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Der praktische Fall Was bei einer Selbstanzeige fürs Depot auf den Cayman Islands zu beachten ist
| Lässt ein Elternteil sein erwachsenes, in Frankreich lebendes Kind als Erbschaftsvorsorge als verfügungsberechtigten Mitinhaber eines Gemeinschaftsdepots bei der Cayman National Bank registrieren, kann dies die französischen Steuerbehörden auf den Plan rufen. Der Beitrag erläutert, wie Sie in Deutschland reagieren können. |
Inhaltsverzeichnis
1. Der Fall
Die Mandantin M hatte in Peru gearbeitet. Als sie ihre Tätigkeit beendete, erhielt sie eine Abfindung, die sie auf den Cayman Islands angelegt hat. Motivation hierfür waren nicht steuerliche Gründe, sondern vielmehr ihre Erfahrungen mit der Guerilla-Gruppe „Leuchtender Pfad“ in den Achtzigerjahren und die Hyperinflation in Peru bis 1990. Neben der Abfindung hatte sich das Depot auch aus dem Verkauf ihres Einfamilienhauses in Lima in 2018 gespeist. Ihren Lebensunterhalt bestritt die M aus einer peruanischen und einer französischen Rente. Entnahmen aus dem Depot tätigte sie nicht. Als Erbschaftsvorsorge hatte sie ihre in Frankreich lebende Tochter T als verfügungsberechtigte Mitinhaberin des Depots bei der Bank registriert. Die französischen Steuerbehörden forderten die T auf, ihre Deklaration von Kapitaleinkünften zu überprüfen, verbunden mit einer Frist zur Nacherklärung.
a) Unbeschränkte Steuerpflicht
Nachdem sie ihren späteren deutschen Ehemann E kennengelernt hatte, hielt sich die M zunächst vorübergehend in Deutschland auf und meldete sich schließlich 2013 in der gemeinsam bewohnten Wohnung an. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt bestand unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.
Praxistipp | Gem. § 15 Geldwäschegesetz (GwG) muss der Berater zusätzlich zu den allgemeinen Pflichten verstärkte Sorgfaltspflichten erfüllen, wenn ein höheres Risiko vorliegt. Das ist der Fall, wenn es sich bei einem Vertragspartner des Verpflichteten oder bei einem wirtschaftlich Berechtigten um eine natürliche oder juristische Person handelt, die in einem von der EU-Kommission nach Art. 9 der Richtlinie (EU) 2015/849 ermittelten Drittland mit hohem Risiko niedergelassen ist. Seit dem 17.5.23 zählen in der karibischen Region neben Trinidad und Tobago und Barbados auch die Cayman Islands zu den Drittländern mit hohem Risiko. Es ist daher darauf zu achten, die Mandatsunterlagen besonders sorgfältig zu prüfen, um einen Zweitwohnsitz im Risikoland auszuschließen, auch wenn ein deutscher Wohnsitz vorliegt. |
b) Einkünfte aus Kapitalvermögen
Seit 2002 erzielte M Kapitalerträge in Form von Zinseinkünften aus in US-Dollar notierenden Staatsanleihen der Cayman Islands sowie Anleihen der depotführenden Bank und Dividenden aus US-amerikanischen Aktien. Daneben fielen in kleinem Umfang Veräußerungsgewinne und -verluste dieser Anlagen an. Der wirtschaftliche Schwerpunkt der jährlichen Erträge des Depots lag in den US-Dividenden. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärte die M in Deutschland nicht. Ab dem Jahr der Hochzeit in 2015 wurde sie mit E zusammenveranlagt, Einzelveranlagungen für die Jahre 2013 und 2014 waren jedoch mangels Abgabe einer Einkommensteuererklärung durch die steuerlich zunächst nicht erfasste M nicht erfolgt. Es musste daher zur Selbstanzeige geraten werden.
2. Selbstanzeige
Aufgrund der Nachfrage der französischen Steuerbehörde bei der T betreffend das einschlägige Depot war fraglich, ob eine Selbstanzeige noch abgegeben werden konnte oder ob der Sperrgrund der Tatentdeckung diese verhinderte.
a) Tatentdeckung
Eine Selbstanzeige kann nur wirksam abgegeben werden, solange die Steuerstraftat noch nicht entdeckt ist, § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die Kenntnis der französischen Steuerbehörde von den konkreten Depots könnte die Selbstanzeige sperren, selbst wenn noch kein Abgleich der deutschen Behörden mit der Steuererklärung der M stattgefunden hat: Eine Tatentdeckung i. S. e. Sperrgrunds liegt vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist (BGH 9.5.17, 1 StR 265/16). Auch Angehörige ausländischer Behörden kommen als Tatentdecker i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO in Betracht, wenn der betreffende Staat aufgrund von Abkommen internationale Rechtshilfe leistet (Rolletschke/Roth, Die Selbstanzeige, 2015, Rn. 323 m. w. N.). Bedarf es der Übermittlung der Kenntnisse von der Tat im Wege internationaler Rechtshilfe, ist für die Beurteilung, ob damit zu rechnen ist, dass die Informationen weitergegeben werden, die Wahrscheinlichkeit der Rechtshilfegewährung maßgeblich (BGH, a. a. O.).
Der Verdachtsmoment ist durch zusätzliche Umstände weiter zu konkretisieren (BGH, a. a. O.). Zwar leistet Frankreich aufgrund bestehender Abkommen internationale Rechtshilfe: Hier war eine Tatentdeckung jedoch ausgeschlossen, weil die Anfrage der französischen Steuerbehörden sich ausschließlich darauf bezog, dass die T eine Bankverbindung hatte. Konkrete Informationen über Einkünfte lagen in Frankreich noch nicht vor, und weitere wirtschaftlich Berechtigte am Depot waren nicht bekannt oder Gegenstand von Ermittlungen. Somit war nicht mit einer Weitergabe zu rechnen, und es lag keine Tatentdeckung mit Sperrwirkung für die Selbstanzeige vor.
b) Zeitraum der Selbstanzeige
Kollidiert der Zehnjahreszeitraum (§ 371 Abs. 1 S. 2 AO) mit einer kürzeren Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht des Täters, sollte sich die Selbstanzeige tatsächlich auf zehn Kalenderjahre erstrecken. Der Zeitpunkt des Beginns oder des Endes der unbeschränkten Steuerpflicht ist bei der Selbstanzeige präzise kenntlich zu machen. Wird der Zeitraum von zehn Kalenderjahren dargestellt, besteht damit zwar das Risiko, dass das FA die Steuern festsetzt, obgleich (noch) keine unbeschränkte Steuerpflicht bestand. Dem sollte aber nicht auf der Ebene der Selbstanzeige begegnet werden, indem Angaben für nicht betroffene Jahre weggelassen werden. Vielmehr sollte man im Einspruchsverfahren gegen etwa unzutreffend erlassene Steuerbescheide vorgehen.
c) Vollständigkeit der Selbstanzeige
Damit die Selbstanzeige wirksam ist, müssen die Angaben zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart im Zeitraum der letzten zehn Kalenderjahre vollständig sein, § 371 Abs. 1 S. 2 AO. Bei Nichtabgabe für den Zeitraum der Einzelveranlagung waren daher vollständige Einkommensteuererklärungen 2013 und 2014 erforderlich. Hierbei waren auch die Rentenzahlungen aus Peru und Frankreich zu beachten, wobei, um der Vollständigkeit willen in Bezug auf die Quellenbesteuerung im Ausland eine Doppelbesteuerung hinzunehmen ist, die sich ergibt, wenn eine Steuerpflicht in Deutschland besteht (BFH 8.12.10, I R 92/09) und ein durchgeführter ausländischer Quellensteuerabzug aufgrund Verjährung im Quellenstaat der Rente nicht mehr wirksam angegriffen werden kann.
Praxistipp | Um die Vollständigkeit zu wahren und aus Gründen des steuerstrafrechtlichen Kompensationsverbotes des § 370 Abs. 4 S. 3 AO darf nicht saldiert werden. Insbesondere in Bezug auf die Veräußerungsgewinne und -verluste von Anleihen und Aktien müssen Gewinne und Verluste separat ausgewiesen werden. Wenn dies in der Folge im Besteuerungsverfahren dazu führt, dass nur die Gewinne im Steuerbescheid beachtet werden, ist dies durch Einsprüche zu korrigieren. |
Damit eine Selbstanzeige für nicht erklärte Kapitalerträge vollständig ist, muss auch die Herkunft der Mittel für die Geldanlagen geklärt sein. Die Mittelherkunft sollte stets angegeben werden, wenn sich der Mandant hierdurch nicht selbst hinsichtlich einer Steuerstraftat oder anderer Delikte (insbesondere Bestechungs-, Eigentums- und Betrugsdelikte oder Geldwäsche) belastet, um Ermittlungsmaßnahmen des Strafsachen-FA zu vermeiden. Die Mittel stammten hier aus Abfindungszahlungen eines großen Unternehmens im Jahr 2002. Die Grundlagen der Zahlungen konnten aufgrund sicher eingetretener Verjährung sowohl steuer- als auch steuerstrafrechtlich keine Rolle mehr spielen.
Anders zu beurteilen war der Immobilienverkauf des Einfamilienhauses in Lima, Peru 2018, der jeweils in unverjährter Zeit lag. Hier hatte sich die M erst nach der Heirat entschieden, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Erst danach hatte sie den Verkaufsprozess des Hauses in Lima begonnen. Die Annahme, dass das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Immobilien beim Belegenheitsstaat der Immobilie liegt, und der Vorgang in Deutschland nicht steuerpflichtig sein kann, wäre zu kurz gegriffen. In Ländern, die mit Deutschland ein DBA abgeschlossen haben, ist diese Annahme i. d. R. zutreffend, Art. 6 Abs. 1 OECD Musterabkommen.
Zwischen Deutschland und Peru besteht aber kein DBA, sodass das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht ausgeschlossen wird. Es ist zu prüfen, ob ein Spekulationsgewinn nach § 23 EStG vorliegt oder dieser ausgeschlossen werden kann, um die Vollständigkeit der Selbstanzeige zu wahren. Hier war der Nachweis relativ einfach, da in der peruanischen Notarurkunde über den Verkauf auch die Anschaffung durch Schenkungsvertrag im Jahr 2006 mit konkreten Angaben belegt war. So konnte der Nachweis, dass der Verkauf der Immobilie im Jahr 2019 außerhalb der Zehn-Jahres-Frist des § 23 Abs. 1 S. 1 EStG lag, relativ einfach und ohne historische Nachweise aus Peru geführt werden. Da die M nach Deutschland gezogen war, stellte sich die Frage des Nachweises, ob das Haus in Lima ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, nicht.
d) Höhe der Steuerverkürzung
Da letztlich die Höhe der Steuerverkürzung maßgeblich für die Schwere der Tat ist, müssen Ermäßigungen nach DBA geprüft werden. Hierbei darf die Prüfung nicht mit der Feststellung enden, dass zwischen Peru und Deutschland kein DBA besteht. Vielmehr muss die DBA-rechtliche Lage jeweils einkunftsbezogen betrachtet werden: Die Kapitalerträge werden fast immer anhand eines Nachweises eines ausländischen Finanzinstituts beurteilt, bei dem – im Gegensatz zu inländischen Depots – kein Ausweis der anrechenbaren ausländischen Quellensteuer erfolgt. In Bezug auf die Zinserträge in US-Dollar aus den Bank- und Staatsanleihen der Cayman Islands verbleibt es für die Höhe der Steuerverkürzung bei der vollen Abgeltungssteuer, weil hier kein Quellensteuereinbehalt der Cayman Islands erfolgt ist. Anders verhält es sich bei den Dividenden aus US-Aktien, die den wirtschaftlichen Schwerpunkt der Kapitalerträge bildeten.
Nach Art. 10 Abs. 2 Ziff. b) DBA USA sind Quellensteuern der USA auf die Bruttodividenden von US-amerikanischen Aktien auf 15 Prozent beschränkt. Insoweit ist zu beachten, dass auf die Abgeltungssteuer die auf die Dividenden einbehaltene amerikanische Quellensteuer i. H. v. 15 Prozent anzurechnen ist, § 32d Abs. 1 S. 2 EStG. Ein Ausweis der US-amerikanischen Quellensteuer in den Erträgnisaufstellungen war nicht erfolgt, weil die Bank weiterhin davon ausging, dass die M in Peru ansässig ist und sie steuerlich auch so behandelte. Dementsprechend konnte es mangels DBA zwischen den USA und Peru konsequenterweise keine Berücksichtigung der Quellensteuer der USA in den Erträgnisaufstellungen geben, geschweige denn eine Anrechnung dieser Quellensteuer nach dem DBA zwischen Deutschland und den USA.
Dies ändert aber materiell-rechtlich nichts daran, dass die M – so man sie für in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig ansieht und ihr Steuerhinterziehung vorwirft – abkommensberechtigt aus dem DBA USA-Deutschland ist. Sie hat Anspruch darauf, dass die US-Quellensteuer auf Dividenden angerechnet wird. Zugunsten der M ist zu berücksichtigen, dass sich die Kapitalertragsteuer (KESt) von 25 Prozent um anrechenbare 15 Prozent US-amerikanische Quellensteuer auf verbleibende 10 Prozent mindert und so den Verkürzungsbetrag hinsichtlich der US-Dividenden deutlich reduziert.
Praxistipp | Zu Dokumentationszwecken ist ggf. eine (kostenpflichtige) Bestätigung der depotführenden Bank über den Quellensteuereinbehalt durch die ausschüttende US-Aktiengesellschaft einzuholen. In jedem Fall darf bei der Selbstanzeige amerikanische Quellensteuer nicht mit der deutschen Abgeltungssteuer saldiert werden: Es sind stets die vollen Bruttodividenden nachzuerklären, um die rechtliche Voraussetzung der Vollständigkeit der Selbstanzeige nicht zu gefährden. |
M. E. steht der Anrechnung von Quellensteuer auch nicht das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO entgegen: Hätte sich die geltend gemachte Steuerermäßigung („aus anderen Gründen“) bei zutreffenden Angaben des Täters ohne Weiteres von Rechts wegen ergeben, gilt das Kompensationsverbot nicht (BGH 31.1.78, 5 StR 458/77). Ist die Selbstanzeige eingereicht, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, worauf stets vorab hinzuweisen ist. Werden die verkürzte Steuer und die festgesetzten Hinterziehungszinsen gezahlt, wird das Verfahren mangels Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
AUSGABE: PStR 2/2024, S. 42 · ID: 49752716