Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Aug. 2023 abgeschlossen.
PV-Anlagenbesteuerung„Alte“ PV-Anlagen: So umgehen Sie die Umsatzsteuer
| Für ab dem 01.01.2023 installierte PV-Anlagen wird aufgrund des in § 12 Abs. 3 UStG verankerten Nullsteuersatzes regelmäßig die Kleinunternehmerregelung angewandt. Bei Anlagen, die vor dem 01.01.2023 installiert worden sind, war es dagegen Usus, dass zur Umsatzsteuer optiert wurde, um den Vorsteuerabzug zu erlangen. Damit unterliegen Einnahmen und Entnahmen dieser PV-Anlagen der Umsatzsteuer. Doch das muss ab dem 01.01.2023 nicht mehr sein. SSP zeigt, wie Sie auch für alte Anlagen die Umsatzsteuer umgehen und welche Steuerfallen zu beachten sind. |
Inhaltsverzeichnis
- Die Umsatzbesteuerung vor 2023 angeschaffter PV-Anlagen
- 1. Rückwirkend zur Kleinunternehmerregelung wechseln
- 2. Nach fünf Jahren zur Kleinunternehmerregelung wechseln
- 3. Verkauf der PV-Anlage an den Ehepartner
- 4. Entnahme der Anlage aus dem Unternehmensvermögen
- Sonderfall: Anlagen mit Inbetriebnahme vor dem 01.04.2012
Die Umsatzbesteuerung vor 2023 angeschaffter PV-Anlagen
Wurde eine PV-Anlagen vor dem 01.01.2023 erworben, unterlag der Erwerb der Umsatzsteuer von 19 Prozent. Damit der Betreiber diese Steuer vom Finanzamt als Vorsteuer erstattet bekam, wurde regelmäßig auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet und zur Regelbesteuerung optiert.
Korrektur des Vorsteuerabzugs für private Nutzungsanteile
Der Haken: Die Einspeiseerlöse vom Netzbetreiber für den verkauften Strom unterlagen ab sofort der Umsatzsteuer und auch für den dezentral (privat) verbrauchten Strom musste gemäß § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG eine unentgeltliche Wertabgabe versteuert werden (Ermittlung: Abschn. 2.5 Abs. 15 ff. UStAE). Damit sollte der vorangehende Vorsteuerabzug insoweit ausgeglichen werden, wie die PV-Anlage privat genutzt wird. Das gilt auch für Strom, der nach dem 31.12.2022 erzeugt und privat verwendet wird (BMF, Schreiben vom 27.02.2023, Az. III C 2 – S 7220/22/10002 :010, Abruf-Nr. 234002, Rz. 4).
Wichtig | Für ab dem 01.01.2023 erworbene Anlagen gilt der in § 12 Abs. 3 UStG verankerte Nullsteuersatz. Da sich oft kein oder nur ein geringer Vorsteuerabzug ergibt, belassen es viele Betreiber bei der Kleinunternehmerregelung. Der Vorteil: Der privat verbrauchte Strom unterliegt nicht der Umsatzsteuer.
Die vier „Umgehungs- bzw. Umwandlungsvarianten“ ab 2023
Da neue – ab dem 01.01.2023 erworbene – PV-Anlagen damit bessergestellt sind als „alte“ Anlagen, überlegen derzeit viele Betreiber, wie die Umsatzsteuer auch für alte PV-Anlagen umgangen werden kann. Das geht – ist jedoch auch mit diversen Risiken und Steuerfallen verbunden. Vor allem folgende Varianten sind denkbar:
- 1. Rückwirkend zur Kleinunternehmerregelung wechseln.... gibt es mehrere Möglichkeiten
- 2. Nach fünf Jahren zur Kleinunternehmerregelung wechseln.
- 3. Die PV-Anlage an den Ehepartner verkaufen.
- 4. Die PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen entnehmen.
1. Rückwirkend zur Kleinunternehmerregelung wechseln
Das ist die wohl denkbar schlechteste Variante. Haben Sie gegenüber dem Finanzamt erklärt, dass Sie gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 UStG auf die Besteuerung als Kleinunternehmer verzichten und zur Regelbesteuerung optieren, dann können Sie diese Erklärung gemäß Abschn. 19.2 Abs. 2 UStAE vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der ersten Steuerfestsetzung mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen. Regelmäßig also bis zum Ablauf der Einspruchsfrist für die Steuerfestsetzung des ersten Jahres.
Beispiel |
A hat am 15.03.2022 eine PV-Anlage für 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro USt erworben. Er hat dem Finanzamt erklärt, dass er auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet. Am 15.05.2023 hat er beim Finanzamt seine Umsatzsteuererklärung für 2022 eingereicht. Es ergibt sich eine Erstattung. Das Finanzamt hat der Steueranmeldung am 12.06.2023 zugestimmt. |
Lösung: Die Steuerfestsetzung für 2022 ist am 12.06.2023 wirksam geworden (§ 168 AO), weshalb ohne Einspruchseinlegung gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 AO mit Ablauf des 12.07.2023 Unanfechtbarkeit eingetreten ist. A konnte deshalb nur noch bis zum 13.07.2023 die Optionserklärung für die Regelbesteuerung widerrufen. |
Die Folgen des Widerrufs der Optionserklärung
Vorteil: A muss rückwirkend seit Inbetriebnahme der PV-Anlage weder die Einspeisevergütung noch den dezentral verbrauchten Strom der Umsatzsteuer unterwerfen. Damit umgeht er alle umsatzsteuerlichen Verpflichtungen.
Nachteil: A ist in voller Höhe nicht mehr zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der PV-Anlage berechtigt, sodass diese für ihn zur Belastung wird (3.800 Euro). Zudem muss A für den Zeitraum, bis er seinen Netzbetreiber über die nun geltende Kleinunternehmerregelung informiert, die in den Einspeisevergütungen enthaltene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 S. 1 UStG an das Finanzamt abführen. Denn in den vom Netzbetreiber gezahlten Abschlägen ist aufgrund der gegenüber ihm deklarierten Umsatzsteuerpflicht Umsatzsteuer enthalten und diese wurde in den einzelnen Gutschriften gesondert ausgewiesen. Das gilt als unberechtigter Umsatzsteuerausweis im Sinne des § 14c UStG. Einzige Umgehung: Die Gutschriften werden berichtigt und es wird rückwirkend keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Dann wird allerdings der Netzbetreiber die von ihm zu viel gezahlte Vergütung fordern.
Hintergrund der steuerlichen Folgen
Haben Sie zur Regelbesteuerung optiert und dieses dem Netzbetreiber mitgeteilt, dann erhalten Sie von diesem die Einspeisevergütung lt. EEG zzgl. Umsatzsteuer ausgezahlt (z. B. 100 Euro zzgl. 19 Euro Umsatzsteuer). Wenden Sie hingegen die Kleinunternehmerregelung an, erhalten Sie die Einspeisevergütung lt. EEG ohne Umsatzsteuer ausgezahlt (z. B. 100 Euro zzgl. null Euro Umsatzsteuer). Da Sie die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen müssen, sind Sie effektiv in beiden Varianten gleich belastet. Deshalb müssen Sie, wenn Sie vom Netzbetreiber die Vergütungen zzgl. Umsatzsteuer erhalten haben, obwohl die Kleinunternehmerregelung gilt, diese zu Unrecht erhaltene Steuer ans Finanzamt abführen (§ 14c UStG).
2. Nach fünf Jahren zur Kleinunternehmerregelung wechseln
Soll der lukrative Vorsteuerabzug erhalten bleiben, wird oft überlegt, erst nach fünf Jahren von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung zurückzukehren. Denn die Option zur Regelbesteuerung bindet den Unternehmer gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 UStG für lediglich fünf Jahre. Dabei muss der Wechsel immer zu Beginn eines Kalenderjahrs erfolgen und spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahrs, für das er gelten soll, gegenüber dem Finanzamt erklärt werden (§ 19 Abs. 2 S. 3 und 4 UStG). Eine bestimmte Form für den Wechsel sieht das Gesetz nicht vor.
Beispiel |
A hat am 01.12.2022 eine PV-Anlage für 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro Umsatzsteuer erworben und zur Regelbesteuerung optiert. Lösung: Die Option bindet A für fünf Jahre, sodass er frühestens mit Wirkung zum 01.01.2027 zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren kann. |
Vorteil des Wechsels zur Kleinunternehmerregelung
Ab erfolgtem Wechsel muss A weder die Einspeisevergütung noch den dezentral (privat) verbrauchten Strom der Umsatzsteuer unterwerfen. Damit umgeht er ab sofort alle umsatzsteuerlichen Verpflichtungen.
Nachteil des Wechsels zur Kleinunternehmerregelung
Ein Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung bedeutet gemäß § 15a Abs. 7 UStG eine Änderung der Verhältnisse für den ursprünglichen Vorsteuerabzug. Ist der maßgebende Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 UStG von fünf Jahren (Aufdachanlagen) bzw. zehn Jahren (dachintegrierte Anlagen) noch nicht abgelaufen, muss ein Teil der Vorsteuer aus dem Anlagenerwerb ans Finanzamt zurückgezahlt werden. Eigentlich ja kein Problem, da die Bindungsfrist zur Regelbesteuerung ja ebenfalls fünf Jahre beträgt. Doch falsch gedacht. Die in § 19 Abs. 2 UStG verankerte Bindungsfrist zur Regelbesteuerung erstreckt sich auf fünf Besteuerungsjahre (Kalenderjahre), während der Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 UStG volle fünf Jahre (also 60 Monate lang) läuft. Wird wie im Beispiel bereits zum 01.01.2027 zur Kleinunternehmerregelung gewechselt, sind von dem Berichtigungszeitraum im Sinne des § 15a Abs. 1 UStG erst 49 Monate abgelaufen. Das bedeutet, das A an das Finanzamt Vorsteuern in Höhe von 697 Euro zurückzahlen muss (3.800 Euro / 60 x 11 Monate). Damit ist ein Wechsel erst ab dem 01.01.2028 zu empfehlen.
Das zweite Risiko bezieht sich auf den unberechtigten Steuerausweis i. S. v. § 14c Abs. 2 S. 1 UStG. Wird der Netzbetreiber nicht über die ab dem Wechsel geltende Kleinunternehmerregelung informiert, zahlt er weiterhin die EEG-Vergütung zzgl. Umsatzsteuer aus. Zutreffend wäre es jedoch, dass er die Vergütung ab sofort als Nettobetrag auszahlt und die Gutschriften entsprechend um 19/119 reduziert (Anteil Umsatzsteuer). Da Kleinunternehmer in Rechnungen keine Umsatzsteuer offen ausweisen dürfen (§ 19 Abs. 1 S. 4 UStG), wird der ausgewiesene Betrag nach § 14c Abs. 2 S. 1 UStG vom Anlagenbetreiber geschuldet. Zwar werden die Gutschriften durch den Netzbetreiber erstellt und abgerechnet. Allerdings gelten diese Gutschriften auch gegenüber dem Betreiber, wenn dieser den Gutschriften nicht widerspricht (§ 14 Abs. 2 S. 2 und 3 UStG).
3. Verkauf der PV-Anlage an den Ehepartner
Betreiber von „alten“ PV-Anlagen können diese ab dem 01.01.2023 auch an den Ehepartner oder eine andere nahestehende Person verkaufen.
So funktioniert das Modell
In diesem Fall wird der bisherige Betreiber zum Lieferanten der PV-Anlage, sodass der Erlös unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG eine Umsatzsteuer von null Euro auslöst. Parallel bleibt der ursprüngliche Vorsteuerabzug erhalten. Es ergibt sich auch keine Vorsteuerberichtigung im Sinne des § 15a UStG, da die Lieferung an den Erwerber zum Steuersatz von null Prozent umsatzsteuerpflichtig ist. Ziel der Gestaltung: Im Anschluss wendet die Person, die die PV-Anlage erwirbt, die Kleinunternehmerregelung an, sodass ab sofort weder die Einspeiseerlöse noch der privat verbrauchte Strom der Besteuerung unterliegen.
Beispiel |
A hat am 01.07.2022 eine PV-Anlage für 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro USt erworben und wendet die Regelbesteuerung an. Zum 01.07.2023 veräußert A die PV-Anlage an seinen Ehepartner B für 19.000 Euro zzgl. null Euro USt. Ab dem 01.07.2023 betreibt damit B die PV-Anlage. B wendet für Zwecke der Umsatzbesteuerung die Kleinunternehmerregelung an (§ 19 Abs. 1 UStG). |
Lösung: A muss den vom 01.07.2022 bis 30.06.2023 privat verbrauchten Strom und die Einspeisevergütungen mit 19 Prozent versteuern und ist zum Vorsteuerabzug (3.800 Euro) berechtigt. Der Verkauf der PV-Anlage an B löst eine Umsatzsteuer von null Euro aus (§ 12 Abs. 3 UStG). Da B im Rahmen des eigenen Unternehmens die Kleinunternehmerregelung anwendet, unterliegen bei B ab dem 01.07.2023 weder die Einspeisevergütung noch der privat verbrauchte Strom der Umsatzsteuer. |
Deshalb ist von diesem Gestaltungsmodell abzuraten
Auch von diesem „Gestaltungsmodell“ sollten Sie besser Abstand nehmen. Denn beim Verkauf der PV-Anlage handelt es sich regelmäßig gemäß § 1 Abs. 1a UStG um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (vgl. auch Abschn. 1.5 Abs. 10 UStAE), sodass bereits aus diesem Grund (und nicht wegen § 12 Abs. 3 UStG) keine Umsatzsteuer anfällt. Wendet der die PV-Anlage erwerbende Ehepartner dann die Kleinunternehmerregelung an, kommt es zu einer Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i. S. v. § 15a Abs. 7 UStG. Ist der Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 UStG von fünf Jahren (Aufdachanlagen) bzw. zehn Jahren (dachintegrierte Anlagen) noch nicht abgelaufen, kommt es zu einer ungewollten und hohen Vorsteuerrückforderung des Finanzamts.
Wichtig | Im Beispiel würde die „Gestaltung“ dazu führen, dass das Finanzamt von B Vorsteuern in Höhe von 3.040 Euro zurückfordern wird (Vorsteuerabzug bisher 3.800 Euro; Berichtigungszeitraum fünf Jahre und davon ist ein Jahr abgelaufen; Ermittlung Berichtigungsbetrag: 3.800 Euro / 5 Jahre x 4 Jahre). Eine Veräußerung rentiert sich daher erst nach Auslaufen des Berichtigungszeitraums.
Zudem muss der Netzbetreiber über den Wechsel des Betreibers und den Wechsel der Besteuerungssystematik informiert werden, damit künftige Gutschriften gegenüber der die PV-Anlage erwerbenden Person ausgestellt und darin keine USt ausgewiesen wird. Andernfalls wird die in den Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer vom Anlagenbetreiber gemäß § 14c Abs. 2 S. 1 UStG geschuldet.
4. Entnahme der Anlage aus dem Unternehmensvermögen
Das Modell Nummer vier ist zur Optimierung der Umsatzsteuerbelastung am besten geeignet.
So funktioniert das Modell
Ziel ist es hierbei, die vor dem 01.01.2023 erworbene und aufgrund des lukrativen Vorsteuerabzugs zu 100 Prozent dem Unternehmensvermögen zugeordnete PV-Anlage ab dem 01.01.2023 aus dem Unternehmensvermögen zu entnehmen. Der Vorteil: Die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen, ist zwar gemäß § 3 Abs. 1b Nr. 1 i. V. m. S. 2 UStG als unentgeltliche Wertabgabe umsatzsteuerbar und mangels Steuerbefreiung auch umsatzsteuerpflichtig. Allerdings unterliegt die ab dem 01.01.2023 erfolgte Entnahme unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG dem neuen Nullsteuersatz, sodass die Entnahme tatsächlich keine Umsatzsteuer auslöst (BMF, 27.02.2023, Rz. 7). Der vorangegangene volle Vorsteuerabzug bleibt dem Anlagenbetreiber hingegen erhalten, da sich die maßgebenden Verhältnisse für diesen Vorsteuerabzug nicht geändert haben. Es erfolgt auch keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG, da keiner der dort genannten Tatbestände einschlägig ist (BMF, 27.02.2023, Rz. 2).
Beispiel |
... und wodurch sie sich auszeichnet A hat am 01.07.2022 für 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro USt eine PV-Anlage erworben und wendet die Regelbesteuerung an. Da er die Anlage aufgrund eines Batteriespeichers fast ausschließlich privat nutzt, entnimmt er die komplette Anlage zum 01.07.2023 aus seinem Unternehmensvermögen. |
Lösung: A muss für vom 01.07.2022 bis 30.06.2023 privat verbrauchten Strom und die Einspeisevergütungen mit 19 Prozent versteuern und ist zum Vorsteuerabzug (3.800 Euro) berechtigt. Die Entnahme der PV-Anlage löst null Euro Umsatzsteuer aus (§ 12 Abs. 3 UStG). Es kommt nicht zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG und auch nicht zur Rückforderung der bereits erhaltenen Vorsteuern. |
Wann kann die PV-Anlage entnommen werden?
Wurde die PV-Anlage ab Erwerb zu mindestens zehn Prozent für unternehmerische Zwecke verwendet (Einspeisung), bestand ein Wahlrecht, die Anlage in vollem Umfang dem Unternehmen zuzuordnen (Abschn. 15.2c UStAE und § 15 Abs. 1 S. 2 UStG). Dieses Wahlrecht wurde bei Altanlagen in nahezu allen Fällen ausgeübt, damit die volle Vorsteuer vom Finanzamt erstattet wird. Soll diese Anlage nun dem Unternehmensvermögen entnommen werden, muss eine Entnahme erklärt werden. Zudem ist nach erfolgter vollständiger Zuordnung zum Unternehmensvermögen nur eine vollständige Entnahme aus dem Unternehmensvermögen möglich. Eine anteilige Entnahme (z. B. nur der privat genutzte Anteil von 70 Prozent) ist nicht zulässig (BMF, 27.02.2023, Rz. 7 und Abschn. 3.2 Abs. 3 Nr. 1 S. 4 UStAE).
Damit jedoch eine vollständige Entnahme aus dem Unternehmensvermögen erfolgen kann, muss gemäß Abschn. 3.2 Abs. 3 Nr. 1 S. 3 UStAE die PV-Anlage zukünftig (also ab dem Entnahmedatum) voraussichtlich zu mehr als 90 Prozent für nichtunternehmerische Zwecke (dezentraler Verbrauch des Stroms) verwendet werden. Mit anderen Worten: Von der erzeugten Strommenge dürfen nur weniger als zehn Prozent ins Energienetz eingespeist und damit an den Netzbetreiber verkauft werden. Andernfalls verbleibt es bei der vollständigen Zuordnung zum Unternehmensvermögen.
Von einer zukünftig voraussichtlich zu mehr als 90-prozentigen Nutzung für nichtunternehmerische Zwecke ist auszugehen, wenn der Betreiber beabsichtigt, künftig mehr als 90 Prozent des mit der Anlage erzeugten Stroms für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden. Diese Voraussetzung wird erfüllt, wenn eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 Prozent nahelegt (Prognose). Aus Vereinfachungsgründen ist davon bereits pauschal auszugehen, wenn ein Teil des mit der Anlage erzeugten Stroms z. B. in einer Batterie gespeichert wird. Das bedeutet, dass dann eine Prüfung der Grenze von 90 Prozent entfällt (BMF, 27.02.2023, Rz. 5).
Beispiel |
A hat 2022 eine PV-Anlage mit Batteriespeicher installiert. Laut seinen Aufzeichnungen werden von dem erzeugten Strom etwa 80 Prozent für private Zwecke verbraucht. Die restlichen 20 Prozent werden eingespeist. Lösung: Grundsätzlich ist keine Entnahme der Anlage aus dem Unternehmen möglich, da die unternehmensfremde Nutzung nur 80 und nicht mehr als 90 Prozent beträgt. Aufgrund der Vereinfachungsregelung des BMF kann dennoch die komplette PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen entnommen werden. |
Wichtig | Die Finanzverwaltung unterstellt zur Vereinfachung ebenfalls eine mehr als 90-prozentige unternehmensfremde Nutzung der PV-Anlage, wenn mit Hilfe einer Wall-Box die Autobatterie des privat genutzten Fahrzeugs geladen oder in dem Gebäude, auf dem sich die PV-Anlage befindet, eine Wärmepumpe verwendet wird. Das bedeutet, dass auch diese Anlagen ohne eine detaillierte Prüfung der 90 Prozent Grenze entnommen werden können. Auch dann, wenn tatsächlich weniger als 90 Prozent der erzeugten Strommenge für private Zwecke verwendet werden (so z. B. FinMin NRW, FAQ zur Einführung von steuerlichen Erleichterungen für kleine PV-Anlagen mit dem Jahressteuergesetz 2022 und FAQ des BMF zu den Umsatzsteuerliche Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen, Stand 23.06.2023, Frage 18).
Die Entnahme gegenüber dem Finanzamt deklarieren
Damit die PV-Anlage vollständig das Unternehmensvermögen verlässt und infolgedessen keine Besteuerung des dezentral (privat) verbrauchten Stroms mehr erfolgt, muss die Entnahme der PV-Anlage unter Angabe des Zeitpunkts der Entnahme gegenüber dem Finanzamt deklariert werden. Da eine Entnahme nur zum aktuellen Zeitpunkt erfolgen kann (eine Entnahme setzt eine tatsächliche Handlung voraus), scheidet eine rückwirkende Entnahme auf den 01.01.2023 grundsätzlich aus.
Die Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen kann dabei in der Umsatzsteuervoranmeldung in der Zeile 14 oder in der Jahreserklärung in der Zeile 29 erklärt werden. Da die Entnahmeerklärung jedoch keiner besonderen Form bedarf, kann die Entnahme auch in Form eines Schreibens, einer Mail oder einer sonstigen Nachricht über ELSTER deklariert werden. Ab dem Datum der Entnahmeerklärung verlässt die PV-Anlage dann das Unternehmensvermögen. Vorausgesetzt die mehr als 90-prozentige unternehmensfremde Nutzung kann nachgewiesen werden oder diese wird pauschal unterstellt (Batteriespeicher). Ab dem Entnahmetag unterliegt der private Verbrauch nicht mehr der Besteuerung. Zwar ist auch eine mündliche Entnahme denkbar, jedoch ist aus Nachweisgründen davon abzuraten.
Wichtig | Liegen die Voraussetzungen für eine vollständige Entnahme der PV-Anlage vor, gestatten einige Finanzämter ausnahmsweise, dass eine bis zum 30.06.2023 gegenüber dem Finanzamt erklärte Entnahme rückwirkend zum 01.01.2023 angenommen werden kann (so z. B. FinMin NRW, FAQ zur Einführung von steuerlichen Erleichterungen für kleine Photovoltaikanlagen mit dem Jahressteuergesetz 2022, Rz. 9). Einen Rechtsanspruch darauf gibt es jedoch nicht. Der Vorteil: Sämtlicher privat verbrauchte Strom in der Zeit vom 01.01.2023 bis zur Entnahmeerklärung (spätestens 30.06.2023) unterliegt rückwirkend nicht mehr der Besteuerung. Es empfiehlt sich, für diesen Zeitraum abgegebene Umsatzsteuervoranmeldungen zu korrigieren.
Umsatzsteuerpflicht besteht weiterhin
Durch die vollständige Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmen wird zwar der privat verbrauchte Strom nicht mehr als unentgeltliche Wertabgabe i. S. v. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG besteuert. Der Strom, der an den Netzbetreiber geliefert wird, unterliegt aber weiter der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz. Die Umsatzsteuer muss wie bisher ans Finanzamt abgeführt werden und der Anlagenbetreiber muss sämtlichen umsatzsteuerlichen Verpflichtungen nachkommen. Zudem ist er ab dem Zeitpunkt der Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen nur noch eingeschränkt zum Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen berechtigt. Maßgeblich für den anteiligen Vorsteuerabzug ist der tatsächliche, nicht der für die Entnahme unterstellte, Anteil der unternehmerischen Nutzung. Direkt der unternehmerischen Tätigkeit zuordenbare Aufwendungen (z. B. Kosten für den Steuerberater zur Erstellung der Umsatzsteuererklärung) sind voll abzugsfähig (FAQ des BMF zu den Umsatzsteuerliche Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen, Stand 23.06.2023, Frage 19).
Rückwechsel zur Kleinunternehmerregelung
Erst nach Ablauf des fünfjährigen Bindungszeitraums für die Option zur Regelbesteuerung kann ohne negative Konsequenzen zurück zur Kleinunternehmerregelung gewechselt werden (§ 19 Abs. 2 UStG). Wird nach erfolgter Entnahme der PV-Anlage und Ablauf der Bindungsfrist von fünf Jahren die Kleinunternehmerregelung angewandt, entfällt auch eine Besteuerung der erhaltenen Einspeisevergütungen.
Wichtig | Auch hier gilt, dass der Netzbetreiber über den Übergang zur Kleinunternehmerregelung zu informieren ist, damit die künftigen Gutschriften keine Umsatzsteuer enthalten. Andernfalls schuldet der Anlagenbetreiber die ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 S. 1 UStG.
Sonderfall: Anlagen mit Inbetriebnahme vor dem 01.04.2012
Ist die PV-Anlage bereits vor dem 01.04.2012 in Betrieb genommen worden, wird fingiert, dass der gesamte erzeugte Strom an den Netzbetreiber geliefert wird (Abschn. 2.5 Abs. 4 ff. UStAE). Das gilt auch für den Strom, der dezentral (privat) verbraucht wird. Damit kann für diese PV-Anlagen keine Entnahme aus dem Unternehmensvermögen deklariert werden, da eine Volleinspeisung (100-prozentige unternehmerische Nutzung) erfolgt.
Allerdings ist bei diesen PV-Anlagen regelmäßig der Berichtigungszeitraum i. S. v. § 15a UStG abgelaufen. In diesen Fällen können ohne Risiko die oben vorgestellten Strategien 2 (Wechsel zur Kleinunternehmerregelung) bzw. 3 (Verkauf an den Ehepartner) angewandt und so die Umsatzsteuer umgangen werden. Da jedoch parallel der Netzbetreiber zu informieren ist, damit dieser seine Gutschriften ohne Umsatzsteuer ausweist, reduziert sich dadurch auch die Einspeisevergütung um 19/119. Ein finanzieller Vorteil ergibt sich deshalb nicht – allerdings entfallen die umsatzsteuerlichen Deklarationspflichten.
Fazit | Seit dem 01.01.2023 gibt es nicht nur Verbesserungen für neue PV-Anlagen; auch bei Bestandsanlagen sollte die Umsatzsteuerpflicht überprüft und wenn möglich optimiert werden. Insbesondere die Strategie 4 bietet sich dazu an, die Belastung mit der Umsatzsteuer bei Altanlagen weitestgehend zu umgehen. Da die Anforderungen dabei äußerst gering sind und zum Teil pauschal als erfüllt unterstellt werden (Stichwort „Batteriespeicher“ etc.), sollte die Möglichkeit zeitnah genutzt und zur Steueroptimierung umgesetzt werden. |
AUSGABE: SSP 8/2023, S. 16 · ID: 49577713