FeedbackAbschluss-Umfrage

RäumungsvollstreckungÖffentliche Versteigerung und außergerichtliche Verwertung: Das können Sie abrechnen

Abo-Inhalt30.11.202210003 Min. LesedauerVon Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Im Rahmen einer Räumungsvollstreckung nach § 885a ZPO (sog. beschränkter Vollstreckungsauftrag) wird der Gläubiger in den Besitz der ehemals vom Schuldner bewohnten Wohnung eingewiesen. Fordert der Schuldner seine dort verbliebenen beweglichen Sachen nicht binnen eines Monats heraus, kann der Gläubiger diese verwerten (§ 885a Abs. 3 ZPO). Mit der Verwertung kann der Gläubiger einen Rechtsanwalt beauftragen. Dieser kann seine Tätigkeit wie folgt abrechnen: |

1. Allgemeines Verfahren

§ 885a Abs. 4 ZPO regelt das weitere Verfahren zur Aufbewahrung und Liquidierung der in der zu räumenden Wohnung vorgefundenen beweglichen Sachen: Werden diese binnen der Monatsfrist nicht herausverlangt („abgefordert“), kann der Gläubiger sie nach §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 BGB über die Hinterlegung, Versteigerung und den Verkauf verwerten. Oft handelt es sich bei den in der Wohnung zurückgelassenen Gegenständen um nicht hinterlegungsfähige Sachen. Hier wird vorrangig eine öffentliche Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher oder eine sonst dazu befugte Person nach § 383 BGB in Betracht kommen.

2. Eine oder mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten?

Für die anwaltlichen Gebühren kommt es darauf an, ob es sich bei dem beschränkten Räumungsauftrag und dem Auftrag zur Verwertung um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit handelt (vgl. § 15 Abs. 2 RVG). Nach dem BGH betreffen weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen regelmäßig dieselbe Angelegenheit, wenn

  • zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und
  • sie sowohl inhaltlich
  • als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (RVG prof. 19, 197).

Dabei kann ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit auch noch vorliegen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben erfüllen muss. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Der Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Entscheidend ist insofern, ob sich der Anwalt um hinterlegungsfähige Sachen oder nicht hinterlegungsfähige Sachen kümmern soll.

a) Hinterlegungsfähige Sachen

Nach § 372 BGB sind Geld, Wertpapiere (z. B. Aktien) und sonstige Urkunden (z. B. Sparbücher, Hypotheken-, Grundschuldbriefe) sowie Kostbarkeiten (z. B. Edelsteine, Uhren, Schmuck, Briefmarken) beim AG zu hinterlegen (MüKo/Fetzer, BGB, 9. Aufl., § 372 Rn. 16).

Beispiel: Vereinfachte Räumung

Gläubiger G beauftragt seinen Rechtsanwalt R mit der Räumung der Wohnung nach § 885a ZPO. R beauftragt den Gerichtsvollzieher. Nach erfolgter Besitzeinweisung des G befinden sich in den Räumlichkeiten noch a) ein Goldring (Wert: 3.000 EUR), b) eine Stereo-Sound-Anlage (Wert: 2.000 EUR) und c) mehrere Aktien. Nach fruchtlosem Ablauf der Monatsfrist wird R mit der Verwertung nach § 885a Abs. 4 ZPO beauftragt.

Lösung Ring

R muss den Goldring nach § 372 BGB beim AG – Hinterlegungsstelle – hinterlegen. Da er zunächst nur mit der vereinfachten Räumung beauftragt worden war, hat sich dieser Auftrag mit der Besitzeinweisung durch den Gerichtsvollzieher erledigt. Erst danach ist die Verwertung durch Hinterlegung notwendig geworden. Hierfür hat G dem R einen gesonderten Auftrag erteilt und R hat die Sachen beim AG hinterlegt. Insofern liegt kein einheitlicher Rahmen mehr vor. Die Tätigkeiten vor der Hinterlegungsstelle stellt für R ein gesondertes gerichtliches Verfahren und damit eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit dar. R kann wie folgt abrechnen:

1,3-Verfahrensgebühr aus 3.000 EUR, Nr. 3100 VV RVG

288,60 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

58,63 EUR

367,23 EUR

b) Nicht hinterlegungsfähige Sachen nach § 383 BGB

Nicht hinterlegungsfähige Sachen sind nach § 383 BGB durch den Gerichtsvollzieher öffentlich zu versteigern. Zuständig sind die Gerichtsvollzieher, die Notare (§ 20 Abs. 3 BNotO) und die von den zuständigen Landesbehörden gemäß § 34b Abs. 5 GewO bestellten Personen (MüKo/Fetzer, BGB, a. a. O., § 383 Rn. 6 m. w. N.).

Lösung Stereo-Sound-Anlage

R beauftragt mit der Versteigerung der Stereo-Sound-Anlage einen Gerichtsvollzieher. Auch diese Tätigkeit ist eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit. Da die Tätigkeit außerhalb der Zwangsvollstreckung stattfindet, löst dies keine Gebühren nach Nrn. 3309 ff. VV RVG aus. Vielmehr handelt es sich bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt um eine außergerichtliche Tätigkeit, die nach Nr. 2300 VV RVG zu vergüten ist. Der Gegenstandswert ermittelt sich nach dem zu hinterlegenden Erlös. Der hinterlegte Erlös tritt entsprechend § 1247 BGB an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Sache. Der Anspruch des Schuldners wandelt sich in einen Geldanspruch in Höhe des hinterlegten Betrags um (vgl. MüKo-BGB/Fetzer, a. a. O., § 383 Rn. 8 m. w. N.). Dieser Betrag stellt somit im Ergebnis den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit dar. Insofern kann R bei einer durchschnittlichen Angelegenheit wie folgt abrechnen:

1,5-Geschäftsgebühr aus 2.000 EUR, Nr. 2300 VV RVG

249,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

51,11 EUR

320,11 EUR

c) Nicht hinterlegungsfähige Sachen nach § 385 BGB

Ein freihändiger Verkauf kommt nach § 385 BGB bei nicht hinterlegungsfähigen Sachen in Betracht, wenn diese einen Börsen- oder Marktpreis haben. Der Verkauf muss entweder durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmakler (§§ 93 ff. HGB) oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person erfolgen. Die Ermächtigung von Handelsmaklern erfolgt durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden, kommt aber praktisch kaum noch vor. Zu den Personen, die zur öffentlichen Versteigerung berechtigt sind, zählen Gerichtsvollzieher bzw. Notare.

Lösung Aktien

R beauftragt den Gerichtsvollzieher mit dem Verkauf der Aktien. Dieser verkauft die Aktien zu einem aktuellen Börsenpreis von 5.000 EUR an einen Dritten. Diese Tätigkeit stellt eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit dar. Die Tätigkeit findet außerhalb der Zwangsvollstreckung statt. Dies löst eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus. Der Gegenstandswert ermittelt sich hierbei allerdings nach dem Betrag, zu dem die Sache verkauft wurde. R kann wie folgt abrechnen:

1,5-Geschäftsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 2300 VV RVG

501,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

98,99 EUR

619,99 EUR

Beachten Sie | Unterm Strich addiert sich die Vergütung des R auf 1.307,33 EUR (= 367,23 EUR + 320,11 EUR + 619,99 EUR).

3. Notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung

Gemäß § 885a Abs. 7 ZPO gelten u. a. die im Rahmen der Verwertung anfallenden Kosten als Kosten der Zwangsvollstreckung. Sie fallen gemäß § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO dem Schuldner zur Last. Hierdurch wird dem Gläubiger die Beitreibung der angefallenen Kosten mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch in der Hauptsache ermöglicht.

Eines gesonderten Vollstreckungstitels, dem ein weiteres Erkenntnisverfahren vorauszugehen hätte, bedarf es daher nicht (BT-Drucksache 17/10485, 33). Möglich ist aber auch, dass diese Kosten verzinslich gegen den Schuldner festgesetzt werden und sodann aufgrund des ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vollstreckt werden können.

AUSGABE: RVGprof 12/2022, S. 211 · ID: 48712358

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte