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EinkommensteuerSelbstständige mit häuslichem Arbeitszimmer: Veräußerungsgewinn steuerfrei vereinnahmen

Abo-Inhalt27.07.2023726 Min. LesedauerVon Diplom-Finanzwirt (FH) Michael Heine, LL.M., Stauchitz

| Im Jahressteuergesetz 2022 sind die steuerlichen Regelungen für den Abzug des häuslichen Arbeitszimmers neu aufgesetzt worden. Bereits zuvor hatte der BFH mit einem Urteil zur Veräußerung der Wohnimmobilie mit häuslichem Arbeitszimmer bei einem Arbeitnehmer neue Wege beschritten. Auch für Selbstständige kann dieses Urteil mittelbare Wirkung entfalten. Erfahren Sie deshalb, wie Selbstständige vermeiden, den Veräußerungsgewinn der Wohnimmobilie versteuern zu müssen. |

BFH-Urteil zum Arbeitnehmer-Arbeitszimmer als Basis

Basis aller Gestaltungsüberlegungen ist die BFH-Entscheidung zur Veräußerung einer Wohnimmobilie, in der ein Arbeitnehmer ein steuerlich anerkanntes – häusliches – Arbeitszimmer genutzt hatte. Der BFH hat den auf das Arbeitszimmer entfallenden Gewinn als steuerfrei angesehen – entgegen der Verwaltungsauffassung. Der BFH begründete seine Entscheidung damit, dass auch das häusliche Arbeitszimmer aufgrund der räumlichen Anbindung zum Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde. Daher sei die Besteuerung aufgrund der Steuerbefreiung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG für eigengenutzte Wohnungen ausgeschlossen (BFH, Urteil vom 01.03.2021, Az. IX R 27/19, Abruf-Nr. 223631, SSP 9/2021, Seite 4 → Abruf-Nr. 47534006.

Ist das Urteil auf Selbstständige übertragbar?

Unmittelbar übertragbar auf Selbstständige ist das BFH-Urteil nicht. Denn Betriebsvermögen ist anders als Privatvermögen dauerhaft steuerverstrickt. Die Ausnahmen von der Besteuerung nach § 23 EStG greifen nur für Privatvermögen. Auch bei einer Veräußerung der Wohnimmobilie nach mehr als zehn Jahren ist der anteilig auf das häusliche Arbeitszimmer im Betriebsvermögen entfallende Veräußerungsgewinn steuerpflichtig.

Eine Ausnahme besteht für Arbeitszimmer, die gemäß § 8 EStDV als Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung gelten und dem Privatvermögen zugeordnet wurden. Diese Behandlung als Privatvermögen ist möglich, wenn der gemeine Wert des Grundstücksteils

  • nicht mehr als 20 Prozent des gemeinen Werts des gesamten Grundstücks ausmacht und
  • nicht mehr als 20.500 Euro beträgt.

Wichtig | Beide Grenzen beziehen sich auf den Anteil des Arbeitszimmers am Grund und Boden und am Gebäude.

Beispiel

Makler M nutzt seit dem Einzug in das gemeinsam mit seiner Familie bewohnte EFH ein häusliches Arbeitszimmer. Das Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit. Das EFH hat eine Wohnfläche von 150 m2. Das Arbeitszimmer hat eine Größe von zehn m2. Für den Erwerb des Grundstücks hat M vor 20 Jahren 50.000 Euro, für die Errichtung des EFH 200.000 Euro aufgewendet. Der aktuelle Grundstückswert zum 31.12.2023 beträgt 300.000 Euro.

Folge: Mit Beginn der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers bestand für M ein Wahlrecht gemäß § 8 EStDV, es trotz der betrieblichen Nutzung seinem Privatvermögen zuzuordnen. Denn der gemeine Wert des Arbeitszimmers betrug weniger als 20 Prozent des gemeinen Wertes (10 m2/150 m2 = 6,7 Prozent) und auch nicht mehr als 20.500 Euro (vereinfacht: Kaufpreis Grundstück 50.000 Euro + Herstellungskosten 200.000 Euro x 10 m2/150 m2 = 16.667 Euro). Wird das Arbeitszimmer als Privatvermögen behandelt, bleiben die darauf entfallenden Betriebs- und Finanzierungskosten abzugsfähige Betriebsausgaben. Lediglich die Gebäudeabschreibung ist nach den im Privatvermögen geltenden Grundsätzen vorzunehmen und daher ggf. vermindert (in der Regel zwei Prozent im Privatvermögen statt drei Prozent AfA im Betriebsvermögen; abhängig vom Baujahr des Objekts).

Da der gemeine Wert des häuslichen Arbeitszimmers auch im Jahr 2023 weniger als 20 Prozent des gemeinen Werts (10 m2/150 m2 = 6,7 Prozent) und auch nicht mehr als 20.500 Euro (Grundstückswert 300.000 Euro x 10 m2/150 m2 = 20.000 Euro) beträgt, kann M die Behandlung als Privatvermögen nach § 8 EStDV fortsetzen.

Veräußerung der Wohnimmobilie

Wird die Wohnimmobilie später veräußert, ist für das häusliche Arbeitszimmer die Besteuerung nach § 23 EStG als privates Veräußerungsgeschäft zu prüfen, wenn das Arbeitszimmer wegen § 8 EStDV wie Privatvermögen behandelt wurde. Insoweit können die Gründe des BFH-Urteils auf Selbstständige übertragen werden. Der Veräußerungsgewinn bleibt demnach steuerfrei, auch soweit er auf das für die betriebliche Tätigkeit genutzte Arbeitszimmer entfällt.

Fortführung Beispiel

Makler M hat zwar aufgrund der Behandlung als Privatvermögen eine geringere jährliche Gebäudeabschreibung als Betriebsausgaben abziehen dürfen (2 % x 200.000 Euro x 10 m2/150 m2 = 267 Euro statt 3 % x 200.000 Euro x 10 m2/150 m2 = 400 Euro für Gebäude im Betriebsvermögen). Bei der Veräußerung zeigt sich aber der volle Effekt des § 8 EStDV: Die vollständige Steuerbefreiung bei Behandlung als Privatvermögen steht einem einkommen- und gewerbesteuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von (vereinfacht: Veräußerungspreis 300.000 Euro x 10 m2/150 m2 ./. Restbuchwert nach 20 Jahren 80.000 Euro x 10 m2/150 m2 = 14.667 Euro) bei Behandlung als Betriebsvermögen gegenüber.

Praxistipp | Künftig fällt der Malus der niedrigeren laufenden Abschreibung bei Behandlung als Privatvermögen gemäß § 8 EStDV für Arbeitszimmer in Neubauten weg. Denn nach dem 31.12.2022 fertiggestellte Gebäude dürfen gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG nach dem JStG 2022 auch im Privatvermögen mit drei Prozent abgeschrieben werden, sodass sich keine Differenz zum Betriebsvermögen mehr ergibt. Umso mehr sollte auf die Anwendung des § 8 EStDV geachtet werden.

Werden die Grenzen des § 8 EStDV bei Beginn der Nutzung des Arbeitszimmers oder später überschritten (im Grundsatz jährliche Prüfung), handelt es sich ohne Wahlrecht um notwendiges Betriebsvermögen. Die Besteuerung des auf das Arbeitszimmer entfallenden Gewinns kann bei Veräußerung der Wohnimmobilie dann nicht vermieden werden. Die Grenzen des § 8 EStDV sind zwar unumstößlich. Durch die zulässige Einbeziehung von Zubehörräumen kann aber ein günstigeres Flächenverhältnis erreicht werden. Zuordenbar sind z. B. auch

Beispiel

Unternehmensberater U nutzt ein häusliches Arbeitszimmer (15 m2) in seinem Wohnhaus (150 m2 Wohnfläche). Im Keller, Dachboden und der Garage stehen weitere 80 m2 Nutzfläche zur Verfügung. Der gemeine Wert des Grundstücks beträgt 300.000 Euro. Würden nur die Wohnflächen einbezogen, würde die absolute Grenze des § 8 EStDV von 20.500 Euro überschritten (15 m2/150 m2 x 300.000 Euro = 30.000 Euro). Bei Einbezug der Nutzflächen ist das nicht der Fall (15 m2/230 m2 x 300.000 Euro = 19.565 Euro).

  • Kellerräume,
  • Abstellräume,
  • Bodenräume,
  • Heizungsräume oder
  • Garagen.

Home-Office-Pauschale und Veräußerung der Immobilie

Die Home-Office-Pauschale ist als temporäres Kriseninstrument bisher kaum in die mittel- und langfristige Steuerplanung einbezogen worden. Durch die Verstetigung und Ausweitung ihres Anwendungsbereichs muss die Pauschale nun aber auch langfristig betrachtet werden.

War bis zum Jahr 2022 der Abzug der tatsächlichen Aufwendungen für das Arbeitszimmer beschränkt auf 1.250 Euro möglich, wenn kein anderer Arbeitsplatz für diese Tätigkeit zur Verfügung steht, entfällt diese Fallgruppe ab dem Jahr 2023. In entsprechenden Sachverhalten wird nur noch die abgeltende Home-Office-Pauschale gewährt. Letztlich ist es damit für den Betriebsausgabenabzug künftig ohne Bedeutung, ob das häusliche Arbeitszimmer ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird und wie hoch die tatsächlichen Kosten bzw. anteilige Abschreibung ausfallen, da ohnehin nur eine Pauschale abgezogen werden kann.

Fatale Steuerfolgen kennen und gegensteuern

Für Selbstständige bleibt es aufgrund der betrieblichen Nutzung im Grundsatz - trotz der Aufwandspauschalierung - aber beim Ausweis als Betriebsvermögen, mit der Folge, dass der auf das Arbeitszimmer entfallende Gewinn bei der Veräußerung der Wohnimmobilie der Einkommensteuer und ggf. der Gewerbesteuer unterliegt.

Strategische Maßnahmen ab dem Kalenderjahr 2023

Um die Besteuerung eines späteren Veräußerungsgewinns zu vermeiden, sollte daher ab dem Kalenderjahr 2023 geprüft werden, ob

Praxistipp | Diese Gestaltungsüberlegungen betreffen vor allem die erstmalige Aufnahme der Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers. Ist in den Vorjahren bereits der Ausweis als Betriebsvermögen erfolgt, kann der Wechsel ins Privatvermögen (auch im Anwendungsbereich des § 8 EStDV) nur durch die Besteuerung eines Entnahmegewinns zum aktuellen Zeitwert des Grundstücksanteils erfolgen. In diesen Fällen sollte die Entnahme des Arbeitszimmers ins Privatvermögen planmäßig in einem Jahr erfolgen, in dem der entstehende Gewinn durch Verluste in anderen Einkunftsarten oder höhere Sonderausgaben bzw. außergewöhnliche Belastungen „ausgeglichen“ werden kann.

  • aufgrund der Regelungen des § 8 EStDV als Grundstücksteil von untergeordneter Bedeutung eine Zuordnung zum Privatvermögen möglich ist oder
  • die betriebliche Nutzung des Raums tatsächlich mehr als 50 Prozent betrug (denn bei einem geringeren betrieblichen Nutzungsumfang liegt lediglich gewillkürtes (Wahl-)Betriebsvermögen vor, für das unabhängig der Grenzen des § 8 EStDV eine Zuordnung zum Privatvermögen möglich ist).

Veräußerungsgewinn: Garten nicht in Berechnung einbeziehen

Sowohl bei der Ermittlung des Entnahmegewinns als auch bei der Besteuerung des auf das Arbeitszimmer entfallenden Gewinns aus der Veräußerung der Immobilie sind selbstständige Wirtschaftsgüter auszugliedern, die nicht das genutzte Arbeitszimmer betreffen. Das hat das FG Münster entschieden (FG Münster, Urteil vom 18.10.2022, Az. 2 K 3203/19 E, Abruf-Nr. 232809).

Dort hatte ein Architekt Wohnung und Büro in einem Einfamilienhaus inkl. großem Garten, der 1995 komplett ausgekoffert und mit teuren Gewächsen ausgestattet worden war. Auf das Büro entfielen 22,62 Prozent der Wohnfläche. 2014 verkaufte der Architekt das Grundstück für 850.000 Euro. Das Finanzamt berechnete 22,62 Prozent des Gesamtkaufpreises in den Aufgabegewinn des Architekturbüros ein; den Wert des Gartens wollte das Finanzamt nicht herausrechnen, weil es sich bei dem Garten nicht um ein selbstständiges Wirtschaftsgut handele. Das sah das FG anders: Der Garten war steuerlich ein selbstständiges Wirtschaftsgut; er hatte keinen Zusammenhang mit dem Büro, denn dieses war im Dachgeschoss und der Garten somit nicht vom Büro aus zugänglich.

Wichtig | Um von der Münsteraner Entscheidung zu profitieren, müssen selbstständige Wirtschaftsgüter im notariellen Kaufvertrag bezeichnet und wertmäßig gesondert ausgewiesen werden.

AUSGABE: SSP 8/2023, S. 12 · ID: 49597557

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