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ErbrechtGebühren im Erbscheinbeschwerdeverfahren

Abo-Inhalt27.06.20226360 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Kommt es in einer Erbscheinangelegenheit zu einem Beschwerdeverfahren vor dem OLG, ist häufig strittig, welche Gebühren abzurechnen sind und welcher Gegenstandswert gilt. Der folgende Beitrag klärt auf. |

1. Anwaltsgebühren

Beschwerden in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen Endentscheidungen in der Hauptsache sind gebührenrechtlich einer Berufung gleichgestellt. Nach Vorbem. 3.2.1 VV RVG Nr. 2b VV RVG erhält ein Anwalt daher die Gebühren eines Berufungsverfahrens nach Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG. Das sind also die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG und die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG (OLG Braunschweig 10.3.22, 3 W 3/22).

a) Besonderheit Verfahrensgebühr: Ermäßigung von 1,6 auf 1,1 möglich

Eine Besonderheit ergibt sich bezüglich der Verfahrensgebühr aus Anm. Abs. 2 Nr. 2 zu Nr. 3201 VV RVG: Soweit nur eine Beschwerde eingelegt, begründet und die Entscheidung des Gerichts entgegengenommen wird, reduziert sich die Verfahrensgebühr auf 1,1.

Merke | Nach dem Gesetz soll dem Anwalt nicht in allen Beschwerdeverfahren eine 1,6-Verfahrensgebühr zustehen. Grundsätzlich soll er zwar eine höhere Vergütung (als die frühere 0,5-fache Gebühr nach alter Rechtslage bis zum 31.7.13) erhalten. Bleibt es allerdings bei der Rechtsmitteleinlegung und seiner Begründung und muss der Anwalt keine weiteren Tätigkeiten entfalten, als später die Entscheidung des Gerichts entgegenzunehmen, ist dies mit einer 1,1-fachen Gebühr angemessen vergütet. Damit sollen insbesondere die einseitigen Verfahren erfasst werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. KostRMoG, BT-Drucksache 17/11471, S. 277). Häufig gibt es in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keinen echten Gegner, der sich beteiligt oder der sich gegen ein Rechtsmittel wehrt. Insofern bleibt die Sache „einseitig“ und der Anwalt hat es nur mit dem Gericht zu tun.

Geht die Tätigkeit des Anwalts jedoch über das einseitige Verfahren hinaus und findet weitere Korrespondenz statt (weil sich der Gegner am Verfahren beteiligt und auf seine Einlassung erwidert werden muss) oder kommt es zu einem Termin, greift die Ermäßigung gemäß Anm. Abs. 2 Nr. 2 zu Nr. 3201 VV RVG nicht mehr. Hier erhält der Anwalt die volle 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG (vgl. OLG Braunschweig, a. a. O.; OLG Stuttgart ZEV 14, 356).

b) Terminsgebühr

Sofern es zu einem Termin kommt, entsteht auch eine 1,2-Terminsgebühr. Diese Gebühr entsteht nur unter den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG. Eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 VV RVG i. V. m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG kommt hier nicht in Betracht, da in Erbschein-(beschwerde-)verfahren keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (§ 32 FamFG).

2. Geschäftswert

Strittig ist, welcher Geschäftswert anzusetzen ist, wenn mit der Beschwerde nicht die Ausgangsentscheidung insgesamt angegriffen wird:

  • Teilweise wird hier angenommen, dass im Beschwerdeverfahren § 40 GNotKG uneingeschränkt gilt. Danach ist immer vom vollen Nachlasswert auszugehen. Die Auffangvorschrift des § 36 GNotKG wird von dem speziell für das Erbscheinverfahren geltenden § 40 GNotKG verdrängt (OLG Köln AGS 17, 519; OLG Karlsruhe EE 16, 128).
  • Nach anderer Auffassung ist auf das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers abzustellen. Es ist also danach zu fragen, inwieweit er eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung begehrt, also inwieweit sich sein Erbteil infolge der begehrten Anwachsung erhöhen würde (OLG Düsseldorf FamRZ 16, 1879; OLG Hamm EE 15, 165; OLG Dresden EE 16, 45).

Beachten Sie | Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Wertfrage kann nicht erwartet werden. Denn es ist keine Rechtsbeschwerde im Wertfestsetzungsverfahren nach dem GNotKG vorgesehen, und eine Beschwerde zum BGH ist ausgeschlossen (§ 83 Abs.1 S. 5 i. V. m. § 81 Abs. 3 S. 3 GNotKG).

3. Gegenstandswert

Folgt man der Auffassung, dass beim Geschäftswert der volle Wert des Nachlasses zu berücksichtigen ist, stellt sich die weitere Frage, ob dieser volle Wert auch für die Anwaltsgebühren gilt. Hier ist – ebenso wie in der ersten Instanz (BGH NJW 68, 2334 = NJW 77, 584) – nur auf das Interesse des eigenen Mandanten abzustellen. Ein abweichender Gegenstandswert wäre im Verfahren nach § 33 RVG gesondert festzusetzen.

Beispiel

Auf Antrag des Antragstellers A hat das Nachlassgericht gemäß § 352e FamFG festgestellt, dass die zur Begründung seines Erbscheinantrags erforderlichen Tatsachen gegeben sind. Gegen diesen Beschluss legt B Beschwerde ein und macht geltend, dass er zu 1/2 Miterbe ist. Die Tatsachenfeststellung sei daher unzutreffend. Die Parteien wechseln Schriftsätze und das OLG weist die Beschwerde des B ohne mündliche Verhandlung zurück. Der Wert des Nachlasses beträgt 100.000 EUR – der Geschäftswert ist 50.000 EUR. Welche Gebühren können die von A und B eingeschalteten Anwälte abrechnen?

Lösung:

Da B lediglich sein Erbrecht zu 1/2 reklamiert, ist der Gegenstandswert für seinen Anwalt auf die Hälfte des Geschäftswerts festzusetzen. Gleiches gilt für den Anwalt des A, da sein Auftrag nur dahin geht, den Verlust eines halben Erbteils abzuwehren (vgl. OLG Karlsruhe EE 16, 128; OLG Bamberg ZEV 21, 647). Die beiden Anwälte können folgendermaßen abrechnen:

1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG (Wert: 50.000 EUR)

2.046,40 EUR

Postpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

  392,62 EUR

2.549,02 EUR

AUSGABE: RVGprof 7/2022, S. 122 · ID: 48407597

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