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EinziehungFür künftige Straftaten scheidet eine Einziehung aus
| Der 1. Strafsenat des BGH hat die Einziehungsentscheidung eines LG aufgehoben, da es in der zu entscheidenden Konstellation an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. |
Sachverhalt
Der Angeklagte A kaufte als faktischer Geschäftsführer der P GmbH Paletten ohne Rechnung „schwarz“ ein. Er ließ sich von Scheinfirmen Scheinrechnungen über Ankauf und Lieferung von Paletten ausstellen, um diese Käufe abzudecken. Dafür musste er Provisionen zahlen. Weder wurden Paletten geliefert noch wurden diese Rechnungen bezahlt. In der Buchführung der P GmbH wurden die Scheinrechnungen als „bar bezahlt“ verbucht. Tatsächlich hob A die Rechnungsbeträge von den Konten der P GmbH ab und bezahlte daraus den Hintermännern der Scheinfirmen die vereinbarte Provision. Zudem kaufte er davon weiter „schwarz“ Paletten ein und verwendete 300.000 EUR für private Zwecke. Der von der GmbH mandatierte Steuerberater StB machte für diese auftragsgemäß den Vorsteuerabzug aus den Scheinrechnungen geltend.
Das LG hat A wegen Steuerhinterziehung in 47 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Hinsichtlich eines Betrags i. H. v. 150.000 EUR nahm es ein Erlöschen i. S. d. § 73e Abs. 1 StGB an. Hinsichtlich weiterer 150.000 EUR, die A seinem Privatvermögen zugeführt hatte, hat es die Einziehung nach § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB („durch die Tat“) angeordnet, weil i. d. H. der aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an A als Täter weitergeleitet worden sei. Zwar sei keine Weiterleitung der erzielten Steuervorteile feststellbar; A habe jedoch unmittelbar Teile des Bargeldes entnommen, das erst später durch die niedrigere Steuerlast der P GmbH verdient worden sei. Dadurch habe sich der durch die Nichtzahlung der Steuern erlangte Vermögensvorteil der Gesellschaft auch im privaten Vermögen des A niedergeschlagen. Der BGH hob auf die Revision des A die Einziehungsentscheidung des LG auf.
Entscheidungsgründe
Abruf-Nr. 234885
Eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 Alt. 1, § 73c S. 1 StGB, auf die sich das LG gestützt hatte, ist ausgeschlossen (BGH 8.2.23, 1 StR 376/22, Abruf-Nr. 234885). Nach dieser Vorschrift soll der Tatertrag abgeschöpft werden, den der Tatbeteiligte „durch eine rechtswidrige Tat“ erlangt hat. Erlangt ist der Ertrag, also der „wirtschaftlich messbare“, mithin geldwerte Vorteil, aber nur, wenn er dem Tatbeteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (st. Rspr., vgl. BGH 15.1.20, 1 StR 529/19, PStR 20, 154 ff.). Dies setzt notwendigerweise als zeitlich vorgelagerten Schritt voraus, dass eine Tat begangen wurde. Zwar unterliegen auch geldwerte Vorteile, wie etwa ersparte Aufwendungen für Steuern, der Einziehung. Hier hat A das Geld von dem Konto der P GmbH aber zu einem Zeitpunkt entnommen und seinem privaten Vermögen zugeführt, zu dem sich der geldwerte Vorteil bei der Gesellschaft in Gestalt ersparter Aufwendungen durch Nichtentrichtung der geschuldeten Steuern noch nicht realisiert hatte. In einem ersten Schritt sind die Scheinrechnungen, wenn überhaupt, erst in die Buchhaltung aufgenommen worden. Die Übergabe an den StB, damit dieser die Steuererklärung vorbereiten konnte, hat noch in weiter Ferne gelegen.
Auch auf § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c S. 1 StGB kann die Einziehung nicht gestützt werden, wonach der Tatertrag eingezogen werden soll, den ein Tatbeteiligter „für eine rechtswidrige Tat“ erlangt hat. Vorteile sind „für“ die Tat erlangt, wenn sie einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen. Hier hat A das Bargeld jedoch eigenmächtig vom Konto der Gesellschaft einbehalten, ohne dass ein anderer es ihm für seine Tatbeteiligung zugewendet hätte.
Auch § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a und b, Abs. 2, § 73c S. 1 StGB scheiden aus, da sich diese Normen nur gegen Personen richten, die nicht „Täter oder Teilnehmer“ sind, aber infolge der Anknüpfungstat, hier die Steuerhinterziehung durch die P GmbH, selbst etwas erlangt haben. Hier ist A Täter der Steuerhinterziehungen. Zudem hat er nichts erlangt: Entrichtet eine juristische Person die geschuldete Steuer nicht, fließt ihr und nicht ihrem Organ dieser Vermögensvorteil zu, sodass die Einziehungsanordnung gegen die Gesellschaft zu richten ist.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung betrifft den maßgeblichen zeitlichen Anknüpfungspunkt für eine Einziehungsentscheidung, die das Tatgericht vornehmen muss und von der es nur unter den in § 421 StPO genannten Fällen absehen kann. Voraussetzung ist, dass eine von der Anklage umfasste und vom Tatrichter festgestellte rechtswidrige Tat vorliegt, § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Dabei reicht eine versuchte Straftat aus. Da sich die von A beabsichtigte USt-Hinterziehung zum Zeitpunkt der Entnahme der Gelder jedoch noch in einem straflosen Vorbereitungsstadium befunden hat, kam eine Einziehung nach § 73 StGB nicht in Betracht (zur straflosen Vorbereitung der Tat Jäger in: Klein, AO, 16. Aufl., § 370, Rn. 192).
Soweit A eine Steuerersparnis in Form von ersparten Aufwendungen bei der P GmbH beabsichtigt hat, hätten sich diese „verbraucht“ und könnten „gegenständlich“ nicht mehr weitergereicht werden, wenn sie diese beansprucht hätte, sodass bei A auch eine Einziehung nach § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 (i. V. m. § 73c StGB) ausgeschlossen wäre. Hier hält der Senat an seiner neuen Rechtsprechung fest (BGH 17.11.22, 1 StR 323/22 und 22.08.22, 1 StR 187/22). Zwar kommt bei A dadurch, dass er die Gelder entnommen hat, eine ESt-Hinterziehung durch das Verschweigen von bezogenen verdeckten Gewinnausschüttungen in Betracht (Einkünfte aus Kapitalvermögen, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG). Diese war aber nicht Gegenstand der von der StA in der Anklage bezeichneten Tat(en), sodass das Gericht darüber nicht entscheiden konnte (sog. Kognitionsgrenze).
- Wild, Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet: Vermögensabschöpfung bei faktischem Geschäftsführer, PStR 22, 167 f.
- Schützeberg, Steuerhinterziehung: Steuerverkürzung bei verdeckter Gewinnausschüttung, PStR 23, 52 ff.
AUSGABE: PStR 2/2024, S. 28 · ID: 49440297