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Besondere VerfahrenssituationWenn zunächst außergerichtliche Folgesachen im Güterichterverfahren miterledigt werden

Abo-Inhalt24.05.20235257 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| In familienrechtlichen Verfahren kann es zu sog. Güterichterverfahren kommen. Den Anwalt stellt dies abrechnungsmäßig vor besondere Herausforderungen, insbesondere wenn er hinsichtlich der Folgesachen bereits außergerichtlich tätig gewesen ist, bevor das Güterichterverfahren eingeleitet worden ist. Dazu folgender Fall: |

Beispiel

Rechtsanwalt A hat für seine Mandantin M die Scheidung beantragt. Außergerichtlich verhandelt er über Folgesachen. Da sich die Beteiligten nicht einigen, wird die Sache einvernehmlich dem Güterichter übertragen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 278 Abs. 5 ZPO). Dort finden zwei Termine statt. Schließlich einigt man sich auf eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung. Im anschließenden Scheidungstermin wird die Scheidung ausgesprochen und der Versorgungsausgleich geregelt. Das Gericht setzt die Werte fest: Ehesache: 18.540 EUR; Versorgungsausgleich: 1.548 EUR; Mehrwert der Folgenvereinbarung: 198.094 EUR. A fragt, was er abrechnen kann.

1. Verfahren vor dem Güterichter zählt zum Rechtszug

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Verfahren vor dem Güterichter nicht um eine eigene Angelegenheit handelt. Vielmehr zählt das Verfahren vor dem Güterichter mit zum Rechtszug. Durch die Verweisung an den Güterichter wird (nur) ein bestimmter Verfahrensabschnitt einem anderen Richter übertragen. Uneins ist man sich lediglich, auf welche Vorschrift dabei abzustellen ist, also ob es sich um

  • außergerichtliche Verhandlungen i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG handelt, weil die dortigen Verhandlungen außerhalb des Erkenntnisverfahrens stattfinden (so Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., § 19 Rn. 29) oder
  • ein Verfahren vor dem ersuchten oder beauftragten Richter i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 RVG handelt (so Hessisches LSG NZS 15, 920).

Diese akademische Frage kann letztlich offenbleiben. Es besteht jedenfalls Einigkeit, dass ein Verfahren vor dem Güterichter Teil des zugrunde liegenden Verfahrens ist und daher keine gesonderte Angelegenheit auslöst.

2. Gerichtliche Vertretung

Für das Tätigwerden vor dem Familiengericht stehen dem Rechtsanwalt die folgenden Gebühren zu:

a) Verfahrensgebühr

Aus dem Wert der Scheidung (hier: 18.540 EUR) und des Versorgungsausgleichs (hier: 1.548 EUR) fällt die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG an.

Aus dem Vergleichsmehrwert (hier: 198.094 EUR) entsteht dagegen nur die 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 VV RVG. Wird der Vergleich nicht gerichtlich protokolliert, ist das unerheblich:

  • Denn nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG fällt die ermäßigte Verfahrensgebühr auch an, wenn vor Gericht lediglich Verhandlungen der Beteiligten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt werden.
  • Dies kann auch im Mediationstermin geschehen, der nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG mit zum Rechtszug gehört.

Beachten Sie | Nach § 15 Abs. 3 RVG erhält der Rechtsanwalt insgesamt nicht mehr als eine 1,3-Gebühr aus dem Gesamtwert (hier: 218.182 EUR).

b) Terminsgebühr

Aus dem Gesamtwert fällt eine Terminsgebühr an. Insofern ist die Terminsgebühr aus Ehesache und Versorgungsausgleich eindeutig. Da der Mediationstermin nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG mit zum Rechtszug gehört und die Terminsgebühr auch anfällt, wenn in einem Termin über nicht anhängige Gegenstände verhandelt wird (arg. e Nr. 3104 Abs. 4 VV RVG), entsteht die Terminsgebühr auch insoweit.

Hinweis | Die Terminsgebühr fiele darüber hinaus auch als sog. fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG an:

  • Bereits der Abschluss einer Einigung im gerichtlichen Verfahren, in dem – wie hier eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist – löst die Terminsgebühr aus.
  • Dies gilt ebenso, wenn ein Mehrwertvergleich geschlossen wird (OLG Saarbrücken AGS 10, 161).
  • Es kommt nicht darauf an, ob der Vergleich gerichtlich protokolliert wird – auch der außergerichtlich vor dem Notar geschlossene Vergleich gilt (BGH RVG prof. 20, 158).

Beachten Sie | Die Terminsgebühr entsteht allerdings insgesamt nur einmal (§ 15 Abs. 2 RVG), da das Güterichterverfahren mit zum Rechtszug gehört.

c) Einigungsgebühr

Die Einigungsgebühr ist im Beispielsfall lediglich aus dem Mehrwert entstanden, da die Parteien über die Ehesache und den Versorgungsausgleich keine Einigung getroffen haben. Vielmehr hat hierüber das Gericht entschieden. Das bloße Mitverhandeln nicht anhängiger Ansprüche führt nicht zur Anhängigkeit, sodass es insoweit bei der 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG bleibt.

Zum Beispiel: Gebühren im Scheidungsverbundverfahren

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 20.088 EUR)

1.068,60 EUR

0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 VV RVG (Wert: 198.094 EUR)

1.775,20 EUR

Die Grenze nach § 15 Abs. 3 RVG von 3.056,30 EUR, nicht mehr als 1,3 aus 218.182 EUR, ist nicht überschritten.

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 218.182 EUR)

2.821,20 EUR

1,5-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 198.094 EUR)

3.328,50 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

1.712,57 EUR

10.726,07 EUR

2. Außergerichtliche Vertretung

Soweit der Anwalt außergerichtlich hinsichtlich der Folgesachen tätig wird und diese Tätigkeit nicht als Annex gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG dem Rechtszug zuzurechnen ist (siehe LG Bonn AGS 22, 359), fällt zuvor eine Geschäftsgebühr an (Mittelgebühr = 1,5).

Zum Beispiel: Außergerichtliche Folgesachen

1,5-Geschäftsgebühr (Wert: 198.094 EUR), Nr. 2300 VV RVG

3.328,50 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

636,22 EUR

3.984,72 EUR

Diese Geschäftsgebühr ist hälftig, höchstens zu 0,75 (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG) im Scheidungsverbundverfahren anzurechnen.

Im Scheidungsverfahren wäre dann wie folgt abzurechnen:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 20.088 EUR)

1.068,60 EUR

0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 VV RVG (Wert: 198.094 EUR)

1.775,20 EUR

Gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen: 0,75 aus 198.094 EUR. Die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG von 3.056,30 EUR, nicht mehr als 1,3 aus 218.182 EUR, ist nicht überschritten

- 1.593,75 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 218.182 EUR)

2.821,20 EUR

1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 198.094 EUR)

3.328,50 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

1.409,75 EUR

8.829,50 EUR

Zusammenfassung | Das Verfahren vor dem Güterichter ist Teil des zugrunde liegenden Verfahrens und stellt keine gesonderte Angelegenheit dar. Für das Tätigwerden vor dem Familiengericht fallen verschiedene Gebühren wie Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr aus verschiedenen Teilwerten an. Hierbei ist die Grenze nach § 15 Abs. 3 RVG zu beachten. Wenn der Rechtsanwalt gesondert außergerichtlich tätig ist, entsteht eine Geschäftsgebühr, die im Scheidungsverbundverfahren teilweise angerechnet werden muss.

AUSGABE: RVGprof 6/2023, S. 106 · ID: 49420864

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