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GeldwäscheVerstöße nach dem Geldwäschegesetz (GwG): Internetpranger muss verhältnismäßig sein

Abo-Inhalt26.02.202469 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin

| Mittels einer Veröffentlichung im Internet kann ein Betroffener an den Pranger gestellt werden. Dadurch können sich z. B. Geschäftspartner wegen einer angeblich fehlenden Geldwäscheprävention abwenden. Aufgrund der weltweit verfügbaren Informationen im Internet droht schlimmstenfalls ein langfristiger Reputationsschaden und eine dauerhafte Stigmatisierung, die zu einem wirtschaftlichen „Todesurteil“ des Betroffenen führen kann. Dazu ein Fall des VG Ansbach. |

Sachverhalt

Die Antragstellerin (AS) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Bekanntmachung einer gegen sie ergangenen Einziehungsmaßnahme auf der Internetseite des Antragsgegners (AG). AS betreibt als Einzelkauffrau unter ihrer Firma seit Längerem ein Geschäft. Bei der Staatsanwaltschaft wurde ein Ermittlungsverfahren gegen sie geführt. Ein ehemaliger Kunde erwarb bei der AS Gegenstände mit inkriminiertem Bargeld. Das Verfahren wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Gericht hörte den AG und die AS im Verfahren über die Einziehung von Taterträgen nach § 29a OWiG an. Im Raum standen 53 Fälle, in denen die Verdachtsmeldepflicht bei der Erlangung hoher Bargelderträge verletzt worden sein sollte. Mit selbstständiger Mitteilung wurde AS darauf hingewiesen, dass der AG bestandskräftige Maßnahmen und unanfechtbare Bußgeldentscheidungen nach § 57 Abs. 1 GwG auf seiner Internetseite bekannt zu machen habe. Im weiteren Verlauf erließ der AG einen Bescheid, wonach die Einziehung eines sechsstelligen Betrags angeordnet wurde. AS beantragte, dass die Bekanntmachung nach § 57 GwG in anonymisierter Form erfolgen solle. Sie forderte zudem, dass die zwischenzeitlich erfolgte Bekanntmachung gelöscht wird. Ihr Begehren war z.T. erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Das VG untersagte dem AG im Wege der einstweiligen Anordnung, auf seiner Internetseite in der nichtanonymisierten Form weiterhin zu veröffentlichen, dass gegen die AS ein bestandskräftiger Einziehungsbescheid wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Meldepflicht nach § 43 GwG ergangen war (VG Ansbach 12.5.23, AN 4 E 23.697, Abruf-Nr. 239858). Die AS hat aber keinen Anspruch glaubhaft gemacht, dass die Bekanntmachung vorläufig vollständig zu löschen ist.

Bedenklich ist, ob die anzuwendenden Rechtsgrundlagen mit grundrechtlichen Normierungen, insbesondere hinsichtlich der Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 der Grundrechtecharta (GRC) und dem Verbot erniedrigender Behandlung nach Art. 4 GRC, zu vereinbaren ist. Die Frage der Vereinbarkeit ist aber im streitgegenständlichen Eilverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn § 57 GwG ermöglicht die Anonymisierung zugunsten der Betroffenen vor dem Hintergrund der Umstände des Einzelfalles mit Blick auf ihre Berufsfreiheit. Die Norm war hier entsprechend anzuwenden.

Merke | Ein Anordnungsgrund besteht, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zuzumuten ist, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Hier sind diese Nachteile auch so schwerwiegend, dass die geregelte Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt erscheint. Die durch die Veröffentlichung erfolgte Rechtsverletzung trägt unmittelbar die Gefahr in sich, dass die Marktverhältnisse aufgrund einer drohenden Kündigung der Konzessionen der AS zu ihren Lasten verändern.

Relevanz für die Praxis

Nach § 57 Abs. 1 GwG sind bestandskräftige Maßnahmen und unanfechtbare Bußgeldentscheidungen, die die zuständige Behörde wegen eines Verstoßes gegen das GwG verhängt hat, auf einer hierfür vorgesehenen Internetseite bekannt zu machen. Die Vorschrift basiert auf Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.15 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zur Nutzung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (ABl. L 141 v. 5.6.15, S. 73 bis 117). § 57 GwG und Art. 60 RL 849/15 sehen mit Blick darauf, dass die Rechtsanwendung angemessen sein muss, Ausnahmen für den Einzelfall vor, vgl. § 57 Abs. 2 und 3 GwG sowie Art. 60 Abs. 1 UAbs. 2 RL 849/15. Ferner wird eine Höchstdauer der Bekanntmachung von fünf Jahren vorgeschrieben, wiederum mit der Möglichkeit einer kürzeren Bekanntmachungsdauer im Hinblick auf die Angemessenheit im Einzelfall (vgl. § 57 Abs. 4 GwG sowie Art. 60 Abs. 3 RL 849/15).

Merke | Normzweck der RL 849/15 sind general- und spezialpräventive Überlegungen. In der Literatur wird hierzu weiter ausgeführt, dass die Verpflichteten durch die Regelung angehalten werden sollen, sich verstärkt um Compliance zu bemühen. Denn die öffentliche Bekanntmachung von Verstößen führe zu einer Prangerwirkung, mit der Betroffene bloßgestellt werden (Pelz in: BeckOK, 13. Ed. Stand: 1.3.23, § 57 GwG Rn. 2).

Ungereimtheiten in der finanziellen Abwicklung können bereits im Vorfeld einer Steuerhinterziehung zu erheblichen geschäftlichen Risiken führen. Dies gilt selbst dann, wenn die eigentlichen kriminellen Vorgänge in der Sphäre Dritter liegen und gegen den Betroffenen nur der Vorwurf eines Dokumentationsdefizits erhoben wird. Aufgrund der weltweit verfügbaren Informationen einer Bekanntmachung im Internet können langfristige Reputationsschäden drohen. Gerade im Internet besteht die Gefahr, dass sich die Information verselbstständigt und das Unternehmen weiter über die beabsichtigte spezialpräventive Reuewirkung hinaus dauerhaft geschädigt wird. Das gilt umso mehr, als es spezialisierte Internetseiten gibt, die andere Seiten archivieren, sodass gelöschte Informationen dauerhaft verfügbar bleiben.

Praxistipp | Gegen eine drohende Prangerwirkung mittels des Internets sollte so früh wie möglich eingeschritten werden. Auch den geldwäscherechtlichen Pflichten muss frühzeitig die notwendige Bedeutung beigemessen werden.

AUSGABE: PStR 4/2024, S. 77 · ID: 49832558

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