundeswehr dauerhaft zugeordnet wurde und damit dort eine erste Tätigkeitsstätte begründet. Das FG beurteilte die in der Bundeswehr praktizierte „voraussichtliche Verwendungsdauer“ nicht als Befristung, die gemäß § 9 Abs. 4 S. 3 EStG die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte verhindern würde. Damit hatte der Soldat eine erste Tätigkeitsstätte (FG Hessen, Urteil vom 17.01.2025, Az. 4 K 561/21, Abruf-Nr. 248171).
Entscheidend für das FG war dabei, dass sich die Dauer der Zuordnung zur fraglichen Dienststelle der Bundeswehr aus der maßgeblichen Ex-ante-Sicht kalendermäßig nicht bestimmen ließ. Denn aus einer voraussichtlichen Verwendungsdauer ergebe sich keine kalendermäßige Befristung der Tätigkeit an diesem Ort. Vielmehr sei es so, dass die (bloße) Voraussichtlichkeit der Verwendung schon nach dem Wortsinn keine feste Bindung der Bundeswehr an die betreffende Dauer beinhaltet, sondern lediglich den nach der jeweiligen (gegenwärtigen) Sachlage geplanten Verwendungszeitraum beschreibt.
Wichtig | Der Kläger versuchte sich im Anschluss an die Niederlage beim FG Hessen beim BFH mit einer Nichtzulassungsbeschwerde. Diese hat er aber zwischenzeitlich zurückgenommen, das Verfahren wurde eingestellt (30.04.2025, Az. VI B 5/25). Damit ist das FG-Urteil rechtskräftig geworden.
Und was gilt für Zeitsoldaten?
Grundsätzlich gelten die aufgeführten Grundsätze auch für Zeitsoldaten. Bei diesen ist aber zu beachten, dass von vornherein kein unbefristetes, sondern nur ein befristetes Dienstverhältnis besteht. Deshalb begründen Zeitsoldaten auch dann eine erste Tätigkeitsstätte, wenn deren Verwendungsdauer am selben Dienstort von Beginn an für den gesamten Zeitraum des Dienstes festgelegt worden ist.
Beispiel |
A ist verheiratet und hat sich für drei Jahre als Zeitsoldat verpflichtet. Er wird der Kaserne in Wittmund zugewiesen. Als voraussichtliche Verwendungszeit werden drei Jahre festgelegt. Lösung: Die Kaserne in Wittmund stellt die erste Tätigkeitsstätte dar, weil A dieser für die gesamte Dauer des befristeten Dienstverhältnisses zugeordnet wurde. |
Doch was gilt, wenn das befristete Dienstverhältnis des Zeitsoldaten länger läuft als die voraussichtliche Verwendungsdauer am jeweiligen Standort? In diesem Fall sieht der BFH eine erste Tätigkeitsstätte des Zeitsoldaten am Einsatzort, weil auch für den BFH die „voraussichtliche Verwendungsdauer“ keine Befristung darstellt. Dass der Zeitsoldat unter Beachtung der dienstrechtlichen Vorschriften jederzeit einem anderen Standort zugewiesen werden kann, steht dieser Einordnung nicht entgegen (BFH, Urteil vom 22.11.2022, Az. VI R 6/21, Abruf-Nr. 234116).
Beispiel |
A ist verheiratet und hat sich für vier Jahre als Zeitsoldat verpflichtet. Er wird der Kaserne in Bückeburg zugewiesen. Lösung: Die Kaserne in Bückeburg stellt die erste Tätigkeitsstätte dar, weil A dieser für die gesamte Dauer des befristeten Dienstverhältnisses zugeordnet wurde. |
Wichtig | Das BFH-Urteil ist nicht amtlich veröffentlicht worden. Es ist daher nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden.
Wurde der Zeitsoldat im Rahmen seines befristeten Dienstverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und wird er im späteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet (z. B. durch eine Versetzung), dann erfolgt die zweite Zuordnung nicht mehr für die Dauer des befristeten Dienstverhältnisses. Denn in Bezug auf die zweite Zuordnung steht fest, dass sie nicht für die gesamte Dauer gilt, sondern nur für die Dauer des verbleibenden Dienstverhältnisses (BFH, Urteil vom 10.04.2019, Az. VI R 6/17, Abruf-Nr. 209989). Damit werden die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 S. 3 Alt. 2 EStG nicht erfüllt und es liegt – wenn der Zeitraum nicht mehr als 48 Monate beträgt – keine (zweite) erste Tätigkeitsstätte für den Zeitsoldaten vor.
Beispiel |
... keine erste Tätigkeitsstätte Der dem Standort Bückeburg zugeordnete Zeitsoldat A aus dem vorherigen Beispiel wird nach zwei Jahren an den Standort Wittmund versetzt. Lösung: Der Standort in Wittmund stellt für A keine erste Tätigkeitsstätte dar, sodass Reisekosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit abzugsfähig sind. |
Fazit | Zwar legt die Finanzverwaltung die von der Bundeswehr gehandhabte „voraussichtliche Verwendungsdauer“ soweit ersichtlich als Befristung aus und infolge dessen lassen sich bei Berufs- und Zeitsoldaten in vielen Konstellationen Reisekosten absetzen. Allerdings ist fraglich, ob die Finanzverwaltung weiterhin an dieser Auffassung festhalten wird. Immerhin stehen dieser Auffassung bereits mehrere Urteile entgegen. Vor allem wenn es mit dem Finanzbeamten hinsichtlich der Anerkennung von Reisekosten zu einer vermeintlichen ersten Tätigkeitsstätte zum Streit kommen sollte, weil dieser die „voraussichtliche Verwendungsdauer“ von zwei bzw. drei Jahren nicht als Befristung ansieht, ist guter Rat teuer. Hier sollte versucht werden, eine einvernehmliche Einigung zu erzielen. Denn bei einem anschließenden Klageverfahren stehen die Erfolgschancen aufgrund der bereits vorhandenen Rechtsprechung äußerst gering. |
AUSGABE: SSP 6/2025, S. 6 · ID: 50422366