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BIlanzBilanzierungswahlrechte (Teil 4): Stille Reserven nach § 6b EStG steuerschonend übertragen

Abo-Inhalt27.05.202510 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Der Totalgewinn ist von der Aufnahme bis zur Beendigung einer Tätigkeit immer identisch – unabhängig von der Art der Gewinnermittlung. Allerdings gibt es eine Vielzahl steuerlicher Wahlrechte, mit denen Sie aktiv und legal den Gewinn von einer Periode in eine andere verschieben und so progressionsbedingt Steuern sparen können. Teil 4 der Serie beleuchtet, wie Sie mittels Übertragung nach § 6b EStG erreichen, dass Sie stille Reserven nur verteilt über Jahrzehnte oder im Idealfall gar erst nach Jahrzehnten versteuern müssen. |

Anlässe und „Einsatzgebiete“ von § 6b EStG

Betrieblich genutzte Grundstücke und Immobilien werden oft nur aus einem Grund verkauft: Der Betrieb benötigt Liquidität. Zum Problem wird nun das Finanzamt. Weil die Wirtschaftsgüter oft viele Jahre zum Betrieb gehörten, sind in ihnen hohe stille Reserven enthalten. Und die werden durch die Veräußerung realisiert. Die Folge: Es entsteht ein steuerpflichtiger Gewinn.

Ausgangsbeispiel

Unternehmer A ist mit seinem Betrieb in eine größere Stadt gezogen. Das neue Betriebsgrundstück hat er 2024 für 1 Mio. Euro erworben (Grund und Boden 300.000 Euro, Gebäude 700.000 Euro). Zur Finanzierung hat er das bisherige Betriebsgrundstück veräußert – ebenfalls für 1 Mio. Euro (Grund und Boden 350.000 Euro, Gebäude 650.000 Euro). Der bilanzielle Restwert des Grund und Bodens beträgt 100.000 Euro, der des Gebäudes 350.000 Euro.
Lösung: Auch wenn A durch den Verkauf 1 Mio. Euro realisiert und den gleichen Betrag reinvestiert, kostet ihn der Vorgang Steuern. Denn das neue Gebäude kann er nur nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG ausgehend von 700.000 Euro mit jährlich drei Prozent (= 21.000 Euro) abschreiben, während er durch den Verkauf des alten Grundstücks einen Gewinn von 550.000 Euro erzielt und diesen sofort versteuern muss (1 Mio. Euro ./. [100.000 + 350.000 Euro]). Bei einem Steuersatz von 45 Prozent bedeutet das eine sofortige Steuerbelastung von 247.500 Euro – zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer.

Die sechs steuerschonenden Übertragungsgestaltungen

Um die Sofortversteuerung der stillen Reserven zu verhindern, kommen sechs Gestaltungen infrage.

Gestaltung 1: Übertragung des Gewinns auf neue Wirtschaftsgüter

§ 6b EStG ermöglicht es Ihnen zum einen, die durch den Verkauf von Immobilien und Grundstücken realisierten stillen Reserven – also den Veräußerungsgewinn – auf neue Immobilien und Grundstücke zu übertragen. Dabei müssen Sie beachten, dass der durch die Veräußerung einer Immobilie realisierte Gewinn nur auf neue Immobilien übertragbar ist, während sich der durch die Veräußerung von Grund und Boden realisierte Gewinn sowohl auf den neuen Grund und Boden als auch auf neue Immobilien übertragen lässt.

In beiden Fällen mindern sich durch die Übertragung des Gewinns die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts. Ergo erfolgt die Abschreibung des neuen Gebäudes mit den um den übertragenen Gewinn geminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (§ 6b Abs. 6 S. 1 EStG).

Praxistipp | Nach § 6b Abs. 1 S. 3 und 4 EStG steht neuen Immobilien die Erweiterung, Ausbau oder Umbau einer Immobilie gleich. Deshalb können Sie den Gewinn auch auf einen Umbau übertragen. Zudem muss sich das „neue“ Wirtschaftsgut, auf das der Gewinn übertragen wird, nicht innerhalb des veräußernden Betriebs befinden. Eine Übertragung ist auch möglich, wenn sich das neue Wirtschaftsgut
  • in einem anderen Ihnen gehörenden Betrieb,
  • in Ihnen zuzurechnendem Sonderbetriebsvermögen befindet oder
  • es Ihnen über die Beteiligung an einer Personengesellschaft anteilig zuzurechnen ist (Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens).
Die Details zu den Übertragungsmöglichkeiten finden Sie in R 6b.2 Abs. 6 ff. EStR.

Damit Sie den Veräußerungsgewinn auf neue Wirtschaftsgüter übertragen können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (§ 6b Abs. 4 EStR):

Abwandlung 1 des Ausgangsbeispiels

Wie Beispiel 1, allerdings nutzt Unternehmer A § 6b EStG.
Lösung: Der bei der Veräußerung von Grund und Boden erzielte Gewinn in Höhe von 250.000 Euro (350.000 Euro Erlös ./. 100.000 Euro Buchwert) wird auf den neuen Grund und Boden übertragen. Dadurch reduzieren sich dessen Anschaffungskosten von 300.000 auf 50.000 Euro. Der bei der Veräußerung des Gebäudes erzielte Gewinn von 300.000 Euro (650.000 Euro Erlös ./. 350.000 Euro Buchwert) wird auf das neue Gebäude übertragen. Dadurch reduzieren sich die Anschaffungskosten für das neue Gebäude von 700.000 Euro auf 400.000 Euro. Parallel reduziert sich die Gebäudeabschreibung von 21.000 auf 12.000 Euro (400.000 Euro x 3 Prozent).
Praxistipp | A verhindert durch § 6b EStG die sofortige Besteuerung von 550.000 Euro. Ein Teilbetrag von 250.000 Euro (Grund und Boden) unterliegt erst dann der Besteuerung, wenn der neue Grund und Boden veräußert wird. Der auf das Gebäude entfallende Teil von 300.000 Euro wird hingegen über 33 1/3 Jahre durch die um 9.000 Euro reduzierte Gebäudeabschreibung versteuert. Dadurch tritt ein erheblicher Steuerstundungseffekt ein. Besonders von Vorteil: Soweit die Gewinne bis zur Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe gestundet und erst im Rahmen dieses letzten betrieblichen Akts aufgedeckt werden, kann der gestundete Betrag unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 und § 34 Abs. 1 bzw. 3 EStG privilegiert versteuert werden (Freibetrag und Fünftel-Regelung bzw. „halber“ Steuersatz).
  • 1. Der Gewinn ist durch Bilanzierung zu ermitteln. Bei EÜR können Sie § 6b EStG aber über § 6c EStG als „Abzugsbetrag“ anwenden.
  • 2. Die veräußerten Wirtschaftsgüter müssen im Verkaufszeitpunkt mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum inländischen Anlagevermögen gehört haben.
  • 3. Die neu angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter müssen zum inländischen Anlagevermögen gehören.
  • 4. Der bei der Veräußerung entstandene Gewinn muss steuerpflichtig sein.
  • 5. Der Abzug nach § 6b EStG muss in der Buchführung verfolgbar sein.

Gestaltung 2: Übertragung des Gewinns auf vorhandene Wirtschaftsgüter

Gestaltung 1 funktioniert nur, wenn Sie die neuen Wirtschaftsgüter im Jahr der Veräußerung angeschafft oder hergestellt haben. Dabei ist unerheblich, ob in diesem Jahr zunächst die Veräußerung oder die Anschaffung bzw. Herstellung erfolgte. Nicht selten kommt es jedoch vor, dass die neuen Wirtschaftsgüter bereits im Vorjahr angeschafft oder hergestellt wurden. Auch dann können Sie von § 6b EStG profitieren. Denn es ist auch zulässig, den Gewinn auf den Buchwert zu übertragen, den im Jahr vor der Veräußerung angeschaffte oder hergestellte begünstigte Wirtschaftsgüter haben (§ 6b Abs. 5 EStG). Auch hier gilt: Durch die Übertragung müssen Sie den Gewinn nicht mehr versteuern. Aber es mindert sich der Buchwert der im Vorjahr erworbenen Wirtschaftsgüter. Das wirkt sich auch auf das AfA-Volumen und die AfA-Bemessungsgrundlage aus (§ 6b Abs. 6 EStG).

Abwandlung 2 des Ausgangsbeispiels

2024 hat A durch die Veräußerung eines Grundstücks einen Gewinn von 550.000 Euro erzielt (250.000 Euro Grund und Boden, 300.000 Euro Gebäude). Schon im Januar 2023 hat A ein neues Betriebsgrundstück erworben (Anschaffungskosten Grund und Boden 300.000 Euro bzw. Gebäude 700.000 Euro).
Lösung: 2023 ist das Gebäude mit drei Prozent (21.000 Euro) abzuschreiben. Der Buchwert zum 31.12.2023 beträgt 679.000 Euro und der Buchwert vom Grund und Boden 300.000 Euro. Um die Besteuerung des 2024 realisierten Gewinns zu umgehen, kann er auf die Wirtschaftsgüter übertragen werden, die A 2023 angeschafft hat. Der Buchwert von Grund und Boden mindert sich auf 50.000 Euro (300.000 ./. 250.000), der des Gebäudes auf 379.000 Euro (679.000./. 300.000). Die ab 2024 zu berücksichtigende Gebäudeabschreibung verringert sich dadurch auf jährlich 12.000 Euro (3 Prozent x [700.000 Euro ./. 300.000 Euro]), sodass der Buchwert des Gebäudes zum 31.12.2024 noch 367.000 Euro beträgt.
Praxistipp | Auch in dieser Gestaltung verhindert A die sofortige Besteuerung der 550.000 Euro. Er muss infolge der geringeren Gebäudeabschreibung lediglich jährlich einen zusätzlichen Betrag von 9.000 Euro versteuern.

Gestaltung 3: Übertragung des Gewinns auf künftige Wirtschaftsgüter

Auch wenn Sie die neuen Wirtschaftsgüter erst in der Zukunft – also nach Ablauf des Jahres der Veräußerung – anschaffen oder herstellen werden, können Sie gestalten. Hier bietet es sich an, den Veräußerungsgewinn zum Bilanzstichtag in eine Rücklage einzustellen und diese steuerneutral im Jahr der Anschaffung auf die neuen Wirtschaftsgüter zu übertragen (§ 6b Abs. 3 EStG). Ewig Zeit lassen dürfen Sie sich mit der Neuanschaffung bzw. Herstellung aber nicht. Denn das neue Wirtschaftsgut muss in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden. Dieser Zeitraum verlängert sich auf sechs Jahre, wenn die Übertragung auf neu herzustellende Gebäude erfolgen soll und mit der Herstellung vor dem Schluss des vierten des auf die Rücklagenbildung folgenden Jahres begonnen wurde.

Abwandlung 3 des Ausgangsbeispiels

2024 hat A durch die Veräußerung eines Grundstücks einen Gewinn von 550.000 Euro erzielt (250.000 Euro Grund und Boden, 300.000 Euro Gebäude). Erst 2028 schafft er ein neues Betriebsgrundstück an (Anschaffungskosten Grund und Boden 300.000 Euro bzw. Gebäude 700.000 Euro).
Lösung: Grundsätzlich muss A 2024 die 550.000 Euro versteuern. Er kann in dieser Höhe aber auch eine Rücklage bilden und die Versteuerung verhindern. Die Rücklage führt er dann bis ins Jahr 2028 fort. In diesem Jahr überträgt er die Rücklage auf den neu angeschafften Grund und Boden (Buchwert neu: Anschaffungskosten 300.000 ./. Rücklage 250.000 = 50.000 Euro) bzw. Gebäude (Buchwert neu: Anschaffungskosten 700.000 ./. Rücklage 300.000 = 400.000 Euro). Das Gebäude schreibt A ab 2028 ausgehend von 400.000 Euro ab, sodass sich die Gebäudeabschreibung auf jährlich 12.000 Euro beläuft (400.000 Euro x 3 Prozent).

Gestaltung 4: Bildung einer Rücklage ohne Neuinvestition

Die in der Gestaltung 3 vorgestellte Rücklage können Sie auch bilden, wenn Sie gar nicht in neue Wirtschaftsgüter investieren und eine spätere Übertragung der Rücklage damit unmöglich ist. Allerdings müssen Sie die Rücklage dann spätestens am Ende des Vier- bzw. Sechsjahreszeitraums gewinnerhöhend auflösen. Es tritt also nur ein recht kurzfristiger Steuerstundungseffekt ein – und diesen lässt sich das Finanzamt auch gut bezahlen. Denn Sie müssen nun nicht nur den durch die aufgelöste Rücklage entstandenen Gewinn versteuern, sondern auch noch einen fiktiven Gewinnzuschlag hinnehmen. Dieser soll Ihren Zinsvorteil ausgleichen und beträgt jährlich sechs Prozent der aufzulösenden und nicht übertragenen Rücklage. Das Jahr der Rücklagenbildung wird dabei nicht mitgerechnet (§ 6b Abs. 7 EStG).

Abwandlung 4 des Ausgangsbeispiels

A hat zum 31.12.2024 eine § 6b-Rücklage in Höhe von 550.000 Euro gebildet. Mangels Anschaffung eines begünstigten neuen Wirtschaftsguts löst er die Rücklage nach Ablauf des vierjährigen Zeitraums (also zum 31.12.2028) auf.
Lösung: Durch die Auflösung muss A 2028 den bereits im Jahr 2024 realisierten Gewinn von 550.000 Euro versteuern. Zusätzlich ist ein Zinszuschlag von sechs Prozent jährlich für vier volle Jahre (2025 bis 2028) gewinnerhöhend zu erfassen. Der Zinszuschlag beträgt 132.000 Euro (550.000 Euro x 6 Prozent x 4 Jahre). 2028 erhöht sich der Gewinn von A damit um insgesamt 682.000 Euro.
Praxistipp | Der Zinszuschlag stellt einen erheblichen Nachteil dar. Die Gestaltung kann sich aber dennoch lohnen. Das liegt daran, dass Sie innerhalb der Frist von vier bzw. sechs Jahren die Rücklage jederzeit ganz oder teilweise früher auflösen können. Das reduziert nicht nur den Zinszuschlag, sondern führt bei einer ratierlichen Auflösung auch zu erheblichen Progressionsvorteilen. Zudem können Sie die Rücklage auch in einem besonders schlecht gelaufenen Jahr auflösen und den Gewinn zur Verlustverrechnung nutzen. Ebenfalls lukrativ: Sie können den Gewinn bei absehbarer Betriebsaufgabe ins Jahr der Betriebsaufgabe verlagern und so den gestundeten Gewinn ermäßigt über § 34 Abs. 1 bzw. 3 EStG versteuern.

Gestaltung 5: § 6b EStG bei Anteilsverkauf an Kapitalgesellschaften

§ 6b EStG können Sie auch anwenden, wenn Sie Anteile an Kapitalgesellschaften veräußern (§ 6b Abs. 10 EStG). Dabei sind die Voraussetzungen identisch. Nur ist zu beachten, dass für die Übertragung dieser Gewinne ein jährlicher Höchstbetrag von 500.000 Euro gilt. Eine Übertragung des Gewinns auf im Vorjahr angeschaffte Wirtschaftsgüter ist – anders als beim Gewinn von Grundstücken und Immobilien – ausgeschlossen.

Hinsichtlich der Übertragung des realisierten Gewinns auf neue Wirtschaftsgüter ist zu unterscheiden. Sie können den Gewinn übertragen

Beispiel

Unternehmer A hält in seinem Betriebsvermögen seit zehn Jahren GmbH-Anteile. Die hat er 2024 mit einem Gewinn von 200.000 Euro veräußert.
Lösung: Vom Gewinn sind 40 Prozent steuerfrei, sodass 120.000 Euro der Besteuerung unterliegen. Die muss A grundsätzlich 2024 versteuern. § 6b EStG eröffnet ihm aber folgende Gestaltungsmöglichkeiten:
  • 1. Übertragung der vollen 200.000 Euro auf im Jahr 2024 angeschaffte neue Anteile an Kapitalgesellschaften oder Übertragung des steuerpflichtigen Anteils von 120.000 Euro auf im Jahr 2024 angeschaffte bzw. hergestellte abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter bzw. Gebäude.
  • 2. Bildung einer Rücklage zum 31.12.2024 in Höhe von bis zu 200.000 Euro. Diese kann in den Folgejahren zu 100 Prozent auf neue Anteile an Kapitalgesellschaften oder zu 60 Prozent auf abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter bzw. Gebäude übertragen werden. Der steuerfreie Anteil von 40 Prozent ist in letzter Variante steuerneutral aufzulösen.
In allen Varianten wird die Versteuerung der 120.000 Euro in 2024 umgangen.
Praxistipp | Wird für Gewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften eine Rücklage gebildet, gilt eine Investitionsfrist von zwei Jahren. Nur wenn der Gewinn auf Gebäude übertragen werden soll, gilt eine auf vier Jahre verlängerte Frist.
  • auf neue Anteile an Kapitalgesellschaften
  • auf neu angeschaffte Gebäude (nicht Grund und Boden) und
  • auf abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (hier reduziert sich der übertragbare Gewinn wegen des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Buchst. a EStG) auf 60 Prozent. Die verbliebenen 40 Prozent stellen den steuerfreien Anteil dar und sind (steuerneutral) zu realisieren).

AUSGABE: SSP 6/2025, S. 20 · ID: 50414430

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