FeedbackAbschluss-Umfrage

DurchsuchungsbeschlussDarf das Zimmer des volljährigen Kindes eines Beschuldigten durchsucht werden?

Abo-Inhalt18.03.2024199 Min. LesedauerVon RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster

| Werden Räume in Privat- oder Geschäftswohnungen durchsucht, sind oft auch Dritte betroffen, die Mitgewahrsam an diesen Räumen haben. Fraglich ist daher, ob ein Durchsuchungsbeschluss für eine Wohnung auch das von einem erwachsenen Kind des Beschuldigten bewohnte Zimmer umfasst, wenn dieses Teil der Familienwohnung ist. |

»Frage des Steuerberaters: Das Zollfahndungsamt führt gegen den Beschuldigten, den Vater meines Mandanten, ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhehlerei. Der Ermittlungsrichter erließ einen auf § 102 StPO gestützten Durchsuchungsbeschluss u. a. für das Haus, das die Familie des Beschuldigten bewohnt. Beamte des Zollfahndungsamts haben den Durchsuchungsbeschluss vollzogen. Bei der Sichtung des Objekts bemerkten die Beamten im nicht abgeschlossenen Dachgeschosszimmer des Hauses u. a. unversteuerte Zigaretten und eine Konsumeinheit Marihuana. Die Mutter meines Mandaten wies darauf hin, dass mein Mandat M das Dachgeschosszimmer bewohnt. Es handelt sich dabei um den gemeinsamen 23-jährigen Sohn. Kurz darauf erschien auch M und verlangte einen Durchsuchungsbeschluss für sein Zimmer. Die Zollbeamten telefonierten daraufhin mit dem zuständigen Staatsanwalt, der fernmündlich anordnete, das Dachgeschosszimmer auf der Grundlage von Gefahr im Verzug zu durchsuchen. Erst danach durchsuchten die Beamten das Zimmer und stellten dort Asservate sicher.

M erwägt, Beschwerde einzulegen. Er möchte feststellen lassen, dass die Durchsuchung seines Zimmers rechtswidrig war. Ferner verlangt er, dass ihm die dort sichergestellten Asservate herausgegeben werden. Er ist der Ansicht, diese unterlägen einem Beweisverwertungsverbot. Hat die Beschwerde Aussicht auf Erfolg?

»Antwort des Strafverteidigers: Nein, eine solche Beschwerde wäre unbegründet. Dazu im Einzelnen:

Die Durchsuchung ist zwischenzeitlich vollzogen und damit erledigt. Die Beschwerde kann aber, wenn eine Privatwohnung durchsucht wird, mit dem Ziel geführt werden, festzustellen, dass die Durchsuchung rechtswidrig war (BVerfG 24.3.98, 1 BvR 1935/96, juris Rn. 18 f.; LG Nürnberg-Fürth 4. 8.23, 12 Qs 57/23, juris Rn. 7; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., vor § 296, Rn. 18 f. m. w. N.).

Die Durchsuchung des Dachgeschosszimmers hatte bereits in der ermittlungsrichterlichen Durchsuchungsanordnung eine tragfähige Grundlage (LG Nürnberg-Fürth 6.12.23, 12 Qs 77/23). Nutzen mehrere Personen das Durchsuchungsobjekt oder haben sie daran Mitgewahrsam, und ist nur ein Teil verdächtig, greift § 102 StPO. Im unmittelbaren Einwirkungsbereich des Verdächtigen liegt es so nahe, Beweismittel aufzufinden, dass die von § 102 StPO vorausgesetzte entsprechende Vermutung bereits gerechtfertigt ist, auch wenn dadurch Nichtverdächtige betroffen werden. Voraussetzung ist aber, dass es sich tatsächlich um gemeinsam genutzte Räume handelt.

Sind Räume hingegen ausschließlich dem unverdächtigen Mitbewohner zuzuordnen, scheidet eine Durchsuchung nach § 102 StPO aus.

Beachten Sie | Bei Wohnungen und Räumen kann diese Rechtslage zu Härten für die Mitbewohner führen. Dies gilt für Familienwohnungen, aber auch für Arbeits-, Geschäfts- und Betriebsräume, die der Verdächtige nur mit-benutzt. Alle diese Räume werden nach § 102 StPO durchsucht, wenn nur ein Mitbenutzer Verdächtiger ist (BVerfG 9.8.19, 2 BvR 1684/18, juris Rn. 33; BGH 15.10.85, 5 StR 338/85, juris Rn. 5; 8.4.98, StB 5/98, juris Rn. 5; Tsambikakis in LR-StPO, 27. Aufl., § 102 Rn. 38 f. m. w. N.).

Gemessen an diesen Vorgaben durfte die Durchsuchung auf der Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses erfolgen. Bei dem Dachgeschosszimmer handelt es sich um einen Teil der gemeinsamen Familienwohnung, die sich über das ganze Haus erstreckt. Es bildet darin keine abgeschlossene, separate Einheit, etwa i. S. e. Anliegerwohnung. Vielmehr stand das Zimmer offen, als die Zollbeamten eintrafen. Es war für alle Familienmitglieder zugänglich. Der Vater des M, der Beschuldigte, hatte auch Mitgewahrsam am Dachgeschosszimmer. Dies reicht aus.

Der Mitgewahrsam wurde weder dadurch ausgeschlossen, dass M volljährig ist, noch dadurch, dass er es, angabegemäß, tatsächlich nutzt und bewohnt. Lassen bauliche oder sonstige objektive Gegebenheiten nicht sicher darauf schließen, dass der Beschuldigte – hier der Vater des M – bestimmte Räume des Durchsuchungsobjekts nicht nutzt, gilt Folgendes: Die Beamten müssen nicht schon deshalb von der Durchsuchung einzelner Räume Abstand nehmen, weil eine vor Ort anwesende Person angibt, diese würden nur in bestimmter Weise oder nur von bestimmten Personen genutzt (LG Nürnberg-Fürth 6.12.23, 12 Qs 77/23).

Merke | Auf die mündliche Durchsuchungsanordnung kam es danach nicht an. Unschädlich ist auch, dass die Beamten des Zollfahndungsamts und der Staatsanwalt eine mündliche Durchsuchungsanordnung für erforderlich hielten, auf deren vermeintlicher Grundlage die Durchsuchung des Zimmers erfolgte. Dieser Rechtsirrtum nimmt dem richterlichen Beschluss nichts von seiner objektiv gegebenen, rechtfertigenden Kraft. So kann offenbleiben, ob die mündliche Anordnung für sich genommen rechtmäßig erging oder nicht (LG Nürnberg-Fürth 6.12.23, 12 Qs 77/23).

Es spricht nichts dafür, das ein Beweisverwertungsverbot greift. Daher ist auch die Sicherstellung der bei dem M gefundenen Asservate nicht aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft wird, sollte sie die Asservate weiterhin brauchen, jedoch deren Beschlagnahme herbeiführen müssen (LG Nürnberg-Fürth 6.12.23, 12 Qs 77/23).

AUSGABE: PStR 4/2024, S. 95 · ID: 49879530

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte