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MandatsverhältnisAnwalt muss nur in bestimmten Fällen ungefragt über die Honorarhöhe aufklären
| Ungefragt muss der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber grundsätzlich nicht auf die bisher entstandenen oder noch entstehenden Gebühren hinweisen. Die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung muss er nur ausnahmsweise mitteilen. Das ist das Fazit des OLG München. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Abruf-Nr. 229254
Für einen Kündigungsschutzprozess hatte der (ehemalige) Mandant mit dem beklagten Rechtsanwalt eine Vergütungsvereinbarung getroffen. Diese sah ein anwaltliches Stundenhonorar von 340 EUR netto, mindestens aber die gesetzliche Vergütung, sowie eine „Nachverhandlungsklausel” für ein Pauschalhonorar vor. Letzteres sollte sich am Dreifachen der gesetzlichen Vergütung orientieren und dem Verlauf und den Besonderheiten des Mandats Rechnung tragen. Nachdem der Rechtsstreit durch einen Vergleich inkl. einer Abfindungszahlung beendet worden war, ersetzten die Parteien die ursprüngliche Honorarabrede und vereinbarten ein Pauschalhonorar von 12.000 EUR brutto. Der Anwalt rechnete daraufhin mit der Rechtsschutzversicherung ab und verrechnete die vom Arbeitgeber auf sein Anderkonto bezahlte Abfindung mit seinem restlichen Vergütungsanspruch aus dem Pauschalhonorar. Der Mandant verlangte vergeblich, die verrechnete Abfindung zu zahlen (OLG München 2.2.22, 15 U 2738/21 Rae, Abruf-Nr. 229254).
Relevanz für die Praxis
Das Urteil schließt nicht aus, dass eine Vorgehensweise des Anwalts – wie hier – in anderen Fallkonstellationen sanktioniert werden könnte. Das OLG München bestätigt aber die Grundsätze der Rechtsprechung zu sittenwidrigen bzw. unangemessen hohen Vergütungen (dazu Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., § 3 Rn. 19 ff; AnwKomm-RVG/N. Schneider, RVG, 9. Aufl., § 3 Rn. 104 ff.). Nach ständiger Rechtsprechung sind für die Frage, ob bei einer vereinbarten Vergütung ein für Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, auch der nach dem Anwaltsvertrag geschuldete tatsächliche Aufwand sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Bei niedrigen oder mittleren Streitwerten kann auch ein Honorar angemessen sein, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt.
Außerdem ist der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verpflichtet, den Mandanten ungefragt über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren (BGH NJW 07, 2332). Eine Auskunftspflicht besteht aber, wenn der Mandant danach fragt oder besondere Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) einen entsprechenden Hinweis erfordern (BGH, a. a. O.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a. a. O., § 1 Rn. 144; AnwKomm-RVG/Volpert, § 1 Rn. 40 und VV 3400 Rn. 169). Maßgeblich dafür ist, ob der Anwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis erkennen konnte und musste.
- Vergütungsvereinbarung nach Zeittakten möglich?, RVG prof. 21, 163
AUSGABE: RVGprof 7/2022, S. 115 · ID: 48109272