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EinkommensteuerSehhilfen und Hörgeräte: So setzen Sie Ihre Aufwendungen steuerlich optimal ab
| Über 40 Mio. Steuerzahler verwenden eine Sehhilfe, über drei Mio. ein Hörgerät. Das sind beachtliche Zahlen. Da die Anschaffungskosten dieser medizinischen Hilfsmittel oft hoch ausfallen, stellt sich die Frage, wie Sie das Finanzamt an den Kosten beteiligen können. SSP erläutert nachfolgend, unter welchen Voraussetzungen sie als außergewöhnliche Belastung, Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind. |
Sehhilfen und Hörgeräte als medizinische Hilfsmittel
Bereits seit Jahrzehnten ist durch die Rechtsprechung des BFH klar: Sehhilfen und Hörgeräte stellen gewöhnlich kein Arbeits-, sondern ein medizinisches Hilfsmittel dar. Die Begründung: Aufwendungen, die ihrer Natur nach in erster Linie zur Behebung körperlicher Mängel dienen (wie etwa Aufwendungen für die Beschaffung eines Hörgeräts oder einer Brille), sind der privaten Lebenssphäre zuzurechnen. Sie sind den nach § 12 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung zuzuordnen.
Das gilt selbst dann, wenn die Behebung des Mangels zugleich im beruflichen oder betrieblichen Interesse liegt. Eine Trennung zwischen beruflicher und privater Veranlassung ist nicht möglich, weshalb selbst ein anteiliger Abzug als Werbungskosten oder Betriebsausgaben ausscheidet (BFH, Beschluss vom 21.09.2006, Az. GrS 1/06, Abruf-Nr. 100184).
Regelfall: Abzug als außergewöhnliche Belastung
Folgerichtig eröffnet sich die Möglichkeit, die Kosten als außergewöhnliche Belastung zu deklarieren (§ 33 EStG). Das Problem: Der Gesetzgeber unterstellt eine zumutbare (Eigen-)Belastung. Nur Aufwendungen, die diese Belastung überschreiten, führen mit dem übersteigenden Betrag zu einer Steuerentlastung. Die zumutbare Belastung beträgt zwischen einem und sieben Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte und wird stufenweise ermittelt.
Beispiel |
Melanie ist ledig, hat zwei minderjährige Kinder, ihr Gesamtbetrag der Einkünfte beträgt 55.000 Euro. Im Jahr 2022 sind bei ihr an außergewöhnlichen Belastungen 2.000 Euro angefallen (Krankheitskosten, neue Brille sowie neues Hörgerät). |
Folge: Von den außergewöhnlichen Belastungen wirken sich deshalb nur 464,70 Euro (2.000,00 Euro ./. 1.535,30 Euro) steuermindernd aus. |
Vorausschauende Planung zur Steueroptimierung
Möchten Sie steueroptimiert Ausgaben tätigen, sollten Sie vorausschauend planen und Ihre zumutbare Belastung im laufenden Jahr überschlägig ermitteln. Denn bei außergewöhnlichen Belastungen gilt das in § 11 Abs. 2 S. 1 EStG verankerte Abflussprinzip.
Beispiel |
Maltes zumutbare Belastung beträgt jährlich etwa 2.000 Euro. Bis November hat er außergewöhnliche Belastungen von etwa 500 Euro tragen müssen. Im Dezember erhält er die Rechnung für eine neue Gleitsichtbrille über 1.200 Euro. Er überlegt, ob er die Rechnung im aktuellen oder erst im kommenden Jahr bezahlen sollte. ... auch aus steuer-lichen Gesichtspunkten richtig timen Lösung: Die Grenze der zumutbaren Belastung wird im aktuellen Jahr auch unter Berücksichtigung der Kosten für die Brille nicht erreicht, weshalb sich keine steuerliche Entlastung ergeben würde. Malte sollte die Rechnung daher erst im folgenden Jahr begleichen. Kommen dann noch außergewöhnliche Belastungen von mindestens 800 Euro hinzu, kann er alle noch darüber hinaus gehenden Aufwendungen von der Steuer absetzen. |
Keine Sonderregelung für Bildschirm-Arbeitsplatzbrillen
Nach den vorgestellten Grundsätzen sind selbst die Aufwendungen für eine Bildschirm-Arbeitsplatzbrille nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen – auch wenn sie ausschließlich am Arbeitsplatz getragen wird. Denn: Die Brille korrigiert die Sehschwäche. Ohne Sehschwäche müsste die Brille nicht getragen werden (BFH, Urteil vom 20.07.2005, Az. VI R 50/03, Abruf-Nr. 053272). Damit können Sie auch Aufwendungen für eine Bildschirm-Arbeitsplatzbrille lediglich als außergewöhnliche Belastung geltend machen – nach Abzug der zumutbaren (Eigen-)Belastung.
Beispiel |
Max arbeitet acht Stunden am Tag am PC. Um seine Augen zu schonen, hat er sich für 300 Euro zzgl. USt eine Bildschirm-Arbeitsplatzbrille besorgt. Lösung: Die Aufwendungen stellen außergewöhnliche Belastungen dar. |
Arbeitgeber in die Pflicht nehmen
Viele Arbeitnehmer arbeiten beruflich regelmäßig an einem Bildschirm und benötigen deshalb eine Bildschirm-Arbeitsplatzbrille. In diesem Fall muss der Arbeitgeber gemäß § 6 Bildschirmarbeitsverordnung i. V. m. § 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz die Kosten der Bildschirm-Arbeitsplatzbrille tragen. Der Vorteil: Bei ihm stellen die Aufwendungen Betriebsausgaben dar. Zugleich erhält er vom Finanzamt unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG die gezahlte Vorsteuer in Höhe von 19 Prozent erstattet. Beim Arbeitnehmer, der die Brille erhält, ergibt sich kein Arbeitslohn. Die Brillengestellung stellt keinen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil dar. Damit fallen auf Ebene des Arbeitnehmers weder Steuern noch Sozialabgaben an.
Beispiel |
Max arbeitet acht Stunden am Tag am PC. Sein Arbeitgeber erwirbt für ihn eine Bildschirm-Arbeitsplatzbrille. Diese kostet 300 Euro zzgl. USt. Lösung: Während der Arbeitgeber die 300 Euro als Betriebsausgaben absetzt und zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ergibt sich für Max kein steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn. |
Wichtig | Für diese Konstellation hat der Gesetzgeber eine Hürde eingebaut: Die Steuer- und Beitragsfreiheit für den Arbeitnehmer ergibt sich nur, wenn ein Augenarzt vor der Anschaffung der Brille bescheinigt, dass die Sehhilfe notwendig ist (R 19.3 Abs. 2 Nr. 2 LStR). Die Bescheinigung eines Optikers allein reicht nicht aus. Ohne Bescheinigung stellt der Vorteil beim Arbeitnehmer steuer- und beitragspflichtigen Arbeitslohn dar; es ergibt sich auch keine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 34 EStG (BMF, Schreiben vom 20.04.2021, Az. IV C 5 – S 2342/20/10003 :003, Abruf-Nr. 221884, Rz. 34).
Der Abzug als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben
Nur in Ausnahmefällen gestattet das Finanzamt für den Erwerb einer Seh- oder Hörhilfe den Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten.
Ausnahme 1: Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
Ein Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ist zum einen dann möglich, wenn die Seh- oder Hörschwäche, auf deren Basis die Seh- oder Hörhilfe benötigt wird,
Beispiele |
... muss beruflich veranlasst sein Bei einem in einer Werkhalle arbeitenden Unternehmer explodiert in der Nähe eine Maschine. Durch den Knall wird der Gehörgang derart beschädigt, dass der Unternehmer ab sofort ein Hörgerät benötigt. Lösung: Die Aufwendungen sind als Betriebsausgaben abzugsfähig. |
Ein Psychotherapeut beschafft sich ein Hörgerät, damit er seine Patienten besser verstehen kann. Lösung: Die Aufwendungen sind nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten, sondern als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Es liegt weder ein Arbeitsunfall noch eine typische Berufskrankheit vor. |
- 1. durch einen Arbeitsunfall hervorgerufen wurde oder
- 2. auf einer typischen Berufskrankheit beruht.
Streben Sie den Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten an, wird das Finanzamt das regelmäßig an die Vorlage umfassender Nachweise für die betriebliche bzw. berufliche Veranlassung knüpfen. Sie sollten also umfassend dokumentieren, aufgrund welchen Arbeitsunfalls die Seh- oder Hörschwäche hervorgerufen wurde bzw. welche typische Berufskrankheit gegeben ist. Zudem ist zu empfehlen, bereits vor Erwerb der Sehhilfe oder des Hörgeräts eine ärztliche Bescheinigung einzuholen, die den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit dokumentiert und bestätigt, dass aufgrund dieses Ereignisses das Hilfsmittel erforderlich geworden ist.
Ausnahme 2: Schutzvorrichtungen
Anders als typische medizinische Hilfsmittel sind alle erforderlichen Schutzvorrichtungen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit immer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen. Der Grund: Entsprechende Vorrichtungen lassen sich leicht und einwandfrei von der privaten Veranlassung trennen, da eine rein betriebliche oder berufliche Grundlage für die Anschaffung gegeben ist. Schutzvorrichtungen können dabei auch in Form einer (Schutz-)Brille gegeben sein.
Beispiel |
Ein angestellter Schweißer erwirbt für die Arbeit eine Schutzbrille. |
Lösung: Es ergeben sich Werbungskosten. |
Ausnahme 3: Zerstörung von medizinischen Hilfsmitteln
Zwar berechtigt eine normale Brille oder ein Hörgerät wie dargestellt im Regelfall nicht zum Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug. Ist die „private“ Brille oder das Hörgerät jedoch während der betrieblichen bzw. beruflichen Tätigkeit beschädigt oder zerstört worden, können die Reparaturkosten bzw. die Kosten der Neuanschaffung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden. In diesem Fall hängt die Reparatur oder Neuanschaffung kausal mit der betrieblichen oder beruflichen Sphäre zusammen, sodass der private Charakter überlagert wird.
Beispiel |
... oder Neuanschaffung Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben dar Arbeitnehmer Bernd arbeitet als Maurer. Eines Tages fällt bei einer hektischen Bewegung seine Brille vom Gerüst; dabei wird eines der Gläser zerkratzt. Die Reparatur des Glases kostet 200 Euro. |
Lösung: Die Aufwendungen sind als Werbungskosten zu berücksichtigen. |
Wichtig | Auch hier gilt, dass dem Finanzamt glaubhaft gemacht werden muss, dass die Beschädigung / Zerstörung des Hilfsmittels im Betrieb verursacht worden ist. Bei Arbeitnehmern eignet sich idealerweise eine entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers.
AUSGABE: SSP 8/2023, S. 8 · ID: 49577073