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BGHEntsendebescheinigung A 1 lässt § 266a StGB entfallen
Abruf-Nr. 242187
| Eine Entsendebescheinigung A 1 aus einem anderen EU-Mitgliedstaat entfaltet Tatbestandswirkung, die eine Behandlung als in Deutschland sozialversicherungspflichtig ausschließt. Damit entfällt eine Strafbarkeit nach § 266a StGB (BGH 30.04.24, 1 StR 426/23 Abruf-Nr. 242187). |
Entsendebescheinigungen A 1, die von einem anderen Mitgliedstaat der EU (hier Litauen) erteilt werden, binden die deutsche Strafrechtspflege. Der Übergang von den EU-VOen VO 1408/71 und VO 574/72 zu den VO 883/2004 und VO 987/2009 hat dies nicht wesentlich verändert. Selbst missbräuchlich oder betrügerisch erwirkte Bescheinigungen binden die anderen Mitgliedstaaten (BGH 24.10.06, 1 StR 44/06, BGHSt 51, 124). Es kommt nur auf die formelle Wirksamkeit der Entscheidung, nicht auf ihre materielle Rechtmäßigkeit an. Da die Tatbestandswirkung auf dem Bestimmtheitsgrundsatz beruht, kann sie strafrechtlich auch nicht rückwirkend entfallen, unabhängig davon, ob dies verwaltungsrechtlich möglich ist (EuGH, 11.07.18, C-356/15 Rn. 88).
Beachten Sie | Die Tatbestandswirkung der Entsendebescheinigung A 1 lässt eine etwaige Lohnsteuerpflicht unberührt. Damit kann LoSt-Hinterziehung nach § 370 AO trotz Entsendebescheinigungen angeklagt werden. Unberührt bleibt auch § 263 StGB, wenn die Bescheinigungen betrügerisch erwirkt wurden. Denn § 263 StGB ist, anders als § 266a StGB, insofern nicht verwaltungsakzessorisch. Nach Wegfall der unionsrechtlichen Bindungswirkung wäre eine Strafverfolgung insofern möglich (BGH, 24.10.06, 1 StR 44/06, a. a. O). (DR)
AUSGABE: PStR 12/2024, S. 266 · ID: 50159098