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LeserforumAnspruch auf Reisekostenerstattung, wenn Anwalt zu spät von Terminsverlegung unterrichtet wird?

Abo-Inhalt25.05.20235372 Min. Lesedauer

| Frage: Mein Mandant ist vom Gericht erst von der Verlegung einer mündlichen Verhandlung informiert worden, als er schon zu dem ursprünglichen Termin unterwegs war. Dafür sind ihm Reisekosten entstanden, die er nach erfolgreichem Rechtsstreit vom Gegner ersetzt verlangt. Letzterer wendet aber ein, dass dies keine Frage der Kostenerstattung sei, sondern dass dem Mandanten ein Amtshaftungsanspruch zusteht. Ist das korrekt? |

Antwort von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock (Koblenz): Nein. Die Frage, ob der erstattungsberechtigten Partei hinsichtlich der Reisekosten ein Amtshaftungsanspruch gegen einen Dritten zusteht, ist nicht vorrangig zur Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO zu klären (OLG Schleswig SchlHA 19, 442; LG Berlin NJW-RR 22, 1356; a. A. OLG Koblenz JurBüro 87, 128). Dazu folgender Fall:

Beispiel

Das Gericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst auf den 21.2. anberaumt, dann aber auf den 5.5. verfügt. Die zuständige Geschäftsstelle des Gerichts unterrichtet den Kläger K von der Terminsverlegung zu spät und K reist zum 21.2. an. Hierdurch entstehen ihm Reisekosten i. H. v. 300 EUR.

Der Beklagte B wird im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5.5. antragsgemäß verurteilt und muss die Kosten des Verfahrens tragen. Mit einem Kostenfestsetzungsantrag beantragt K u. a., gegen B für die Anreise zu dem Termin am 21.2. die Reisekosten von 300 EUR festzusetzen. B widerspricht dem und macht geltend, dass diese Kosten mit Rücksicht auf die Verlegung des Termins auf den 5.5. nicht erstattungsfähig seien. Dem K stehe hinsichtlich seiner Reisekosten ein Amtshaftungsanspruch gegen das Land zu. Ist das richtig?

Kostenerstattungsanspruch steht neben Amtshaftungsanspruch

Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch und ein Amtshaftungsanspruch stehen grundsätzlich nebeneinander. Die Ansprüche richten sich gegen verschiedene Verpflichtete und haben einen unterschiedlichen Gegenstand:

  • Prozessualer Kostenerstattungsanspruch: Anspruchsgrundlage ist die Veranlassung der Kosten und das formale Unterliegen im Prozessrechtsverhältnis (BGH NJW 88, 2032; BGH ZIP 14, 480). Hierbei kommt es weder auf ein Verschulden des Prozessgegners noch darauf an, ob mit der Entstehung der Kosten aufseiten des Erstattungsberechtigten dauerhaft eine Vermögenseinbuße verbunden ist oder ob dieser Einbuße ein materiell-rechtlicher Ersatzanspruch gegen Dritte ausgleichend gegenübersteht. Denn hier geht es nicht um den Ersatz eines materiellen Schadens. Aber selbst im Schadenersatzrecht (§ 255 BGB) würde das Bestehen eines Ersatzanspruchs gegen Dritte die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs gegen den Schädiger nicht ausschließen (BGH NJW 10, 1961).
  • Amtshaftungsanspruch: Dieser ist ein materiell-rechtlicher Schadenersatzanspruch, der sich nicht gegen den Prozessgegner (hier B), sondern gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft (hier das Bundesland) richtet. Soweit § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit des Geschädigten verweist, ergibt sich aus dem Bestehen eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs gegen den unterlegenen Prozessgegner eine Nachrangigkeit des Amtshaftungsverfahrens (Hansens ZfSch 17, 466; OLG Dresden ZfSch 18, 403). Im Klartext heißt dies im Beispiel: Dem K steht statt des Amtshaftungsanspruchs eine anderweitige vorrangige Ersatzmöglichkeit, nämlich ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegen B zu.

Notwendigkeit der Kosten hängt nicht von materieller Erstattungspflicht ab

Ob in einem Prozess veranlasste Kosten notwendig i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO waren, hängt nicht davon ab, ob diese Kosten möglicherweise durch einen Dritten aus materiell-rechtlichen Gründen zu ersetzen sind (LG Potsdam ZfSch 17, 466; OLG Dresden ZfSch 18, 403). Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO) ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte (BGH FK 19, 194). Gleiches gilt für die Notwendigkeit von Reisekosten gemäß § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Beachten Sie | Kommt es auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation an und ist insofern die Sachdienlichkeit der die Kosten auslösenden Maßnahme durch einen objektiven Betrachter zu bejahen (BGH RVG prof. 19, 24), ändert sich hieran nichts dadurch, dass die konkrete prozessuale Situation durch einen Dritten möglicherweise amtspflichtwidrig (mit-) verursacht wurde (vgl. OLG Schleswig, a. a. O).

Das heißt im Beispiel: Der Prozessbevollmächtigte des K hat seine anwaltliche Tätigkeit in Unkenntnis der Terminsverlegung erbracht. Diese Tätigkeit ist also zu diesem Zeitpunkt aus der maßgebenden Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig i. S. v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gewesen. Darauf, dass es der Beauftragung eines Anwalts in Anbetracht der zuvor erfolgten Terminsverlegung objektiv nicht mehr bedurfte, kommt es somit nicht an.

Einschränkende Kostenfestsetzung

Um einen ungerechtfertigten Vorteil aufseiten der erstattungsberechtigten Partei – hier des K – zu vermeiden, gilt: Der Ausspruch über die Kostenfestsetzung von Amts wegen ist mit der Einschränkung einer Zahlung nur Zug um Zug gegen die Abtretung der Ersatzansprüche zu verbinden.

Praxistipp | Im Rahmen einer Kostenfestsetzung gegen den unterlegenen Gegner sollten Sie in solchen Fällen Ihrem Kostenfestsetzungsantrag folgenden Zusatz beifügen (vgl. OLG Schleswig SchlHA 19, 442; LG Berlin NJW-RR 22, 1356): „Die von dem … an den … zu erstattenden Reisekosten werden auf … EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem … festgesetzt Zug um Zug gegen Abtretung eines möglichen Anspruchs aus Amtspflichtverletzung gegen den Justizfiskus.“

AUSGABE: RVGprof 6/2023, S. 94 · ID: 49427119

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