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AuslagenLadezeit bei Elektroauto als notwendige Reisezeit?
| Die politisch gewünschte Umstellung auf die E-Mobilität hat nun auch das RVG mit der folgenden Frage erreicht: Kann die Ladezeit für ein Elektroauto als notwendige Reisezeit zu einem gerichtlichen Termin abgerechnet werden – gilt sie als dem Verfahren zuzuordnender Zeitaufwand? Weder Literatur noch Rechtsprechung haben dieses Thema bislang behandelt. Das RVG berücksichtigt den Faktor „Zeit“ im Rahmen der auf Pauschgebühren beruhenden Vergütungsstruktur wie folgt: |
1. Fahrt-, Übernachtungskosten
Soweit Reise-, Warte- und Vorhaltezeiten die Abwesenheit des Anwalts vom Kanzleisitz verlängern, sind sie im Rahmen der Bemessung des Tage- und Abwesenheitsgeldes nach Nr. 7005 VV RVG zu berücksichtigen. Sie stellen im Übrigen keine Besonderheiten dar, die durch Ausweitung anderer Vergütungstatbestände aufgefangen werden können. Dass die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins u. U. mit einem – erheblichen – Zeitaufwand verbunden ist, beruht auf in der Person liegende Umstände des Rechtsanwalts. Dies wird durch den Anspruch auf Erstattung der entstandenen Fahrt- und Übernachtungskosten sowie auf Zahlung eines Tages- und Abwesenheitsgeldes ausgeglichen (Nr. 7003 ff. VV RVG; BGH BeckRS 15, 11905).
2. Rahmengebühren
Bei Rahmengebühren ist der Umfang (= der Zeitaufwand der anwaltlichen Tätigkeit) ein wesentlicher Bemessungsfaktor für die Höhe der Gebühren (§ 14 Abs. 1 RVG). Der Anwalt bestimmt daher im Einzelfall seine Gebühren nach billigem Ermessen. Insofern kann die Wartezeit u. U. Auswirkungen auf die Gebühren – nicht Auslagen – haben. Hierbei ist allerdings der konkrete Einzelfall entscheidend.
3. Hauptverhandlung
Kommt es für eine Gebühr auf die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung an, sind auch Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen. Dies gilt nicht für Wartezeiten und Unterbrechungen, die der Rechtsanwalt zu vertreten hat. Nicht berücksichtigt werden zudem Unterbrechungen von jeweils mindestens einer Stunde, soweit diese unter Angabe einer konkreten Dauer der Unterbrechung oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet wurden (vgl. Vorbemerkung 4.1 Abs. 3 VV RVG).
Beachten Sie | Der Vergütungsstruktur nach dem RVG liegt eine Mischkalkulation zugrunde, die gerade nicht für jeden Einzelfall auf eine strikte Äquivalenz zwischen aufgewendeter Zeit des Anwalts und seiner Vergütung abstellt. Wie das JVEG Wartezeiten im Honorar für Sachverständige, Dolmetscher oder Übersetzer mitabgilt (vgl. § 8 Abs. 2 JVEG), gilt dies auch für die Vergütung für Rechtsanwälte. Sie können die Frage der Erstattung von Reisezeiten ggf. im Rahmen einer Mandatsvereinbarung individuell verhandeln.
AUSGABE: RVGprof 6/2023, S. 105 · ID: 49427174