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VerfahrensgebührAnrechnung bei Anwaltswechsel für selbstständiges Beweis- und folgendes Hauptsacheverfahren
| Bei einem Anwaltswechsel muss die Kostenerstattungsproblematik mitüberlegt werden, wie das OLG Brandenburg zeigt. Wird nämlich nach einem selbstständigen Beweisverfahren ein anderer Anwalt mit dem Hauptsacheverfahren beauftragt, ist die Verfahrensgebühr insgesamt nur einmal zu erstatten. Die obsiegende Partei muss sich im Kostenfestsetzungsverfahren die Anrechnung der Verfahrensgebühren entgegenhalten lassen. |
Entscheidungsgründe
Abruf-Nr. 226607
Grundsätzlich steht es einer Partei frei, für das selbstständige Beweis- und das folgende Hauptsacheverfahren verschiedene Rechtsanwälte zu beauftragen. Deren Kosten sind auch grundsätzlich erstattungsfähig. Allerdings ist bei Beauftragung desselben Anwalts die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Diese Anrechnung ist im Streitfall umgangen worden, zumal auch nicht vorgetragen wurde, dass der Anwaltswechsel notwendig gewesen ist. Daher habe keine solche Notwendigkeit vorgelegen und die Mehrkosten des Anwaltswechsels seien nicht von der Gegenpartei zu erstatten. Im Rahmen der Kostenfestsetzung sei fiktiv anzurechnen, wie dies bei Beauftragung nur eines Anwalts hätte vorgenommen werden müssen (OLG Brandenburg 13.10.21, 6 W 107/20, Abruf-Nr. 226607).
Relevanz für die Praxis
Mit seiner Entscheidung folgt das OLG der Rechtsprechung des BGH (RVG prof. 18, 118). Dieser wendet § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht nur auf den Anwaltswechsel in demselben Verfahren an, sondern auf alle Konstellationen, in denen mehrere gerichtliche Verfahren bzw. Verfahrensabschnitte vorliegen, die gesonderte Gebühren auslösen, und bei denen die Verfahrensgebühren aufeinander anzurechnen sind (z. B. Mahnverfahren und nachfolgendes streitiges Verfahren).
Ungeachtet dessen steht es der erstattungsberechtigten Partei selbstverständlich frei darzulegen, weshalb der Anwaltswechsel zwischen Beweis- und Hauptsacheverfahren notwendig gewesen war. Kommt sie insoweit allerdings ihrer Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast nicht nach, muss man davon ausgehen, dass der Anwaltswechsel i. S. d. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht notwendig war. Folglich ist ihr im Rahmen der Kostenfestsetzung die Anrechnung fiktiv entgegenzuhalten, wie sie bei Beauftragung desselben Anwalts vorzunehmen gewesen wäre.
Beachten Sie | Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BGH lediglich, wenn die Partei vorgerichtlich einen anderen Anwalt als im gerichtlichen Verfahren beauftragt hat. Auf diesen Fall ist § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht anwendbar, da der Anwaltswechsel nicht innerhalb des gerichtlichen Verfahrens stattfindet (BGH RVG prof. 10, 37).
AUSGABE: RVGprof 2/2022, S. 23 · ID: 47892281