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VerwaltungsprozessFür Beibringung eidesstattlicher Versicherungen gibt es eine Erledigungsgebühr

Top-BeitragAbo-Inhalt24.02.20232484 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Die folgende Konstellation löst nach Ansicht des VG Köln eine Erledigungs- und eine fiktive Terminsgebühr aus: Der Prozessbevollmächtigte holt in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren überobligationsmäßig eidesstattliche Versicherungen von dritten Personen ein, um das tatsächliche Vorbringen seiner Partei zu untermauern und glaubhaft zu machen. Die beklagte Behörde nimmt daraufhin – wenn auch auf Hinweis des Gerichts – den angefochtenen Verwaltungsakt zurück. |

Sachverhalt

Die beklagte Behörde B hatte die Klägerin K zu Rundfunkgebühren für die von ihr bewohnte Wohnung herangezogen. Hiergegen erhob K eine Anfechtungsklage. Sie machte geltend, dass ihre Wohnung im Veranlagungszeitraum wegen umfangreicher Reparatur- und Renovierungsarbeiten nicht bewohnbar gewesen und sie erst später eingezogen sei. Dazu legte sie Handwerkerrechnungen und Fotos vor und benannte Nachbarn und Familienangehörige als Zeugen. Ungeachtet dessen bestand B weiterhin auf Zahlung der Rundfunkgebühren. Nach einer Anregung des Gerichts bereitete der Prozessbevollmächtigte der K eidesstattliche Versicherungen für die Familienangehörigen und Nachbarn vor, holte deren Unterschriften ein und reichte die Erklärungen bei Gericht ein. Auf Hinweis des Gerichts nahm B den Gebührenbescheid zurück und erklärte die Kostenübernahme. Das VG Köln bejahte, dass für den Anwalt der K neben der Verfahrensgebühr auch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG sowie eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG entstanden sind (12.1.23, 6 K 5041/21, Abruf-Nr. 233715).

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung ist zutreffend. Es besteht keine Verpflichtung eines Prozessbevollmächtigten, in einem Erkenntnisverfahren eidesstattliche Versicherungen zu entwerfen, einzuholen und vorzulegen. Dies geht deutlich über die geschuldete Prozessvertretung hinaus. So hat das VG Regensburg in einem vergleichbaren Fall dem Prozessbevollmächtigten ebenfalls eine Erledigungsgebühr zugesprochen, in dem die Klägervertreterin die Stellungnahme eines Dritten eingeholt und dem Gericht vorgelegt hatte; dies hatte zur Erledigung des Verfahrens geführt (3.8.22, RN 1 K 17.33546).

Korrekterweise ist auch eine Terminsgebühr zugesprochen worden. Bei einem erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren handelt es sich um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung (§ 101 Abs. 1 S. 1 VwGO), sodass Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV RVG anwendbar ist. Mit der Neufassung dieser Vorschrift durch das KostRÄndG 2021 ist klar geregelt, dass in Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung eine fiktive Terminsgebühr ohne weitere Voraussetzungen nicht nur bei einer Einigung der Parteien nach Nr. 1000 VV RVG, sondern auch bei Zustandekommen einer Erledigung i. S. d. Nr. 1002 VV RVG entsteht. Denn die fiktive Terminsgebühr in verwaltungsrechtlichen Verfahren soll nicht daran scheitern, dass dort eine Einigung nicht möglich ist, sondern nur eine Erledigung in Betracht kommt (RVG prof. 21, 134). Im Einzelnen gilt:

Die Erledigungsgebühr stellt eine Art Ersatz für die in verwaltungsgerichtlichen Verfahren i. d. R. nicht mögliche Einigungsgebühr dar. Sie ist eine Erfolgsgebühr, die das besondere Bemühen des Rechtsanwalts um eine außergerichtliche Erledigung der Sache (im jeweiligen Verfahren) honorieren soll (OVG NRW 31.10.11, 14 E 856/11). Die anwaltliche Mitwirkung i. S. v. Nr. 1002 VV RVG setzt insofern voraus: Der Prozessbevollmächtigte muss an der Erledigung in einem Umfang Einfluss genommen haben, der über das hinausgeht, was von ihm allgemein im Rahmen seiner Prozesstätigkeit zu erwarten ist. Der Anwalt muss sich also besonders bemühen. Und dieses Tätigwerden darf durch die bis dahin entstandenen Gebühren noch nicht als abgegolten angesehen werden.

Im vorliegenden Fall hätte es der Anwalt der K auch dabei bewenden lassen können, die Bewohnbarkeit der Wohnung mit Blick auf die Sanierungsarbeiten zu bestreiten und hierfür Zeugen anzubieten. Die Beibringung strafbewehrter eidesstattlicher Versicherungen diente vor diesem Hintergrund dazu, den Rechtsstreit gerade nicht einer streitigen Entscheidung durch das Gericht zuzuführen, sondern ohne eine solche eine Aufhebung der Beitragsfestsetzung durch B zu erreichen. Insofern ging das Einholen der eidesstattlichen Versicherungen über die gewöhnliche Prozessvertretung hinaus.

Erforderlich ist darüber hinaus, dass die Mitwirkung des Rechtsanwalts für die Erledigung des Rechtsstreits kausal gewesen ist. Nr. 1002 S. 1 VV RVG enthält keine rechtliche Vermutung für die Ursächlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Hat aber der Rechtsanwalt eine auf die Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsakts gerichtete Tätigkeit entfaltet und wird anschließend der Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert, spricht eine tatsächliche Vermutung für die Ursächlichkeit seines Handelns. Bei gegenteiligen Anhaltspunkten kann die Kausalität wiederum verneint werden (OVG NRW 19.12.13, 16 E 204/13).

Eine andere Sichtweise ist auch nicht deswegen angezeigt, weil das Gericht selbst darauf hingewiesen hat, schriftliche Versicherungen an Eides statt einzuholen und vorzulegen. Damit hat das Gericht der Klägerseite nur einen möglichen Weg gezeigt. Mit Blick auf den Amtsermittlungsgrundsatz des Gerichts (vgl. § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO) war K nicht verpflichtet, der Anregung zu folgen und solche Bemühungen zu entfalten. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Aufhebung der angefochtenen Festsetzung durch B erst erfolgt ist, nachdem das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass es die Unbewohnbarkeit der Wohnung – nach der Vorlage der Erklärungen und der Rechnungen in Bezug auf Bauarbeiten – als nachgewiesen ansehe. Die Nachweise der Unbewohnbarkeit blieben mitursächlich dafür, dass B an der Beitragsfestsetzung nicht festgehalten hat.

AUSGABE: RVGprof 3/2023, S. 42 · ID: 49045598

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