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AuslagenBei Verfahrenseinstellung wegen Verjährung kommt es auf Schuldspruchreife an

Abo-Inhalt25.01.2022692 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| In der Praxis wird die Frage der Auslagenerstattung im Fall der Einstellung (des Bußgeldverfahrens) wegen Verjährung von den AG immer wieder falsch entschieden. Zu der Frage hat jetzt noch einmal das LG Magdeburg Stellung genommen. |

Entscheidungsgründe

Das LG Magdeburg konnte in seinem Fall viele Streitfragen offenlassen, weil gegen die Betroffene jedenfalls keine Hauptverhandlung vor dem AG stattgefunden hatte. Das Verfahrenshindernis der Verjährung war hier bereits eingetreten, bevor eine Hauptverhandlung stattgefunden hatte. So lag eine für die Anwendung des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO erforderliche Schuldspruchreife weder nach Ansicht des BVerfG noch nach Auffassung des BGH vor (6.10.21, 28 Qs 31/21, Abruf-Nr. 226970).

Relevanz für die Praxis

Das Fazit dieser Entscheidung ist: Ist bereits Verjährung (= Verfahrenshindernis) eingetreten, bevor eine Hauptverhandlung stattgefunden hat, ist für § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO kein Raum. Nach dieser engen Ausnahmevorschrift kann das Gericht davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn

  • dieser wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht,
  • es aber bei Hinwegdenken dieses Hindernisses mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH NStZ 95, 406).

Eine Schuldspruchreife kann nach Ansicht des BVerfG nur nach vollständig durchgeführter Hauptverhandlung und dem letzten Wort des Angeklagten eintreten (BVerfG NJW 92, 1612, 1613). § 467 Abs. 3 S. 1, Nr. 2 StPO ist danach also nur anzuwenden, wenn das Verfahrenshindernis nach dem letzten Wort des Angeklagten bekannt wird (KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019, § 467 Rn. 10a; Hilger NStZ 00, 332).

Nach anderer Ansicht des BGH kann eine solche Schuldspruchreife auch bejaht werden, wenn nach weitgehend durchgeführter Hauptverhandlung ein erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur Feststellung der Tatschuld infrage stellen würden (BGH NStZ 00, 330, 331).

Zu der Problematik, die von AG immer wieder falsch entschieden wird, haben sich in letzter Zeit u. a. geäußert: BVerfG NStZ 16, 159; BVerfG NJW 17, 2459; LG Berlin 18.6.18, 538 Qs 65/18; LG Köln DAR 21, 416; LG Neuruppin StraFo 21, 166; LG Stuttgart JurBüro 18, 258; w. N.: Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., Rn. 772 ff.).

AUSGABE: RVGprof 2/2022, S. 25 · ID: 47775614

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