FeedbackAbschluss-Umfrage

EinziehungBGH entscheidet: kein Gold für die EUStA

Abo-Inhalt04.11.20241913 Min. LesedauerVon Oberstaatsanwalt Dr. Jost Schützeberg, Köln

| Der BGH hat die Revision der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) verworfen und Praxisrelevantes zum Einziehungsrecht ausgeführt. |

Sachverhalt

Der Angeklagte A war als Gehilfe in ein Geflecht von Einzelunternehmen und Gesellschaften eingebunden, dessen Zweck hauptsächlich darin bestand, sich durch den Scheinhandel mit Platinmünzen (Kreislaufgeschäfte) ungerechtfertigte Vorsteuerüberhänge zu verschaffen. Hierzu übergab A an die Verantwortlichen der E-GmbH Platinmünzen und Scheinrechnungen mit ausgewiesener USt i. H. v. insgesamt ca. 3,7 Mio. EUR, die auf die W-GmbH ausgestellt waren. Im Gegenzug erhielt A i. d. R. Goldmünzen im Wert der Platinmünzen zzgl. USt. Anschließend veräußerte A einen Großteil dieser Münzen im Namen und auf Rechnung der L-GmbH an im Inland ansässige Goldhändler. Dafür erhielt A von dem faktischen Geschäftsführer der L-GmbH 22.000 EUR. Der Verantwortliche der E-GmbH machte aus den von A überbrachten Scheinrechnungen über die USt-Voranmeldungen zu Unrecht Vorsteuer geltend. Der Verantwortliche der W-GmbH unterließ es, entgegen § 14c Abs. 2 S. 2 UStG Voranmeldungen abzugeben. A wurde zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei das LG die Einziehung des Werts von Taterträgen von (nur) 22.000 EUR anordnete. Hiergegen hat sich die EUStA erfolglos mit der auf die Einziehungsanordnung beschränkten Revision gewandt. Sie meint, auch das von A erhaltene Gold unterliege der Einziehung.

Entscheidungsgründe

Es ist nicht zu beanstanden, dass das LG von einer weitergehenden Einziehungsanordnung abgesehen hat, § 73 Abs. 1 Alt. 1 und 2, § 73c S. 1 StGB (BGH 16.4.24, 1 StR 204/23, Abruf-Nr. 241573).

Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB sind nicht gegeben. Das Tatbestandsmerkmal „durch die Tat“ ist erfüllt, wenn der Gegenstand in irgendeiner Phase des Tatablaufs in die Verfügungsgewalt des Täters übergegangen ist und ihm so aus der Tat unmittelbar etwas messbar zugutekommt. Nach dem § 73 StGB-E zugrunde liegenden Bruttoprinzip sind alle Vermögenswerte, die einem Tat- (oder Dritt-)Beteiligten aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen (BT-Drucks. 18/9525, 62). Dabei sind – wie bei § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB – Täter und Gehilfen gleichermaßen erfasst.

Der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB setzt demnach Kausalität voraus: Der abzuschöpfende Vermögensvorteil, regelmäßig die Kehrseite des Taterfolgs, muss der Tathandlung zeitlich nachfolgen (BGH 8.2.23, 1 StR 376/22; Schützeberg, PStR 24, 28). „Aus der Verwirklichung des Tatbestands“ meint die Tatbegehung, nicht aber das Vorbereitungsstadium (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB); jedenfalls das Versuchsstadium muss erreicht sein. I. d. S. kann die Tatbeute nicht verteilt werden, bevor sie „eingefahren“ ist. A erlangte die Verfügungsgewalt über das Gold zu einem Zeitpunkt, als der Verantwortliche der E-GmbH noch nicht unmittelbar ansetzte, um die USt-Voranmeldungen abzugeben. Dazu musste erst der jeweilige Monat verstreichen, § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 UStG. Daher unterliegt der Wert des Goldes nicht der Vermögensabschöpfung aufgrund der nachfolgenden unrichtigen Voranmeldungen.

Auch erlangte A das Gold bei den Lieferungen nicht „für“ die Tat, § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB. „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen. Die in § 73 Abs. 1 StGB enthaltenen Alternativen „durch“ und „für“ schließen sich nach ständiger Rechtsprechung aller Strafsenate des BGH gegenseitig aus. Allein bei der Tatalternative des § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB unterliegen auch im Vorfeld der Tatbegehung erlangte Vermögensvorteile (Vorauszahlungen) der Abschöpfung. Das Gold durfte A nicht behalten; er musste es auf Weisung der Hintermänner verwerten. Es war nicht sein Entgelt für seine Gehilfenbeiträge. Die hier anzunehmende faktische, weit über einen bloß transitorischen Besitz hinausgehende Verfügungsmacht reicht damit für die Abschöpfung innerhalb der Tatbestandsvariante des § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht aus. Es kommt darauf an, was dem Mittäter oder Gehilfen verbleiben soll. Nur der Profit nach Verteilung des Goldes innerhalb der Tätergruppe kann als „für die Tat“ Erlangtes eingezogen werden.

Relevanz für die Praxis

Das steuerliche Verfahrensrecht ist für die Einziehungsentscheidung des Gerichts bedeutsam. Der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB setzt Kausalität voraus. Der abzuschöpfende Vermögensvorteil muss also der Tathandlung in zeitlicher Hinsicht nachfolgen. Diese Rechtsprechung dürfte auch für die sog. Cum-Ex-Fälle relevant sein. In den Konstellationen, in denen der Cum- Ex-Käufer den Beuteanteil den anderen Beteiligten vorstreckte und erst nach Auszahlung der KapESt erstattet bekam, wurden die Vorteile bereits vor der Tat erlangt, sodass eine Einziehung „durch die Tat“ ausscheiden dürfte.

Fraglich war zudem, ob die unterbliebene Einziehungsanordnung isoliert anfechtbar ist, was der Senat bejaht. Es handelt sich bei der Einziehung weder um eine Strafe noch eine strafähnliche Maßnahme, sodass der Strafausspruch nicht berührt ist. Der Beschränkung steht hier auch nicht entgegen, dass die Höhe des abzuschöpfenden Erlangten (der „Tatbeute“) aufseiten des verletzten Steuerfiskus dem Schadensumfang entspricht, den die Tatbeteiligten dadurch bewirkten, dass sie rechtswidrig Vorsteuerguthaben geltend machten, die anschließend ausbezahlt wurden. Der Schadensumfang ist zwar zugleich regelmäßig ein bestimmender Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 S. 1 StPO), die Feststellung des Schadensausmaßes also „doppelrelevant“. Einziehungsanordnung und Strafzumessung lassen sich dennoch losgelöst voneinander prüfen. Ausnahme: Wenn durch das Tatgericht nur rudimentäre Feststellungen zum Schadens- oder Verkürzungsumfang getroffen worden sind.

Weiterführende Hinweise
  • Wengenroth, Einziehung: Bei versuchter Steuerhinterziehung kommt keine Einziehung in Betracht, PStR 24, 4
  • Schützeberg, Einziehung: Für künftige Straftaten scheidet eine Einziehung aus, PStR 24, 28

AUSGABE: PStR 12/2024, S. 269 · ID: 50144478

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte