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SonderausgabenKinderbetreuungskosten getrennter Eltern: So stellt sich die Sache nach neuem BFH-Urteil dar
| Eltern trennen sich und teilen die Kosten für die Kinderbetreuung – in der Praxis keine Seltenheit. Aber wie wird geteilt? Und unter welchen Voraussetzungen? Schließlich können Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben steuermindernd geltend gemacht werden und davon möchte jeder Elternteil profitieren. Beim BFH waren bis vor kurzem zu zwei Streitfragen in der Summe drei Revisionsverfahren anhängig. Eines davon hat der BFH jetzt entschieden. SSP bringt Sie auf den Stand der Dinge. |
Inhaltsverzeichnis
Die Grundsätze zum Sonderausgabenabzug
Betreuen Sie Ihre Kinder nicht nur selbst, sondern beauftragen damit auch weitere Personen, können Sie die Aufwendungen als Kinderbetreuungskosten geltend machen. Das regelt § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Damit das Finanzamt Ihre Kinderbetreuungskosten anerkennt, müssen Sie folgende Voraussetzungen erfüllen (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG):
- 1. Es muss sich um Dienstleistungen zur Betreuung handeln.Vier Voraussetzungen für den Abzug
- 2. Das Kind muss zu Ihrem Haushalt gehören.
- 3. Das Kind darf das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
- 4. Sie müssen eine Rechnung erhalten und diese unbar bezahlt haben.
Liegen die Voraussetzungen vor, können Sie die Kosten als Sonderausgaben absetzen. Jedoch nicht in voller Höhe, sondern nur zu 2/3 und mit max. 4.000 Euro pro Jahr und Kind (nicht pro Elternteil). Besonderheiten gelten, wenn beide Elternteile die Kinderbetreuungskosten steuerlich absetzen wollen.
Der Abzug bei getrennten Eltern
Bei getrennt lebenden Eltern, die keine Zusammenveranlagung beantragen können, sind zwei Streitfragen zu entscheiden:
Streitfrage 1: „Kind-gehört-zum-Haushalt“-Kriterium verfassungsgemäß?
Bei Streitfrage 1 geht es darum, ob auch derjenige Elternteil Kinderbetreuungskosten geltend machen kann, der die Voraussetzung „Kind gehört zum Haushalt“ nicht erfüllt, aber effektiv Aufwendungen für die Betreuung des gemeinsamen Kindes trägt bzw. getragen hat. Im Zentrum steht die Frage, ob § 10 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 EStG gegen das subjektive Nettoprinzip verstößt, das sich aus Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs.1 und Art. 6 Abs. 2 GG ableitet – und damit verfassungswidrig ist. Dazu waren beim BFH zwei Revisionsverfahren anhängig; eines davon hat der BFH jüngst ausgeurteilt:
- BFH-Az. III R 8/23:
- Vorinstanz: FG Köln, Urteil vom 19.01.2023, Az. 15 K 268/21, Abruf-Nr. 235997
- Urteilstenor der Vorinstanz: Ein Kind kann im Ausnahmefall auch zwei Haushalten zugehörig sein. Das setzt aber voraus, dass es (annähernd) paritätisch betreut wird und in beide Haushalte eingegliedert ist. Daran fehlte es im Streitfall. Der Vater hatte zwar ein Kinderzimmer eingerichtet und war in die wöchentlichen Betreuungsabläufe (tägliches Frühstück bei ihm sowie Bringen und Abholen aus der Kita) stark eingebunden. Anhand der geschilderten zeitlichen Abläufe und der gerichtlichen Umgangsvereinbarung sei für das FG aber erkennbar gewesen, dass das Kind überwiegend, insbesondere auch nachts, von der Mutter betreut wurde. Ihr zeitlicher Betreuungsanteil betrug deutlich über 50 Prozent. Bei einem zwei- bis dreijährigen Kind stellt dies nach dem Dafürhalten des FG die maßgebliche, für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit relevante, Betreuungstätigkeit dar. Der Lebensmittelpunkt und die Haushaltseingliederung des Kindes lagen dadurch im Haushalt der Mutter.
- BFH, Urteil vom 11.05.2023, Az. III R 9/22, Abruf-Nr. 236246:
- Vorinstanz: FG Thüringen, Bescheid vom 01.02.2022, Az. 3 K 210/21, Abruf-Nr. 229084
- Urteilstenor: Obwohl der Vater mit 299 Euro die Hälfte der Kosten für den Besuch des Kindergartens und des Schulhorts getragen hatte, lagen keine abziehbaren Sonderausgaben vor, da die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 EStG nicht erfüllt waren. Dem Sonderausgabenabzug stand entgegen, dass die Tochter im Streitjahr allein zum Haushalt der Mutter gehörte. Der steuerliche Abzug für die konkret getragenen Betreuungskosten lässt sich auch nicht auf eine andere Vorschrift des EStG stützen. Die als Verfahrensmangel des FG gerügte Verletzung der Pflicht, dem BVerfG die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG) zur verfassungsgerichtlichen Prüfung vorzulegen, liegt nicht vor. Auch verletzt § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG weder ein Eltern- bzw. Familiengrundrecht (Art. 6 GG) oder noch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).Kriterium „Haushaltszugehörigkeit“ bislang verfassungskonform
Streitfrage 2: Abzug beim paritätischen Wechselmodell?
Vom „Wechselmodell“ ist die Rede, wenn ein Kind gleichwertig in jeden Haushalt eines Elternpaars aufgenommen ist, das nicht miteinander verheiratet ist. In einem Fall vor dem FG Thüringen klagte ein Vater, dass er Kinderbetreuungskosten zur Hälfte getragen habe. Er trug vor, dass der Ausgleich der Kosten – hier an die Mutter – durch die Überlassung des Kindergelds in Anlehnung an den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch erfolgt sei, weil eine andere Handhabung (die hälftige Zahlung an den Träger) nicht möglich bzw. nicht praktikabel gewesen sei. Das FG lehnte den Abzug der geltend gemachten Kinderbetreuungskosten ab. Dem Vater können die von der Kindesmutter gezahlten Beträge nicht teilweise als eigener Aufwand zugerechnet werden. Die Anwendung der Rechtsgrundsätze zum abgekürzten Zahlungsweg führe zu keinem anderen Ergebnis (FG Thüringen, Urteil vom 23.11.2021, Az. 3 K 799/18, Abruf-Nr. 227334; Revision anhängig beim BFH – Az. III R 1/22).
Einspruch einlegen und Bescheide offen halten Praxistipp | Zwei Musterprozesse hängen noch beim BFH. Betroffene sollten Steuerbescheide bis zur jeweiligen Entscheidung des BFH offenhalten. Beim paritätischen Wechselmodell sollten die Elternteile – sofern möglich – die Kinderbetreuungskosten jeweils anteilig von ihren eigenen Konten überweisen, um zumindest dem Argument des Drittaufwands entgegentreten zu können. |
AUSGABE: SSP 8/2023, S. 6 · ID: 49581751