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PflichtverteidigungHaftprüfungstermin: Das bekommt der Vertreter
| Die Frage, welche Vergütung der vertretungsweise für einen Haftprüfungstermin bestellte Rechtsanwalt erhält, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Das AG Tiergarten gewährt Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr. |
Sachverhalt
Abruf-Nr. 232205
Rechtsanwalt R 2 war vom AG gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO für den Haftprüfungstermin als Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers R 1 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Die Beiordnung sollte mit dem Termin enden, das Gericht ordnete aber nicht an, dass Gebühren und Auslagen nicht doppelt entstehen. Auch R 2 gab keine entsprechende Verzichtserklärung ab. Das AG Tiergarten setzte deshalb zugunsten des R 2 die Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG, die Verfahrensgebühr nach Nr. 4105 VV RVG und die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG und nicht nur die Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG fest (14.10.22, [278 Ds] 265 Js 277/22 [110/22], Abruf-Nr. 232205).
Relevanz für die Praxis
Das Gericht beschränkte sich zu Recht nicht nur auf eine Terminsgebühr. Denn hier ging es um die Wahrnehmung eines Haftprüfungstermins, für den es einer gründlichen und umfassenden Einarbeitung in die Sache bedarf. Nur so kann der beigeordnete Verteidiger sowohl zum Bestehen eines dringenden Tatverdachts gegen den Mandanten als auch zum Vorliegen eines Haftgrunds Stellung nehmen (ebenso zum alten Recht der Pflichtverteidigung: LG Aachen 29.10.20, 60 Qs 47/20; LG Magdeburg StraFo 18, 314; AG Halle/Saale RVG prof. 22, 170; zum neuen Recht: LG Magdeburg AGS 21, 427; a. A. zum alten Recht: OLG Celle StraFo 18, 534; LG Leipzig RVGreport 19, 338).
Das ist bei einer meist auf den Terminstag einer mehrtägigen Hauptverhandlung oder auch nur die kurze Zeitspanne eines mehrstündigen Hauptverhandlungstermins beschränkten Vertretung des originären Verteidigers anders. Dort wird der Terminsvertreter in aller Regel lediglich mit einem sehr begrenzten Prozessstoff konfrontiert; essenzielle Dinge werden in einem solchen lediglich mit einem Terminsvertreter besetzten Hauptverhandlungstermin nicht erörtert.
Das AG verweist zwar darauf, dass diese anwaltsfreundliche Ansicht durchaus Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen könne. Denen kann man jedoch durch Terminsabsprachen mit dem originär bestellten Verteidiger und im Fall dessen kurzfristig eintretender Verhinderung ggf. nach Möglichkeit mit einer Terminsverlegung begegnen. Soweit jedoch ein Haftprüfungstermin mit dem originär bestellten Verteidiger nicht möglich sein sollte und für den Haftprüfungstermin ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet wird, ist die Auslösung aller Gebührentatbestände wie für den originären Verteidiger hinzunehmen.
AUSGABE: RVGprof 12/2022, S. 204 · ID: 48708107