Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Dez. 2022 abgeschlossen.
StrafprozessKostRÄG 2021: Wann gilt altes, wann neues Recht?
| Nach dem Inkrafttreten der RVG-Änderungen durch das KostRÄG 2021 stellt sich in der Praxis derzeit häufiger die Frage, ob noch das alte oder das i. d. R. günstigere neue Recht mit im Zweifel höheren Gebühren für den Rechtsanwalt angewendet wird. Das OLG Celle hat insofern zu den Gebühren eines Nebenklägervertreters Stellung genommen. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
. 231955
Der Nebenklägervertreter hatte sich noch im Dezember 2020 für den Geschädigten legitimiert und Akteneinsicht beantragt. Die Anklage zum Schwurgericht ist im März 2021 erhoben worden. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat unter Verweis auf § 60 Abs. 1 S. 1 RVG für sämtliche Verfahrensabschnitte die Gebührensätze in der bis zum 31.12.20 geltenden Fassung angesetzt. Dagegen hat der Rechtsanwalt mit Erfolg Erinnerung eingelegt (OLG Celle 22.9.22, 1 Ws 51/22, Abruf-Nr. 231955).
Relevanz für die Praxis
Ob für das gerichtliche Strafverfahren altes oder neues Gebührenrecht gilt, richtet sich danach, ob dem Rechtsanwalt der unbedingte Auftrag zur Durchführung vor oder nach dem 1.1.21 erteilt worden ist (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich nach § 17 Nr. 10a RVG bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt (vgl. Volpert, StraFo 21, 188, 189; Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Teil A Rn. 105, 142). Trotz einer – wie hier – umfassenden zeitgleichen Beauftragung durch den Geschädigten sowohl für das Ermittlungs- als auch für ein gerichtliches Verfahren handelt es sich deshalb gebührenrechtlich um zwei verschiedene Aufträge (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., § 60 Rn. 6).
Für die zwei Aufträge kann dann also auch unterschiedliches Recht gelten – je nachdem, ob vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.21 ein unbedingter Auftrag zur Vertretung des Geschädigten in einem gerichtlichen Verfahren vorgelegen hat. Im vorliegenden Fall sind zum Zeitpunkt der Auftragsannahme durch den Rechtsanwalt Ende des Jahres 2020 gleichzeitig ein unbedingter Auftrag für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein bedingter Auftrag für ein nachfolgendes Strafverfahren erteilt worden. Letzteres hat unter der Bedingung einer Anklageerhebung durch die Strafverfolgungsbehörde gestanden. Für die gebührenrechtliche Betrachtung nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG ist deshalb für das Gerichtsverfahren der spätere Zeitpunkt des Bedingungseintritts maßgeblich (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, a. a. O., §§ 60 f. Rn. 13; Toussaint/Toussaint, Kostengesetze, 52. Aufl., § 60 RVG Rn. 9).
Beachten Sie | Diese Entscheidung gilt im Übrigen nicht nur für die Auftragserteilung im Nebenklagemandat, sondern auch für den Auftrag zur Verteidigung eines Beschuldigten. Das Tätigwerden im gerichtlichen Verfahren für den Beschuldigten hängt vom Zeitpunkt der Anklageerhebung ab.
AUSGABE: RVGprof 12/2022, S. 203 · ID: 48632826